Zum E-Paper
Cradle to Cradle-Prinzip 30.06.2023, 10:00 Uhr

Gelebte nachhaltige Baukultur

Von recycelten Reifen zum nachhaltigen Gebäude der nächsten Generation: 2021 eröffnete der deutsche Fahrradreifenhersteller der Marke Schwalbe die Ralf Bohle GmbH seine neue Firmenzentrale. Entstanden ist ein zukunftsweisendes Gebäude nach dem Cradle to Cradle-Prinzip. Der positiv konzipierte Gebäudekomplex zeigt den Weg der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu verantwortungsvollem und bedachtem Handeln auf.

Die 2021 fertiggestellte Schwalbe-Firmenzentrale in Reichshof zählt zu den Vorzeigeprojekten für Cradle to Cradle-inspirierte Gebäude. Foto: Ralf Bohle GmbH

Die 2021 fertiggestellte Schwalbe-Firmenzentrale in Reichshof zählt zu den Vorzeigeprojekten für Cradle to Cradle-inspirierte Gebäude.

Foto: Ralf Bohle GmbH

Cradle to Cradle, kurz C2C, ist ein Ansatz zur Verbesserung der Qualität von Produkten, Systemen und Dienstleistungen. Als Gestaltungs- und Wirtschaftsprinzip erzeugt es positive Auswirkungen, indem es wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile auf allen Ebenen betrachtet: in Materialien, Produkten, Gebäuden, Nachbarschaften und Regionen. Dies geschieht durch eine Integration von Chemie und Design sowie dem holistischen Ansatz der Systembetrachtung mit positiven und zukunftsorientierten Lösungsansätzen. Dabei dient die Natur als Vorbild, mit dem Ziel, eine sichere und potenziell unendliche Nutzung von Materialien zu ermöglichen sowie sichere Systeme zu etablieren. Im Fokus steht nicht nur nachhaltig zu sein, sondern einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaft zu leisten.

Zirkuläres Wertschöpfungssystem

Durch den Paradigmenwechsel von einer linearen Durchlaufwirtschaft zu konsistent zirkulierenden Wertschöpfungssystemen wird das Wirtschaftswachstum vom Rohstoffverbrauch entkoppelt. Bedingung ist: Direkt bei dem Design von Produkten und Systemen zu beginnen und diese bis in weitere Szenarien nach Gebrauch sowie Verbrauch zu konzipieren. Hierdurch entstehen gesunde Materialien und Produkte sowie integrative Systeme für Bio- und Technosphäre. So generiert Cradle to Cradle eine Qualitäts- und Designplattform und wirkt als Innovationstreiber.

Ein kreislauffähiges Gebäude als Rohstoffdepot

Übertragen auf die Bau- und Immobilienbranche geht es beim Bau eines Gebäudes nach dem Cradle to Cradle-Prinzip unter anderem darum, alle Rohstoffe so auszuwählen, dass sie möglichst schadstofffrei, chemisch unbedenklich und sortenrein trennbar sind. Alle verwendeten Materialien sollten nach der Nutzungszeit – sprich beim Rückbau oder Abriss – in Einzelteile zurückgebaut und wieder in den biologischen oder den technischen Kreislauf geführt werden können. Das spart wertvolle Rohstoffe, trägt zur CO2-Reduzierung bei und minimiert das Abfallaufkommen. Das Gebäude wird somit zu einem Rohstoffdepot, das über seine Nutzungszeit sogar an Wert gewinnt. Auch Umwelt und Klima werden durch die kreislauffähige Bauweise maximal geschont.

Ein umfassend positives Gebäude

Im ganzheitlichen Prozess des Bauens bekommt daher die erweiterte Nachhaltigkeit im Sinne von Cradle to Cradle einen immer größeren Stellenwert. Denn hier geht es darum, ein „umfassend positives“ Gebäude zu schaffen. Mit anderen Worten: Das Ziel von C2C ist es, gesunde und intelligente Gebäude mit besserer Lebensqualität für Menschen, die Gesellschaft und das Quartier zu schaffen, die gleichzeitig einen positiven Beitrag für die Umwelt leisten und einen wirtschaftlichen Mehrwert als Rohstoffdepot generieren. Insgesamt ist ein Wertgewinn nicht nur auf das Gebäude selbst beschränkt, sondern ist auch Motor für die Quartiers- als auch die gesamte Stadtentwicklung.

Schwalbe-Neubau nach Cradle to Cradle

Für die Ralf Bohle GmbH, die als erster Hersteller das vollständige Fahrradreifenrecycling entwickelt hat und auf fair gehandelten Kautschuk setzt, stand es außer Frage, dass auch die neue Unternehmenszentrale den höchsten Nachhaltigkeitsstandards entsprechen soll. Mit dem Cradle to Cradle-Konzept war der richtige Ansatz gefunden. Dabei erwies sich die bereits seit 2013 bestehende Zusammenarbeit von Schwalbe mit dem Umweltberatungsinstitut EPEA, jetzt ein Tochterunternehmen der Drees & Sommer-Gruppe, als entscheidend. So unterstützten die Mitarbeitenden des Unternehmen den Bauherrn bei der Realisierung seines Neubaus. Für den architektonischen Entwurf und die Realisierung zeichnete Architekt Ralf Janz verantwortlich. Für ihn war das Bauen nach dem Cradle to Cradle-Designprinzip noch Neuland, da es zum Start der Konzeptionsphase im Jahr 2016 noch sehr wenige C2C-inspirierte Gebäude gab. In enger Zusammenarbeit gelang es allen Baubeteiligten gemeinsam, mit dem Schwalbe-Neubau ein weiteres Vorbild für nachhaltige Baukultur zu schaffen.

Mehr zu …

Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Bauingenieur 07-08|2023 (Inhalt 07-08|2023: Der Bauingenieur im Juli und August 2023) mehr über Cradle to Cradle

Empfehlung der Redaktion

  1. Inhalt 07-08|2023: Der Bauingenieur im Juli und August 2023
  2. Nichts mehr verpassen: Hier geht‘s zur Anmeldung für den Bauingenieur-Newsletter…
Von Fabian Koch (Technical Facility Manager, Ralf Bohle GmbH Schwalbe) und Tanja Scheelhaase (Senior Environmental Specialist, EPEA GmbH)