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Bauwerksbemessung 10.02.2021, 13:58 Uhr

Messmethoden in der Cheops-Pyramide erprobt

Sie ist eines der ältesten Bauwerke der Welt und sie ist mit 139 Metern die höchste der drei Pyramiden von Gizeh: die Cheops-Pyramide. Noch 4500 Jahren nach ihrer Erbauung gibt die Pyramide bauliche Rätsel auf. Um einige von diesen zu lüften, hat Christian Große, Professor für Zerstörungsfreie Prüfung an der Technischen Universität München (TUM), zusammen mit der Universität Kairo Messungen an der Cheops-Pyramide vorgenommen.

An und in der Cheops-Pyramide wurden neue zerströrungsfreie Messungen durchgeführt. Foto: Prof. Christian Große / TUM

An und in der Cheops-Pyramide wurden neue zerströrungsfreie Messungen durchgeführt.

Foto: Prof. Christian Große / TUM

Der Pyramidenkomplex von Gizeh zieht die Touristen an, darunter auch die größte Pyramide auf dem Gelände, die Cheops-Pyramide. Jetzt konnte eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Christian Große, Professor für Zerstörungsfreie Prüfung an der Technischen Universität München (TUM), in Bereiche vordringen, die für die Öffentlichkeit verschlossen sind. Ihre Forschung, die sie in Zusammenarbeit mit der Universität Kairo vornehmen, folgen auf das ScanPyramids-Projekt (www.scanpyramids.org/index-en.html). Bei diesem konnten Dichteunterschiede im Bauwerk, sogenannte Myonen-Anomalien, festgestellt werden. Die Forscherinnen und Forscher entdeckten die Anomalien mithilfe von Detektionsgeräten. Änderungen der Dichte innerhalb der Baustrukturen sind häufig ein Hinweis auf verborgene Strukturen. Das neue Projekt soll mit ihren zerstörungsfreien Messungen dazu beitragen, mehr über die Baugeschichte der Cheops-Pyramide zu erfahren und den inneren Aufbau besser zu verstehen. „Ziel unseres Forschungsaufenthalts war, mit modernen Geräten aufzuklären, wie die alten Ägypter die Pyramiden gebaut haben. Was sind die Blockmächtigkeiten? Was sind die Größenordnungen zwischen den Fugen der einzelnen Steine?,“ beschreibt Große das Vorhaben.

Vorbereitungen auf die Messungen an der Pyramide

Um sich dem Forschungsprojekt zu nähern, führten das Forscherteam zuerst numerische Simulationen durch. Hierzu nutzen sie alle Daten zur Pyramide, also geometrische Daten und Materialdaten, die verfügbar waren. Für Große war das die Basis für die Wahl der besten zerstörungsfreien Prüftechniken, die in bei der Cheops-Pyramide eingesetzt werden kann. „Wir überlegten, wo man Sensoren hinsetzen muss und was die geeigneten Parameter für die Messung sind – zum Beispiel Frequenzen und Wellenlängen –, damit man die interessantesten Bereiche optimal zerstörungsfrei untersuchen kann“, erklärt Große. Diese Vorüberlegungen führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu ihrer Messmethode. Neben drei unterschiedlichen Radarverfahren entschieden sich Große und sein Team auch für die Ultraschalltechnik und die elektrische Widerstandstomografie. „Alle diese Verfahren liefern komplementäre Daten, die wir im Rahmen einer Datenfusion miteinander verglichen können. Ein vergleichbares Konzept, verschiedene Messtechniken auf Basis von Simulationen parallel anzuwenden, ist in der Pyramide so noch nicht getestet worden“, so Große.

Vergleich der Messmethoden ermöglichen

Das geodätische Einmessen der Messpunkte ist einer der ersten Schritte, um die Messprofile miteinander vergleichen zu können. Große meint dazu: „Hierfür braucht man auch gute Modelle. Die meisten Messpunkte waren ja in der Pyramide und nicht außerhalb. Wir hatten dabei sehr gute Unterstützung durch die ägyptischen Kollegen unter der Leitung von Prof. Hany Helal von der Universität Kairo. Mit ihren geodätischen Messtrupps haben sie diese Messpunkte eingemessen.“ Neben den geodätischen Messtrupps nutze das Forscherteam Literatur und Bildmaterial aus dem Inneren der Pyramide. Die Messprofile konnten die Forscherinnen und Forscher so in die existierenden Pläne einzeichnen. „Ein bisschen schwierig war, dass wir keine Markierungen an der Struktur, also an den Wänden machen durften – anders als wir das sonst im Bauwesen machen. Aber wir hatten auch hier in Deutschland an vergleichbaren Objekten Techniken erprobt, um das Einmessen kontaktfrei und ohne Markierungen hinzubekommen und haben das auf der Basis von Kreuzlinienlaser sehr gut hinbekommen“, beschreibt Große das Lösen von Hindernissen. Die Messungen wurden in der Pyramide in folgenden drei Hauptkammern durchgeführt:

  • Felsenkammer. Diese befindet sich im gewachsenen Fels unter der Pyramide.
  • Königinnenkammer. Sie liegt etwas höher im Kernmauerwerk als die Felsenkammer.
  • Königskammer. Hier befindet sich der Sarkophag, in dem König Cheops bestattet worden sein soll. Diese Kammer ist öffentlich zugänglich.

Neben den Messungen in den drei Hauptkammern fanden auch Messungen in einem sehr langen und nur einen Meter hohen Gangsystem und im Eingangsbereich zur Pyramide statt. „Natürlich haben wir vor allem in verborgenen Bereichen unsere Messungen gemacht, aber auch in bekannten Bereichen, um unsere Messtechniken zu validieren. Das ist ganz wichtig, dass man Zutrauen schafft zu der Messtechnik, die man verwendet. Die Techniken sind komplementär hinsichtlich der Parameter Eindringtiefe und Auflösungsvermögen. Man will einerseits tief reinschauen und andererseits eine hohe Auflösung. Wir haben bei jedem Gerät bestimmte Eindringtiefen und können bei Messungen in den vorhandenen Gängen und Räumen unterschiedlich tief in die Struktur „hineinblicken“. Unsere Techniken „scannen“ die Struktur ab. Dabei fahren wir mit unseren Geräten entlang einer Linie, entlang der man kontinuierlich die Messungen durchführt, vergleichbar mit seismischen Messungen“, erklärt Große.

Arbeiten in der Pyramide

Die Gegebenheiten in der Pyramide sind nicht mit den üblichem Arbeitsumfeld vergleichbar. Um die Messungen durchzuführen, haben unter anderem die Doktoranden von Große den Wagen mit der Radartechnik selbst gebaut, angepasst an die schmalen Gänge in der Pyramide. Unkonventionelle Lösungen sind bei einem solchen Projekt häufig gefragt. Und wenn mal Messgeräte kaputt gehen, versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Reparaturen vor Ort selbst durchzuführen. „Die Forschungsumgebung ist tatsächlich nicht die beste für Messgeräte, wie wir sie verwenden. Es ist alles sehr eng und mit Wüstenstaub bedeckt. Man muss sehr robuste Techniken verwenden und trotzdem geht immer mal was kaputt, also braucht man da viel Improvisationstalent. Der Einsatz der Mitarbeiterin und der Mitarbeiter in diesem Projekt war enorm, aber auch von ägyptischer Seite hatten wir viel Unterstützung“, beschreibt Große den Einsatz vor Ort. Große und sein Team konnten in der Cheops-Pyramide viele Daten aufzeichnen, die eine ausgezeichnete Qualität aufweisen und zu neuen Informationen führen können. „Nun müssen wir die Daten aber erst einmal gemeinsam mit den ägyptischen Kollegen ausgewertet werden. Die Interpretation der Daten kann unser Lehrstuhl nicht alleine vornehmen. Dazu bedarf es interdisziplinärer Expertise aus der Archäologie, Ägyptologie, aber auch aus dem Bereich Sensorik und Datenanalyse. Zudem planen wir, neue Auswertetechniken aus den Bereichen Datenfusion und maschinelles Lernen einzusetzen, um Bauwerkskomponenten besser identifizieren zu können“, beschreibt Große die Arbeit nach der Arbeit. Bis Ergebnisse veröffentlicht werden, kann es daher noch einige Zeit dauern. Und Große hofft auf eine weitere Gelegenheit zerstörungsfreie Messungen vor Ort durchzuführen.

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Von Heike van Ooyen