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Bautenschutz 26.11.2020, 15:35 Uhr

Standsichere Gebäude bei Tsunami-Ereignissen

Wird ein Tsunami durch ein Seebeben ausgelöst und trifft er auf Land, sind zerstörte Häuser und Infrastruktur häufig die Folge. Wie Städte gegen diese Naturgewalt besser gewappnet sein können, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig, aus Kanada, USA und Japan. Sie wollen in den Baurichtlinien die Bemessungsansätze für Tsunami verbessern.

Tsunami haben zerstörende Auswirkungen auf Gebäude. Foto: Clemens Krautwald, TU Braunschweig

Tsunami haben zerstörende Auswirkungen auf Gebäude.

Foto: Clemens Krautwald, TU Braunschweig

Am 28. September 2018 traf ein Tsunami, ausgelöst von einem Erdbeben auf die indonesische Stadt Palu. Weite Teile der Stadt und anderer Orte an der Küste wurden von einer Welle, die zwischen zwei und sieben Meter Höhe hatte, verwüstet. Vor Ort dokumentierten die internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Auswirkungen der Naturkatastrophe auf die Infrastruktur und Gebäude. So zeichneten sie unter anderem in Indonesien auf, dass in Lagerhallen von der Flutwelle die Waren großflächig verteilt wurden. Sie erkannten, das die Waren sich an den Gebäudestützen anhäuften. Somit trat eine starke Belastung der Säulen auf, die dadurch oftmals einstürzten.

Bauwerksbelastungen durch Tsunami

Das Forschungsteam in Palu sah diese Ansammlung von Trümmerteilen, auch als „Debris Dam“ bezeichnet, nicht nur in Lagerhallen. Es trat ebenso bei Schiffen auf. Durch den Tsunami wurden zwei Schiffe ineinander verzahnt und zwischen zwei Gebäude gedrückt. Auf die Gebäude wurde durch die Schiffe die hydrodynamische Belastung weitergeleitet. Vor den Schiffen wurde zudem der Wasserstand erhöht. „Beide Effekte führen zu einem Anstieg der Bauwerksbelastungen, der bisher noch nicht in den Baurichtlinien berücksichtigt wurde und daher weiter untersucht werden muss“, so Clemens Krautwald, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI) der TU Braunschweig. Er reiste gemeinsam mit seinem kanadischen Kollegen Jacob Stolle einen Monat nach der Tsunami-Katastrophe für die Felduntersuchungen nach Asien. Ihre Grundlage ist die amerikanische Baurichtlinie „Minimum Design Loads and Associated Criteria for Buildings and Structures“ (ASCE 7–16, 2017) der American Society of Civil Engineering (ASCE). Weltweit gilt sie als Maßstab für die Bemessung von tsunami-sicheren Bauwerken.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nicht nur das Problem der umherschwimmenden Trümmer und die hydrodynamische Belastung aufgegriffen. Krautwald nennt ein weiteres Problem, was durch einen Tsunami ausgelöst wird: die Kolkbildung. Hierbei geht es darum, dass an Gebäudestrukturen wassergefüllte Vertiefungen entstehen. Diese Kolkbildung kann zum Beispiel Stahlbetonkonstruktionen betreffen. In Palu sind die dadurch betroffenen Gebäude zwar intakt geblieben, doch da tragfähiger Boden verloren ging, waren die Konstruktionen nach dem Tsunami weniger stabil.

Aufzeichnung der Schäden

Das Forschungsteam hat in Palu Auskolkungen an Gebäudeecken umströmte Pfeiler und überströmte Mauern vermessen. Dabei stellten sie fest, dass je nach Bodenzusammensetzung die Gebäudestrukturen unterschiedlich im Boden verankert werden. „Während einer Tsunamiüberschwemmung wird ein hoher Druck aufgebaut, der sich auf das Wasser in den Poren im Boden überträgt. Fällt der Druck aufgrund des vorübergegangenen Tsunamis abrupt ab, muss der Boden diesen überschüssigen Druck abbauen. Nachteilige Bodenzusammensetzungen können den Druckabbau verhindern, sodass verstärkt Erosionen oder Kolkungen entstehen“, so Krautwald. Die Felduntersuchungen können die Prozesse und Schäden aufzeichnen, doch verlässliche Messdaten sind hierbei nicht immer möglich. Diese Messdaten sind jedoch dann notwendig, um zu wissen, was in die Baurichtlinien, zum Beispiel für die Tiefe der Brückenpfeiler im Boden aufgenommen werden sollte.

Experimente zu Auswirkungen bei Überschwemmungen

Um hier verlässliche Messdaten zu erhalten, müssen wissenschaftliche Untersuchungen diese Prozesse in großskaligen Versucheinrichtungen wiederholen. Dies ist zum Beispiel im Großen Wellenkanal (GWK) des Forschungszentrums Küste (FZK) der TU Braunschweig und der Leibniz Universität Hannover möglich. Aus diesem Grund wurden Experimente zur Kolkbildung bei Tsunami von dem internationalen Forschungsteam, bestehend aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau der TU Braunschweig, des Ludwig-Franzius Instituts der Leibniz Universität Hannover sowie der University of Ottawa in Kanada durchgeführt. Dabei wird untersucht, wie sich die Porenwasserdrücke und der Kolktiefen während einer Tsunami-ähnlichen Überschwemmung entwickeln. Ist die Versuchsreihe im Großen Wellenkanal abgeschlossen, stehen weitere Experimente in der Versuchshalle des LWI an.

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Von TU Braunschweig