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Materialsparender Leichtbau 06.09.2022, 10:06 Uhr

Dauerhafte Stabwerksstruktur aus Edelkastanienholz

Das Holz der Edelkastanie kann künftig eine wichtige Rolle als Konstruktionsmaterial einnehmen, weil die „Castanea Sativa“ widerstandsfähig gegen trocken-warmes Klima ist. Ihr Holz eignet sich besonders für ein Konstruktionssystem, das kurze Massivholzstücke verwendet.

Der aus Edelkastanienholz gefertigte und montierte Pavillon an der „Wegspinne am Zollstock“ nahe Annweiler am Trifels in Rheinland-Pfalz wurde
auf Basis der „Zollbauweise“ mithilfe eines reziproken Stabwerks konstruiert und mittels moderner Fertigungsmethoden realisiert. Foto: Robeller

Der aus Edelkastanienholz gefertigte und montierte Pavillon an der „Wegspinne am Zollstock“ nahe Annweiler am Trifels in Rheinland-Pfalz wurde auf Basis der „Zollbauweise“ mithilfe eines reziproken Stabwerks konstruiert und mittels moderner Fertigungsmethoden realisiert.

Foto: Robeller

Dach-, Boden- oder Wandelemente lassen sich unter Verwendung relativ kleiner Holzelemente und moderner Holz-Abbundautomaten als montage- und fertigungsoptimierte Stabwerke realisieren. In einem Forschungsdemonstrator kam Edelkastanienholz zum Einsatz, das künftig aufgrund des Klimawandels eine wichtige Rolle als Konstruktionsmaterial spielen dürfte. Es stellt aber hohe Anforderungen an die Verbindungstechnik, die sich jedoch mithilfe CNC-gefertigter Holz-Holz-Verbindungen elegant realisieren lassen.

Vielversprechender Baustoff Holz

Angesichts des enormen Neubaubedarfs stellt sich die Frage nach neuen Bauweisen mit weniger Kohlendioxidemissionen, nachwachsenden Rohstoffen und generell weniger Materialverbrauch. Holz ist in diesem Zusammenhang ein vielversprechender Baustoff. Seine Verwendung in mehrstöckigen Gebäuden hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Gleichzeitig hat die Vorfertigung von Gebäuden in Fabriken an Popularität gewonnen, was im Vergleich zum Bau vor Ort eine automatisiertere, sicherere und präzisere Art des Bauens ermöglicht.

Bauen mit technisch komplexen Materialien

Ein großer Nachteil ist jedoch, dass isotrope Materialien wie Beton und Stahl leichter statisch berechnet werden können als Materialien wie Holz, das anisotrop und hygroskopisch ist. Je nach Baumart und Qualität kann Holz auch viele Fehler aufweisen, die die Berechnung zusätzlich erschweren.

Vor einer ähnlichen Frage stand Anfang des 20. Jahrhunderts Friedrich Zollinger, Stadtbaudirektor der deutschen Stadt Merseburg. Nach dem Ersten Weltkrieg waren Ressourcen wie hochwertige Materialien, Baumaschinen und Facharbeiter knapp. Sein Ansatz für dieses Problem war die Entwicklung einer Bauweise auf Basis von „reziprokem Stabwerk“, das nur kurze Holzbauteile verwendet und im Vergleich zu einer Standarddachkonstruktion generell 40 Prozent des Materials einspart.

Die etablierten Hölzer von Fichte und Buche

Prognosen zum Klimawandel zufolge stehen die Wälder in den wärmeren Regionen Europas, wie beispielsweise in Rheinland-Pfalz, in den nächsten Jahrzehnten vor großen Veränderungen und Herausforderungen. Vor allem die Fichte, das derzeit wichtigste Bauholz, ist stark vom Klimawandel betroffen. Den Prognosen nach wird sie in diesem Bundesland innerhalb des Jahrhunderts vollständig verschwinden. Während viele der Fichten in dieser Region gepflanzt wurden, anstatt dort natürlich zu wachsen, weist die häufigste Baumart in den europäischen Wäldern und insbesondere in Rheinland-Pfalz, die Buche, mit nur 10 Prozent völlig gesunden Bäumen ebenfalls eine besorgniserregende Schadensrate auf.

Der Newcomer Edelkastanie und seine Herausforderungen

Eine Baumart, die die Lücken füllen könnte, ist die Edelkastanie (Castanea Sativa). Sie ist in den Mittelmeerländern beheimatet und deutlich widerstandsfähiger gegen trockenes und warmes Klima als etwa die Eiche oder Buche. Aufgrund des Klimawandels der letzten Jahre haben Edelkastanienvorkommen daher zugenommen, auch in Regionen nördlich der Alpen, wo sie früher sehr selten war.

Ihr Holz wird derzeit in Deutschland allerdings noch nicht für das Bauen verwendet. Es weist eine hohe Festigkeit und Witterungsbeständigkeit auf, aber korrodiert Metallverbindungen.

Mehr im Bauingenieur zu Konstruktionssystem, Generator-App und Demonstrator

Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Bauingenieur 09|2022 (Inhalt 09|2022: Der Bauingenieur im September 2022) mehr über das Konstruktionssystem, das mit integralen Holz-Holz-Verbindung den Herausforderungen der Verbindungstechnik begegnet und wie mit dem RhinoCommon Software Development Kit eine „Generator-App“ als Plug-in für die CAD-Software Rhino3D entwickelt wurde, mit der sich verschiedene Formen eines reziproken Stabwerksystems mit unterschiedlichen Parametern schnell und einfach generieren ließen, sodass schließlich ein Demonstrator schnell und auf nachhaltige Weise realisiert werden konnte.

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Von Prof. Dr. Christopher Robeller, Hochschule Augsburg / Karlhorst Klotz