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Bauen in den Tropen 12.04.2024, 00:00 Uhr

Pflanzen reinigen das Abwasser und kühlen das Gebäude

So können Pflanzenkläranlagen und Dachbegrünung in den Tropen zur effizienten Gebäudeklimatisierung und Abwasserreinigung genutzt werden.

Bei den Hobbithäusern im Valle Tucán, entworfen vom Architekten Gernot Minke, erfolgt die Vorreinigung des häuslichen Abwassers in bewährten Dreikammergruben. Das gereinigte Wasser wird anschließend über ein Rohrsystem gleichmäßig auf dem Dach verteilt. Foto: dvfsfd | Janisch & Schulz

Bei den Hobbithäusern im Valle Tucán, entworfen vom Architekten Gernot Minke, erfolgt die Vorreinigung des häuslichen Abwassers in bewährten Dreikammergruben. Das gereinigte Wasser wird anschließend über ein Rohrsystem gleichmäßig auf dem Dach verteilt.

Foto: dvfsfd | Janisch & Schulz

Begrünte Dächer sind weltweit anerkannte ökologische Lösungen in der nachhaltigen Architektur. Sie bieten Schutz vor Sonneneinstrahlung, Witterungseinflüssen und isolieren effektiv gegen Hitze und Kälte. Durch gezielte Bewässerung können vorteilhafte Effekte wie die Vegetationsdichte und die Verschattung der Dachfläche verstärkt werden. Zusätzlich tragen Gründächer zum Rückhalt von Regenwasser, zur Verbesserung der lokalen Luftqualität und zur Feinstaubreduzierung bei.

Ökologisches Wohnviertel Valle Tucán, Paraguay

Der Architekt Prof. Dr.-Ing. Gernot Minke hat jahrelang im Bereich Gewölbekonstruktionen und Dachbegrünung geforscht und wird im spanischsprachigen Raum gerne als „Padre de la Bioconstrucción“ bezeichnet. Mit ihm gemeinsam hat die Ingenieurgesellschaft Janisch & Schulz an der Entwicklung der Wohnanlage „Valle Tucán“ nahe der paraguayischen Hauptstadt Asunción gearbeitet.

Der Hintergrund

In Paraguay treten zunehmend lange andauernde Hitzeperioden auf. Die Bevölkerung reagiert mit der Installation von Klimaanlagen, was zu Stromspitzen und häufig zu Zwangsabschaltungen von Kleinstädten und Stadtvierteln führt. Im Valle Tucán werden derzeit neuartige Lösungen für die passive Gebäudeklimatisierung in Verbindung mit einer naturnahen Wasseraufbereitung erforscht. Dabei hat sich gezeigt, dass es in dieser Klimazone nicht möglich ist, ohne Bewässerung eine vernünftige Vegetationsdecke auf den Dächern zu etablieren. Da Trinkwasser eine rare Ressource ist, liegt es nahe, das Abwasser aus den Wohnhäusern für die Bewässerung zu nutzen.

Die Probleme

Folgende Probleme müssen hierfür gelöst werden: Kurzschlussströmung, Erosion, Geruch, Hygiene, Verankerung der Vegetation auf dem steilen Dachgewölbe. Die statischen Probleme, die eine Dachbegrünung mit circa 15 Zentimeter Substrat, Schubschwellen plus 30 Zentimeter Pflanzenpolster mit sich bringt, lassen sich durch die Konstruktionen des Architekten Minke einfach lösen. Die Ketten-, Tonnen- oder Kuppelgewölbe aus Lehmziegeln sind gut belastbar und mit dem richtigen Abdichtungsaufbau gut geeignet für einen schweren Begrünungsaufbau.

Die Lösung

Heute ist es möglich, auf den Gewölben das komplette häusliche Abwasser zu reinigen und eine mächtige Pflanzendecke zu etablieren. Diese Kombination ermöglicht die Aufbereitung von Schmutzwasser bei gleichzeitigen Kühlungseffekten. Dafür wird das vorgereinigte Abwasser in Intervallen auf der Dachfläche verteilt und sickert in die Substratschichten ein. Das Zusammenspiel physikalischer und biologischer Prozesse reinigt das Abwasser wie in unseren bewährten Pflanzenkläranlagen. Durch die Verdunstung des Wassers auf den Dachflächen kommt es zu einem signifikanten Kühlungseffekt des Daches, denn die zum Verdunsten des Wassers benötigte Verdampfungsenthalpie wird der Umgebungsluft entzogen, die sich dadurch abkühlt. Die Vegetation, die kontinuierlich mit Feuchtigkeit und Nährstoffen aus dem Abwasser versorgt wird, bildet zudem eine dichte, schattenspendende und isolierende Deckschicht.

Durch diese kombinierten Funktionen erreichen die Dachklimaanlagen im Valle Tucán eine optimale Flächenausnutzung und verbessern den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes. In dichter besiedelten städtischen Gebieten ist auch die Reduzierung des Hitzeinsel-Effekts bemerkenswert, was heute auch in nördlichen Breiten ein dringliches Thema der modernen Stadtplanung darstellt.

Erst Hessen, dann die Tropen

Das Unternehmen Janisch & Schulz startete 1993 im hessischen Münzenberg-Gambach mit dem Bau der ersten naturnahen Kleinkläranlage. Zu Beginn der 2000 Jahre wurden die ersten kleineren Projekte in Lateinamerika realisiert. Heute sind deren Ingenieure in Mexiko, Paraguay und Argentinien tätig und realisieren dort ähnliche Projekte.

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Von Von Janisch & Schulz / Melanie Schulz