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Berlin 29.01.2024, 00:00 Uhr

Dezentrales Regenwassermanagement am Gendarmenmarkt

Der Platz vor dem Gendarmenmarkt in Berlin wird saniert. Natursteine und eine klimaangepasste Regenwasserbewirtschaftung machen ihn fit für die Zukunft.

Der Berliner Gendarmenmarkt – Blockrigole Aco Stormbrixx zur Versickerung des Oberflächenwassers. Foto: Aco GmbH

Der Berliner Gendarmenmarkt – Blockrigole Aco Stormbrixx zur Versickerung des Oberflächenwassers.

Foto: Aco GmbH

Der Gendarmenmarkt gehört zu den schönsten Plätzen Berlins. Hier treffen modernes Großstadtleben und bewegte Geschichte aufeinander. Der im Jahr 1688 als Wochenmarkt angelegte Platz wird vom Konzerthaus, dem Deutschen Dom im Süden und dem Französischen Dom im Norden eingerahmt. In den letzten Jahren hat sich der Platz zu einem touristischen Hotspot mit weit mehr als einer Million Besucher pro Jahr entwickelt. Durch die intensive Nutzung wurden insbesondere die Granitplatten und Mosaiksteine aus DDR-Zeiten dringend sanierungsbedürftig. Letztendlich musste ein neues städtebauliches Gestaltungskonzept her, dass den Ort zu einem urbanen Raum mit hoher Aufenthaltsqualität weiterentwickeln soll. Die Anforderungen waren hoch: klimaresilient, denkmalgerecht und tourismusnah sollte der Entwurf sein, den schließlich Rehwaldt Landschaftsarchitekten und das Ingenieurbüro PST GmbH lieferten, begleitet wurde die Erstellung von mehreren Bürgerforen.

Natursteine, Rinnen & Rigolen

Neben der barrierefreien Erneuerung der rund 14.000 Quadratmeter umfassenden Platzfläche mit Natursteinen, soll hiernach vor allen Dingen die unterirdische Infrastruktur und eine klimaangepasste Regenwasserbewirtschaftung umgesetzt werden. Für die Ausführungsplanung, Vergabe und Bauüberwachung zeichnen die BBS Landscape Engineering GmbH und G.U.B. Ingenieur AG/ Berliner Wasserbetriebe verantwortlich, das Rinnen- und Rigolensystem steuert das Water-Tech Unternehmen Aco aus Büdelsdorf bei. Geplant ist eine ganzheitliche Lösung, bei der Niederschläge gesammelt, abgeleitet, gereinigt und über Rigolen gedrosselt wieder in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgeführt werden. Der Senat spricht von einem nachhaltigen Stadtumbau, der die Bedürfnisse der Menschen mit den Herausforderungen des Klimawandels verbinde.

Das modulare Blockrigolensystem lässt sich individuell den Gegebenheiten anpassen.

Foto: Aco GmbH

Für Starkregenereignisse ausgelegt

„Wie in allen hochverdichteten, urbanen Räumen nehmen auch in Berlin Starkregenereignisse und Hitzeperioden als Folge des Klimawandels zu. Wir als Berliner Wasserbetriebe und die Stadt Berlin möchten eine Neuausrichtung im Umgang mit Niederschlagswasser: weg von der reinen Ableitung zur Kläranlage, hin zu einer dezentralen Versickerung,“ sagt Christopher Repkow, Standortleiter für den medienübergreifenden Netzbau Berlin Ost bei den Berliner Wasserbetrieben. „Für den erforderlichen Überflutungsnachweis nach DIN 1986–100 und der DWA-A 138 haben wir die anfallenden Niederschlagsmengen eines mindestens 30-jährigen Regenereignisses von 5-minütiger Dauer nach den KOSTRA-DWD-Rasterdaten zugrunde gelegt,“ ergänzt Jan Witt, Anwendungstechniker bei Aco.

Die Rigole für die Zwischenspeicherung und anschließende Versickerung von Regenwasser wird mit Geotextil umhüllt.

Foto: Aco GmbH

Mischwasserüberläufe reduzieren

Eine dezentrale Versickerung hat gleich mehrere Vorteile: Mehr Regenwasser, das geordnet in der Stadt versickern kann, schützt das Stadtgrün vor Trockenschäden und die Infrastruktur vor Überschwemmungen. Gleichzeitig stabilisiert sich der Grundwasserspiegel und die Gewässergüte steigt, weil es seltener zu Mischwasserüberläufen der Kanalisation in die Gewässer kommt. Laut Berliner Wassergesetz ist eine dezentrale Versickerung über belebte Bodenzonen sogar vorgeschrieben. Wo es jedoch wie am Gendarmenmarkt an unbefestigten Frei- und Grünflächen fehlt, sind alternative Systemlösungen gefragt. Ihre Aufgabe ist es, den natürlichen Wasserkreislauf entsprechend nachzubilden. Als Anbieter solcher integrierter Entwässerungskonzepte wurde Aco von den beteiligten Landschaftsarchitekten frühzeitig in die komplexen hydraulischen Berechnungen eingebunden. In Abhängigkeit von der Gesamtfläche, dem Einzugsgebiet und der Geländeneigung des Platzes wurde das erforderliche Auffang- und Rückhaltevolumen schließlich ermittelt und die Entwässerungsrinnen und Rigolen entsprechend dimensioniert.

Eine Rinne im denkmalpflegerischen Design

In dem anschließenden, europaweit offenen Vergabeverfahren konnte Aco mit seinem speziell auf klimaresilientes Regenwassermanagement ausgerichteten Sortiment an Rinnen und Rigolen punkten. Ausgeschrieben war eine Kastenrinne mit Guss-Kantenschutz und neutralem Längsstabrost aus Gusseisen, die sich am ursprünglichen Erscheinungsbild orientiert. „Die Aco PowerDrain Seal in entspricht nicht nur den anspruchsvollen Design-Vorgaben der Denkmalpfleger“, sagt Jan Witt. „Der robuste Rinnenkörper mit der EPDM-Dichtung am Rinnenstoß hält auch ohne sichtbare Rückenstützen den Belastungen des temporär hochbelasteten Platzes stand.

Kontrollierte Abgabe von Niederschlagswasser in den Boden

Das Rigolensystem spielt eine zentrale Rolle bei der Regenwasserbewirtschaftung am Gendarmenmarkt. Über die Füllkörper versickern die zuvor gesammelten und mittels Substratfilter gereinigten Niederschläge und werden kontrolliert an die darunter liegende Bodenschicht abgegeben. Dabei erfüllt das Rigolensystem Aco Stormbrixx punktgenau die spezifischen Anforderungen des großflächigen Platzes. Aufgrund seiner kompakten Bauweise mit einer geringen Höhe von gerade einmal 61 cm ist der Einbau auch bei dem relativ hohen Grundwasserstand in Berlin möglich, ohne den Mindestabstand zum Grundwasserspiegel zu unterschreiten. Dabei verfügen die insgesamt sechs Rigolen über eine Speicherkapazität von 480 m³ und sind damit selbst für ein 30-jähriges Regenereignis gewappnet.

Eine Blaupause für klimaresiliente, öffentliche Räume

Durch ihren modularen Aufbau lässt sich die Blockrigole zudem unkompliziert in die unterirdische Leitungsführung integrieren und die Kontur flexibel an bestehende Platzverhältnisse anpassen. So werden die Grundelemente einfach um Fahnenmaste, Leuchten und das markante Schiller-Denkmal herum platziert. „Für die leichtgewichtigen, handlichen Kunststoffelemente ist kein schweres Gerät nötig. Mithilfe des Steckmechanismus konnte ich sie ohne großen Kraftaufwand mit einem Klick verbinden“, erklärt Christopher Repkow. Wenn auf diese Weise alle sechs Rigolen zu tragfähigen Verbänden verlegt sind, kann der Einbau der vorgelagerten Reinigungsstufen und Entwässerungsrinnen beginnen. Mit einem neuen Natursteinpflaster aus Granit, Gneis und Basalt versehen, soll der Gendarmenmarkt pünktlich zu Weihnachten 2024 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Und so zu einem Leuchtturm-Modell für eine klimaresiliente Umgestaltung von öffentlichen Räumen werden.

Von Aco / Melanie Schulz

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