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Pilotprojekte 11.09.2023, 08:00 Uhr

Recycling-Anteile im Asphalt erhöhen

In der Schweiz ist das Straßennetz gebaut. Dadurch fällt trotz Recycling mehr Ausbausphalt an, als dass es in neuen Straßen eingebaut werden kann. Dies möchte Empa-Forscher Martins Zaumanis ändern. Sein Ziel ist es, die Recycling-Anteile im Asphalt zu erhöhen. Die Teststrecken sind vielversprechend.

Straßen in Höhenlagen sind besonders anfällig auf Risse. Auf der Teststrecke auf dem Lukmanierpass wird RAP-Asphalt eingebaut. Foto: Empa

Straßen in Höhenlagen sind besonders anfällig auf Risse. Auf der Teststrecke auf dem Lukmanierpass wird RAP-Asphalt eingebaut.

Foto: Empa

Im Frühjahr beginnt auf den Schweizer Straßen die Baustellenzeit. Es wird geflickt, ausgebessert und erneuert. Dabei wird ein Teil des alten Asphalts recycelt. Doch 750.000 Tonnen landen jährlich auf den Deponien. Dort wachsen immer höhere schwarze Berge. Diese Asphaltberge sollen zurück in das Schweizer Straßennetz geführt werden. Da sind sich die großen Straßeneigentümer der Schweiz, Bund und Kantone einig. Doch neue Straßen werden in der Schweiz kaum gebaut, da sie gut erschlossen ist.

Straßeninstandsetzung mit recyceltem Asphalt

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der Anteil an Recycling-Asphalt für die Straßeninstandhaltung gesteigert wird. „Dazu braucht es aber ein besseres Verständnis vom Zusammenspiel von Ausbauasphalt und neuem Material, angepasste Produktionsprozesse und – vor allem – praxisnahe Anleitungen und Instrumente für die Industrie“, sagt Empa-Forscher Martins Zaumanis. Für dieses Ziel hat Zaumanis gemeinsam mit dem Bundesamt für Strassen (ASTRA), dem Bundesamt für Umwelt (BAFU), den Kantonen Zürich und Graubünden und mehreren Industriepartnern am Forschungsprojekt „HighRAP“ von 2019 bis Anfang 2023 gearbeitet.

Unterschiedliches Material

Aus einer Gesteinsmischung und dem Bindemittel Bitumen entsteht Asphalt. Das Bindemittel wird teilweise mit Polymeren modifiziert, wenn der Asphalt für hochbelastete Straßen zum Einsatz kommt. Gerade das Bindemittel ist der Grund für die Einschränkungen bei der Nutzung von Ausbauasphalt (RAP – «Re­claimed Asphalt Pavement»). Denn dieses altert im Laufe der Zeit und wird dabei steif. Dies führt zu Rissen. Außerdem kann es vorkommen, dass sich das alte Material beim Mischprozess nicht mit dem neuen verbindet. Beim RAP besteht zudem das Problem, dass Materialien aus unterschiedlichen Straßenschichten und unterschiedlichen Alters zusammen kommen und verschiedene Granulatgrößen aufeinandertreffen. Somit fehlt die Homogenität. Doch Hochleistungsasphalt verlangt nach Kontinuität. Für ihn gibt es ausgewiesene Designmethoden für die richtige Mischgutentwicklung und für die Qualitätskontrolle gibt es standardisierte Tests. Diese Methoden gelangen an ihre Grenzen, wenn Ausbauasphalt in die Produktionsprozesse gelangen.

Der Schweizer Ausbauasphalt soll möglichst komplett wieder zurück in die Straßen.

Foto: Empa

Pragmatische Rechenmodelle erstellt

Neuerungen auf unterschiedlichen Ebenen sind nötig, um den RAP-Gehalt zu erhöhen. Schon beim ersten Schritt, dem Ausbau des Asphalts und dessen Aufbereitung muss genau gearbeitet werden. Der Asphalt wird von der Straße gebrochen oder gefräst und dann zerkleinert. „Im besten Fall bleibt die ursprüngliche Gesteinskörnung dabei unversehrt, und es entsteht möglichst wenig Staub, sogenanntes Füllermaterial“, erklärt Zaumanis. Basierend auf Praxistests hat er in seiner Studie neue Kriterien vorgestellt, die eine vereinheitlichte Charakterisierung des RAP-Verarbeitung ermöglicht. Dadurch soll die Wiederverwendung vereinfacht werden. Doch nicht nur Staubanteile und Körnung haben eine Auswirkung auf Asphalt mit RAP. Das ursprüngliche Bitumengehalt und seine Eigenschaften sind entscheidend. Je nach Quelle können hier Unterschiede auftreten. Aus diesem Grund hat Zaumanis ein Rechenmodell erstellt, das je nach künftiger Anwendung die zulässige Variabilität festlegt. Ein weiteres pragmatisches Rechenmodell hat er für die Dosierung des Verjüngungsmittels vorgelegt. Diese meist öligen Stoffe erweichen das alte Bindemittel und machen es wieder nutzbar.

Testmethode im Herstellungsprozess

Die Vielzahl der unterschiedlichen Materialien und Stoffe erschweren die Produktion von Asphalt mit RAP. Im Vergleich dazu ist der Herstellungsprozess von neuen Asphalt nicht so komplex. Hinzu kommt, dass die Eigenschaften der Materialien und deren Zusammenspiel bei Asphalt mit RAP eine Unsicherheit hervorruft. „Das Vorgehen nach Rezeptbuch, wie das beim traditionellen Mischgutdesign gehandhabt wird, greift deshalb zu kurz“, so Zaumanis. Um das Material auf Rissbildungen oder plastischen Verformungen zu untersuchen, schlägt er eine leistungsorientierte Testmethode vor, die in den Prozess der Herstellung einzubinden ist.

Vertrauen durch Teststrecken

„Letztlich sind es aber vor allem erfolgreiche Pilotprojekte und reale Teststrecken, die den Straßeneigentümern und den Straßenbauern das Vertrauen in Asphalt mit einem hohem RAP-Gehalt geben können“, meint der Empa-Forscher. So wurden auf zwei Straßenabschnitten „HighRAP-Asphalt“ eingebaut, einmal auf der viel befahrenen Aathalstrasse in Uster und dann auf der Lukmanierpassstrasse. Auf der Passstraße wird der Straßenbelag durch die Höhenlage deutlich anders beansprucht. 30 Prozent RAP-Gehalt konnten in Uster in der Deckschicht eingebracht werden, ohne Leistungseinbußen. „Typischerweise wird heute für eine derart stark befahrene Straße in der Deckschicht komplett auf RAP verzichtet“, erklärt Zaumanis. In der Binderschicht sind sogar zwischen 40 und 50 Prozent AP möglich. Standardmäßig kommt Asphalt mit polymermodifiziertem Binder zum Einsatz. „Um den RAP-Gehalt noch mehr zu erhöhen, könnte man hoch-polymermodifiziertes Bindemittel einsetzen. Das würde den Mangel an Polymeren im RAP-Bindemittel ausgleichen“, beschreibt Zaumanis.

Auswirkungen von Höhe auf den Asphalt

Auf dem Lukmanierpass ist die Straße keinem starken Verkehr ausgesetzt, sondern rauen klimatischen Bedingungen. „In dieser Höhenlage von 1.900 Metern können die starken Temperaturschwankungen Risse im Straßenbelag bewirken“, so Zaumanis. In seinem Projekt zeigt er, dass Asphalt mit RAP-Gehalt trotzdem möglich ist. Die Fundationsschicht enthält 85 Prozent RAP-Gehalt, in der Trag- und Binderschichten sind es 70 Prozent. Die Tests im Labor zeigen, dass im Belag nicht die befürchteten Rissbildungen durch die Temperaturschwankungen auftreten.

Mehr Anreize für RAP

In den kommenden Jahren werden die beiden Teststrecken weiter überwacht und der eingebrachte RAP-Asphalt untersucht. Doch für Zaumanis steht fest, dass die Asphalt-Deponien nicht weiter wachsen werden. Nicht nur seine Projekte werden dazu beitragen, auch die Politik trägt ihren Teil dazu bei, da in der Schweiz Rufe nach einem Deponieverbot für Ausbauasphalt laut geworden sind. So werden die Anreize für eine komplette Weiterverwertung von Ausbauasphalt gesteigert.

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Von Empa / Heike van Ooyen