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Digitaler Zwilling 20.08.2020, 09:33 Uhr

BIM-to-Field in der Praxis

Ganz ohne Papier, aber mit viel Beton wird im schweizerischen Flums ein Wasserkraftwerk als Ersatzneubau errichtet. BIM-to-Field wird dabei konsequent umgesetzt. Die BIM-Daten umfassen auch die Schalungspläne. Sie dienen der Arbeitsvorbereitung, der Materialbestellung und steigern die Arbeitsabläufe.

Die Planung der nächsten Betonierabschnitte wird auf der Baustelle in Flums digital geplant. Foto: Doka

Die Planung der nächsten Betonierabschnitte wird auf der Baustelle in Flums digital geplant.

Foto: Doka

Die Wasserkraftwerke an der Schils im Schweizer Kanton St. Gallen müssen erneuert werden. Den Auftrag für den dreistöckigen Neubau der Kraftwerkszentrale Sägengüetli, hat das Bauunternehmen Strabag von der St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (SAK) erhalten. In der Planung und auf der Baustelle wird mit BIM gearbeitet. Mit BIM-to-Field entstehen Daten und 3D-Modelle die durchgehend digital auf der Baustelle zum Einsatz kommen. Baupläne auf Papier gibt es nicht. Der offene IFC-Standard und eine Cloudlösung ermöglichen es, dass die Informationen auf das Tablet des Poliers gelangen. Ein Feldversuch des Planungsbüros Pyöyr haben den Bauherrn und das Bauunternehmen motiviert aus der Flumser Baustelle ein BIM-to-Field-Pilotprojekt zu machen.

Einsatz des 3D-Modells auf der Baustelle

Die Schalung für das Projekt wird von Doka geliefert. Das Unternehmen setzt bereits bei vielen Baustellen BIM ein. Wie im gesamten Bauprozess ermöglicht BIM auch bei Schalungslösungen eine genauerer Abstimmung und sorgt für Effizienz auf der Baustelle. Doch auf den meisten Baustellen wird noch mit Papier gearbeitet. Im Flums ist das nicht der Fall und für den Schweizer Schalungs-Ingenieur Frank Stritzke auch eine Premiere: „Es war zu Beginn eine Umstellung von der konventionellen Planung in AutoCAD auf die 3D-Planung in Autodesk Revit. Gewisse Arbeitsschritte sind dadurch etwas aufwendiger geworden, weil die Modelle derart viele Informationen beinhalten. Doch der Aufwand zahlt sich aus: Schalungen für komplexe Objektgeometrien lassen sich in 3D deutlich schneller umsetzen und die Kollisionskontrolle ist dank der Simulationsmöglichkeiten am digitalen Zwilling erheblich einfacher“. Um gleich aus dem Projekt zu lernen, fließen die Erfahrungen in die Weiterentwicklung der Prozesse, der Revit-Bibliotheken und der der Software ein. Damit der Bauablauf und die Arbeitsabläufe auf der Baustelle nicht gestört werden und effizient sind, zeigte sich, so Stritzke, das es wichtig ist, im Vorfeld am Modell die Probleme zu beseitigen. Denn wenn die Arbeitsvorbereitungs- und Planungsphase des Bauprojektes gut vorbereitet sind, dann ist es einfacher, die Prozesse auf der Baustelle zu koordinieren. Dieses hat auf der Baustelle auch Bauführer Christian Häni erkannt: „Der Aufbau der Schalung wird mit dem 3D-Modell zum Kinderspiel. Ist der Startpunkt mit der Totalstation eingemessen, kann so im Prinzip jeder die Schalung richtig zusammenbauen. Man muss sich nur an das Modell halten.“ Auf der Baustelle ist es durch das Tablet mit der entsprechend Software für die Arbeiter möglich, das Schalungsmodell aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Sie haben auch die Möglichkeit, Details zu vergrößern. „Mit dem 3D-Modell kann ich je nach Bedarf Modelleigenschaften ein- oder ausblenden, Distanzen messen oder Schnitte erstellen. Damit werden die Pläne einfacher nachvollziehbar. Muss trotzdem einmal etwas geändert werden, geht es mit dem digitalen Workflow schneller“, beschreibt Häni den Einsatz auf der Baustelle. Wenn das Schalungskonzept auf die Gegebenheiten der Baustelle angepasst ist, dann kann punktgenau das Material bestellt werden. Wie viel, für welchen Bauabschnitt bestellt werden muss, kann just-in-time automatische aus dem Modell genommen werden. Für Baustellen mit wenig Platzverhältnissen ist dies von Vorteil, denn so kann mit weniger Material gearbeitet werden.

Das Pilotprojekt BIM-to-Field wird positiv auf der Baustelle angenommen. Auch wenn es für Strabag-BIM-Manager Stijepan Ljubicic noch eine Herausforderung gibt: „Die größte Hürde bei der Einführung neuer Prozesse ist die Unsicherheit der Beteiligten. Man darf nicht vergessen, die Menschen auf dem Weg mitzunehmen“. Ein erstes Fazit möchten die Projektpartner nach Baulos 1 ziehen.

Wie beim Schalungsbau das 3D-Modell noch eingesetzt werden kann, zeigt ein Familienunternehmen aus Krumbach

Von Heike van Ooyen