China dreht Hahn zu 05.06.2025, 20:30 Uhr

Seltene Erden fehlen: Autoindustrie in Rohstoff-Not

Lieferengpässe bei Seltenen Erden aus China bringen die Autoindustrie ins Wanken. Erste Produktionslinien stehen bereits still.

Produktionslinie Autoindustrie

Die chinesischen Exportbeschränkungen für Seltene Erden bringen die europäische Autoindustrie in Bedrängnis. Lieferengpässe betreffen vor allem Elektromotoren und Batterietechnologie. Erste Produktionslinien stehen bereits still.

Foto: PantherMedia / fotoevent.stock

Die Versorgungslage bei Seltenen Erden spitzt sich dramatisch zu. Besonders in der europäischen Automobilindustrie wächst die Sorge vor einem Produktionsstillstand. Ursache ist eine neue Exportpolitik der Volksrepublik China, die durch ein Lizenzsystem den globalen Nachschub zentraler Rohstoffe verlangsamt.

Die Folgen spüren Zulieferbetriebe bereits jetzt. Erste Fertigungslinien stehen still. Suzuki etwa musste die Produktion des Kleinwagens Swift unterbrechen – es fehlten elementare Komponenten. Der Zulieferer ZF spricht von „spürbaren Auswirkungen“ auf die Lieferkette. Besonders betroffen sind Elektromotoren, für deren Herstellung sogenannte Permanentmagnete nötig sind. Diese basieren fast ausschließlich auf Seltenen Erden.

Was sind Seltene Erden – und wozu werden sie gebraucht?

Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 Metallen, zu denen beispielsweise Neodym, Dysprosium oder Terbium zählen. Sie kommen in geringen Mengen in der Erdkruste vor, sind jedoch für viele moderne Technologien unverzichtbar. Vor allem in der Elektromobilität, der Windkraft, Unterhaltungselektronik oder der Medizintechnik finden sie breite Anwendung.

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Permanentmagnete auf Basis seltener Erden ermöglichen kompakte, leistungsstarke und effiziente Elektromotoren. In Fahrzeugen, Smartphones oder Windkraftanlagen sind sie daher weit verbreitet. Die Nachfrage steigt – doch das Angebot ist zunehmend eingeschränkt.

China zieht die Reißleine

Seit April 2025 verlangt China für den Export bestimmter seltener Rohstoffe spezielle Lizenzen. Die Maßnahme ist Teil einer Strategie, die geopolitischen Einfluss stärken soll. Zwar gibt es kein offizielles Exportverbot – doch in der Praxis stellt sich die Lage anders dar.

Hunderte Unternehmen warten auf Genehmigungen. Nur rund 25 % der Anträge wurden bislang bewilligt. Die Lagerbestände in Europa schmelzen rapide. Ein deutscher Zuliefermanager beschreibt die Situation nüchtern: „Den Juni halten wir noch durch. Danach wird es eng, und zwar weltweit.“

Bürokratie als politisches Werkzeug

Der Trick: Die Genehmigungsverfahren wirken auf den ersten Blick harmlos, tatsächlich aber werden sie gezielt als Verzögerungstaktik eingesetzt. Laut dem Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) sind die chinesischen Behörden von der Flut an Anträgen überfordert – oder lassen gezielt Anträge unbearbeitet. Das Ergebnis ist ein faktischer Lieferstopp.

„Kein Unternehmen hat sich ausreichend auf diese Lage vorbereitet“, erklärt Andreas Kroll vom Berliner Rohstoffhändler Noble Elements. „Es herrscht eindeutig ein Notstand.“ Auch der europäische Zulieferverband CLEPA spricht von „zunehmend gestörten Lieferketten“.

Strategische Abhängigkeit mit Ansage

Dass Europa heute so stark auf China angewiesen ist, hat historische Gründe. Seit den 1970er-Jahren verlagerte sich die umweltbelastende Produktion seltener Erden schrittweise nach Asien. China erkannte früh die strategische Bedeutung der Rohstoffe – und baute seine Kontrolle gezielt aus.

Heute kontrolliert das Land rund 70 % der weltweiten Förderung und fast 90 % der Raffinierungskapazitäten. Bei der Verarbeitung zu Magneten liegt der Anteil sogar noch höher. Diese Marktmacht nutzt die Regierung in Peking nun als Druckmittel – nicht nur gegenüber den USA, sondern auch gegenüber Europa.

Autokonzerne unter Druck

In der deutschen Autoindustrie steigt die Nervosität. Zwar äußern sich große Hersteller wie BMW, Mercedes oder Volkswagen nach außen hin gelassen. Intern jedoch laufen Krisenpläne. Zulieferer wie ZF warnen bereits vor „kurzfristigen Bandstillständen“. Ein Manager spricht von „einer Lage, wie sie zuletzt in der Chipkrise zu beobachten war“.

Einige Unternehmen versuchen, sich von der chinesischen Abhängigkeit zu lösen. BMW setzt auf Elektromotoren ohne Seltene Erden. Mercedes reduziert durch neue Zellchemien den Bedarf an kritischen Rohstoffen. Doch ein vollständiger Verzicht bleibt vorerst unrealistisch. Permanentmagnete, Batterien oder auch Lautsprecher benötigen weiterhin Seltenerdmetalle.

Politische Forderungen: Europa hinkt hinterher

Experten fordern von der EU mehr strategisches Denken. Zwar existiert mit dem „Critical Raw Materials Act“ ein Ansatz für eine stabilere Rohstoffversorgung. Doch dessen Umsetzung braucht Zeit – und genau die fehlt derzeit. Der Aufbau eigener Förder- und Raffinerieanlagen dauert Jahre. Recyclingverfahren und alternative Materialentwicklungen stehen ebenfalls noch am Anfang.

Wolfgang Weber vom ZVEI mahnt: „Die Knappheiten bei Seltenen Erden nehmen weiter zu und stellen die Unternehmen vor immer größere Herausforderungen.“ Sein Appell richtet sich an die EU-Kommission, endlich deutlicher zu intervenieren.

Keine reine Autokrise

Der Engpass betrifft nicht nur die Mobilitätswende. Auch die Rüstungsindustrie, die Medizintechnik und die Energiewirtschaft sind auf die Rohstoffe angewiesen. Laut Medienberichten benötigt ein einzelnes F-35-Kampfflugzeug über 400 Kilogramm Seltenerdmetalle. Ein modernes U-Boot braucht ein Vielfaches. Ohne stabile Versorgung geraten sicherheitsrelevante Systeme unter Druck.

Ein Rüstungsmanager erklärt: „Die Versorgung mit Germanium stockt – China hat praktisch die Lieferungen eingestellt.“ Auch Vorprodukte für Sprengstoffe sind knapp – bereits seit zwei Jahren schränkt China deren Export gezielt ein.

Ausblick: Die nächste Rohstoffkrise kommt bestimmt

Ob die aktuelle Krise bald endet, ist ungewiss. Zwar wurden erste Exportlizenzen wieder erteilt – etwa für den VW-Zulieferer Baotou Tianhe Magnetics. Doch handelt es sich hierbei vermutlich eher um politische Zugeständnisse als um eine dauerhafte Entspannung.

Langfristig müssen sich europäische Unternehmen neu aufstellen. Dazu gehören die Diversifizierung von Bezugsquellen, Investitionen in Recyclingtechnologien und innovationsgetriebene Materialsubstitution. Die Warnung ist deutlich: Wer sich zu stark auf einen Anbieter verlässt, verliert im Ernstfall die Kontrolle über seine Produktion.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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