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Denkmalgeschützte Sanierung 26.03.2020, 16:18 Uhr

Wie die Kuppel des Anzeigerhochhauses in Hannover saniert wurde

90 Jahre hat die grüne Kuppel des Anzeiger-Hochhauses in Hannover auf dem Buckel. Jetzt stand ihre Sanierung an. Dabei stellten sich die Planer der Herausforderung, die Traglast des Gebäudes nicht zu verändern und eine passende Befestigung für die Kupferplatten an der dünnen Betontragschale zu finden.

Grüne Kuppel Hochhaus

Die grüne Kuppel thront auf dem Anzeiger-Hochhaus in Hannover.

Foto: fischer

51 Meter hoch ragt das Anzeiger-Hochhaus als Wahrzeichen über dem Zentrum von Hannover. 1928 ließ der Verleger August Madsack das Bauwerk errichten. Mit zwei charakteristischen Eigenschaften stattete der Architekt Fritz Höger den Bau aus: Die Fassade und die Kuppel. Als Stahlskelettbau im Stil des Backsteinexpressionismus lässt die Fassade die 1920er Jahre weiterleben. Manche der Klinker sind goldglasiert und stechen so neben den dunkelroten Steinen heraus. Auf den Bau setzte Höger eine Kuppel mit einer grünpatinierten Kupferverkleidung. Im Hochhausbau in Deutschland ist etwas Ähnliches nicht zu finden. Nach 90 Jahren war nun eine Sanierung der Kuppel notwendig.

Anzeigerhaus: Die Tragkonstruktion der Kuppel

Neben dem 7. und 8. Obergeschoss ließ die Madsack Mediengruppe als Bauherr die Kuppeleindeckung und deren Tragkonstruktion sanieren. Eine dünne, nur 60 Millimeter dicke Stahlbetonschale trägt die Konstruktion der Kuppel. Beim Bau in den 1920er Jahren wurde die Kuppel im Zeiss-Dywidag-Verfahren errichtet. Die Ausführung im Anzeiger-Hochhaus ist eine der ersten Anwendungen diese Methode. Dabei verstärkt ein engmaschiges Drahtnetz die tragfähige Gitterstruktur aus Flachstählen. Dieses Gitter wurde anschließend mit Spritzbeton bedeckt. Auf der Innenseite wurden gepresste Torfplatten auf das Flechtwerk eingesetzt. Durch diese Bauweise war es möglich, eine leichte und dünnwandige Kuppel zu errichten. Dabei wurde nicht nur Material gespart sondern auch das Gebäude entlastet. Die Methode ist ein Vorläufer des heutigen Spritzbetonverfahrens.

Eine 60 Millimeter dicke Betonschale trägt die Kuppelkonstruktion. Foto: fischer

Eine 60 Millimeter dicke Betonschale trägt die Kuppelkonstruktion.

Foto: fischer

Schäden an der 90 Jahre alten Kuppel

2016 fand eine Kontrolle des Bauwerks statt. Dabei wurde festgestellt, dass die Verankerung der Kupferplatten sich gelöst hatte. Die Platten wurden 1928 mit Dübeln befestigt, die mit Hanf umwickelt waren. Außerdem erkannten die Experten, dass auf der Tragschaleninnenfläche der Betonauftrag nicht mehr intakt war. Und ein weiterer Mangel wurde sichtbar: Der vorhandene Bewehrungsanteil war zu gering und mangelhaft ausgeführt. Diese Gründe machten eine Sanierung erforderlich. Doch an der Traglast durfte nichts verändert werden, da sonst die Statik des Gebäudes überlastet wird. Und der Denkmalschutz hat zusätzlich Ansprüche gestellt.

Konzept der Kuppelsanierung

Die BSI Dr. S. Burmester + Sellmann Ingenieurgemeinschaft stellte gemeinsam mit anderen Baubeteiligten ein Konzept zusammen, dass die Kuppel statisch sicherer macht. Bei der Sanierung der Tragschaleninnenfläche griffen die Planer auf die klassische Art zurück. Die Bauausführenden haben hierzu die Betonfläche durch Abstrahlen bearbeitet. Danach prüften sie, ob der Verbund zwischen Bestandsbeton und neuer Schicht durch eine Haftbrücke verbessert werden musste. Anschließend wurde ein kunststoffvergüteter, zementgebundener SPCC-Mörtel aufgetragen. Die Tragschalenaußenfläche erhielt ebenfalls eine Betoninstandsetzung. Um diese zu Sanierung musste vorab die Kupferbekleidung entfernt werden.

Die Herausforderung ist die dünne Kuppelstruktur

Die 60 Millimeter dünne Betonschale stellte die Planer vor eine Herausforderung. Eine dickere Betonschale hätte mehr Traglast für das Gebäude bedeutet. Dieses war statisch nicht möglich. Zudem steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Das heißt, dass die Ursprünglichkeit der Architektur erhalten bleiben musste. Um dies zu erreichen, wurden die neuen Kupferplatten in enger Abstimmung mit städtischer sowie Landesdenkmalpflege vorpatiniert ausgewählt. 60 Zugbleche aus rostbeständigem Stahl (V4A) verankern heute die Konstruktion. Im unteren Kuppeldrittel sind diese radial verteilt. Sie sind mit Ringankern verdübelt und mit Krallen versehen. Um diese sind anschließend rostfreie Rundstäbe (V4A) gespannt. Zusätzliche Zugbleche, ebenfalls rostbeständig, sind nun im Drempel und in der Dachdecke verankert.

Zugversuche bestätigen die Tragfähigkeit des Befestigungssystems. Foto: fischer

Zugversuche bestätigen die Tragfähigkeit des Befestigungssystems.

Foto: fischer

Befestigung der Kupferplatten auf der dünnen Tragschale

Zur Befestigung der Kupferplatten kamen für die Planer die ursprünglichen Dübel, die mit Hanf umwickelt waren, nicht in Frage. Daher machten sie sich auf die Lösungssuche. Unterstützt wurden sie von der Unternehmensgruppe fischer. Gesucht wurde eine Befestigung die sich für die dünnwandige Tragschale eignet. Um zu einem Ergebnis zu gelangen und um auch Unterstützung im Genehmigungsverfahren zu erhalten, fanden im Vorfeld Zugversuche statt. Zum Einsatz kam ein Injektionsmörtel in Verbindung mit einem Gewindestift. Er erfüllt die Anforderungen an die Befestigungsaufgaben bei der Kuppelsanierung. Das Injektionssystem eignet sich, um die Holzunterkonstruktion mit Edelstahlwinkeln in der vorhandenen Spritzbetonschale zu verankern.

Der Injektionsmörtel sichert im Verbund mit dem Gewindestift die Kupferplatten. Foto: fischer

Der Injektionsmörtel sichert im Verbund mit dem Gewindestift die Kupferplatten.

Foto: fischer

Befestigungssystem für die Sanierung zugelassen

Das eingesetzte Befestigungssystem besitzt eine Europäisch-Technische Zulassung (ETA). Doch bei der Sanierung der Kuppel des Anzeiger-Hochhauses lag die ausgeführte Verankerungstiefe bei nur 40 Millimetern. Die Zulassung erfordert aber eine Mindesttiefe von 60 Millimetern. Über die Zugversuche konnte nachgewiesen werden, dass das Befestigungssystem die erwarteten Zugkräfte aufnimmt. Somit erhielten die Planer hierfür die Zustimmung im Einzelfall. Um eine größere Sicherheit zu erhalten, wurde ergänzend mit einer Verankerungstiefe von nur 30 Millimetern gerechnet. Damit wurde die Tragfähigkeit des Verbunddübels, trotz niedrigerer Einbindetiefe, erhalten.

Von Heike van Ooyen