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Brückenbau 26.03.2020, 00:09 Uhr

Fachwerkbrücken aus Stahl einfacher bemessen

Forscher der Hochschule München haben durch Großbauteilversuche Berechnungsregeln für die Bemessung von Fachwerkbrücken aus Stahl aufgestellt. Dadurch kann diese materialsparende Brückenbauweise in Zukunft leichter in Deutschland eingesetzt werden.

An der Hochschule München wird in einem Großbauteilversuch ein Ermüdungstest von Fachwerkbrücken aus Stahl durchgeführt.

An der Hochschule München wird in einem Großbauteilversuch ein Ermüdungstest von Fachwerkbrücken aus Stahl durchgeführt.

Foto: Jakob Roth

In einem Labor in Kissing bei Augsburg steht ein Großbauteilversuch der Hochschule München. Hier simulieren die Forscher aus dem Bereich Stahlbau und Baustatik um Prof. Dr. André Dürr, wie sich die Belastungen von Verkehr auf Brücken auswirken. Die derzeitige Forschung beschäftigt sich mit Fachwerkbrücken aus Stahl. Diese sind in Frankreich und USA beliebt. In Deutschland gibt es auch ein paar Brücken dieser Bauart, wie eine Autobahnbrücke über die A73. Aber in Deutschland benötigen die Brückenbauer eine Zustimmung im Einzelfall. Das Ziel der Forscher ist es, für den deutschen Ausschuss für Stahlbau eine Richtlinie vorzubereiten. Darin sollen Bemessungsempfehlungen für Planer und Ingenieure vorhanden sein.

Aufbau der Fachwerkbrücke im Großbauteilversuch

In einer Konstruktion im Labor in Kissing hängen 18 Meter lange Stahlrohre mit einem Stahlknoten in der Mitte. Die Konstruktion bringt im Versuch die 15 Tonnen schweren Bauteile in Schwingungen. Mit dieser dynamischen Belastung wird der Verkehr auf einer Brücke simuliert. Tritt während des Versuchs ein Riss auf, vermessen die Forscher dessen Ausbreitung. Sie beobachten so lange den Versuch und den Riss, bis das Rohr bricht.

Schwachstellen der Fachwerkbrücke

Die großen Stahlrohre, die Gurte, sind bei der heute üblichen Fachwerkbrücke mit schmaleren Streben verschweißt. Sie bilden zusammen ein Zick-Zack-Muster. Die Streben steigen diagonal zu dem Gurt auf und wieder diagonal ab. Damit bilden sie liegende Ks. Aus diesem Grund wird der Punkt, wo Gurt und Strebe zusammen kommen, K-Knoten genannt. Die Schweißnaht am K-Knoten ist der schwächste Punkt des Fachwerks. Daher kann es an diesem K-Knoten bei dynamischen Belastungen zu Rissen kommen. Und die dynamischen Belastungen haben mit der steigenden Verkehrsdichte zugenommen. Dieses ist an der Zahl der Lastwechsel zu erkennen. Auch die Schwingbreite, also der Unterschied zwischen geringster und höchster Belastung, deutet darauf hin.

Ergebnisse aus dem Großbauteilversuch

Unwuchterreger erzeugten eine lineare Schwingung am Großbauteilversuch und brachten die Fachwerkkonstruktion zum Vibrieren. Daraus entstand ein Schwingen. Das Forscherteam erzeugte so 12 bis 30 Lastwechsel pro Sekunde. Eine High-Speed-Kamera nahm zur Kontrolle die Lastwechsel auf. Bei diesem realitätsnahen Versuch, konnten die Forscher einen ersten Riss nach einer langen Versuchsdauer feststellen. Zu Beginn hatte der Riss eine Größe von 4 Zentimetern. Bis zum Versuchsende wuchs der Riss, nach Aussagen von Dürr und seinem Team, langsam auf 41 Zentimeter an.

Rückschlüsse aus dem Großbauteilversuch für Fachwerkbrücken

Das langsame Wachsen des Risses gibt den Forschern und in der Praxis den Bauingenieuren Zeit, den Riss zu beobachten und zu reparieren. „Die Konstruktion muss trotz des Risses noch drei bis sechs Jahre halten und darf nicht zum schlagartigen Versagen führen“, erklärt Dürr. Durch den Großbauteilversuch können die Forscher nun Rückschlüsse für die künftige Bemessung der Brücken ziehen. Brücken werden mit einer gängigen Lebensdauer von hundert Jahren berechnet. Bei Fachwerkbrücken aus Stahl kann nicht der Rückschluss gezogen werden, dass ein dickerer Gurt eine längere Lebensdauer der Brücke bedeutet. Denn es kommt auch auf die Schweißnaht an. Mit der Beobachtung des Forscherteams an dem Versuch, können die Forscher nun bei der Berechnung diesen fehlenden Größenfaktor mitbestimmen und berechnen.

Nächster Schritt für Fachwerkbrücken aus Stahl in Deutschland

Die Berechnung von Materialermüdung bei Fachwerkbrücken aus Stahl ermöglicht es, in den Ausschuss für Stahlbau in Deutschland Regelungen für diese Bauart einzubringen. In einem nächsten Schritt können diese in europäischen Normen umgesetzt werden. Damit würde es einfacher werden, Fachwerkbrücken aus Stahl auch in Deutschland zu planen und zu errichten. Dürr plant indessen weiter. Sein nächstes Forschungsprojekt soll sich mit der Verwendung von modernem hochfesten Stahl für schlankere Brücken-Konstruktionen beschäftigen.

Das Forschungsvorhaben

Im Programm zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wurde das IGF-Vorhaben 18883 BG / P1163 „Wirtschaftliche Auslegung von ermüdungsbeanspruchten, geschweißten Rundhohlprofilknoten unter Berücksichtigung der erforderlichen Schweißnahtqualität“ der FOSTA –Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V. Düsseldorf, aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Neben der Hochschule München forscht auch die Universität Stuttgart in diesem Projekt. Dort werden Methoden entwickelt, um optisch nicht sichtbare, innere Einschlüsse in den Gurten trotz der gekrümmten Form mit Ultraschall feststellen zu können.

Von Heike van Ooyen