Warum Voith in Deutschland Stellen streichen will und wie die Branche leidet
Voith steht angesichts sinkender Produktion, hoher Kosten und US-Strafzölle vor umfassenden Herausforderungen. Der Traditionskonzern prüft strategische Anpassungen, Investitionen in Zukunftstechnologien und Stellenabbau von bis zu 2.500 Jobs.
Maschinenbaukrise trifft Voith: Zehntel der Jobs in Gefahr
Foto: picture alliance/dpa | Stefan Puchner
Der Maschinenbau kriselt und jetzt spürt es auch Voith. Der Traditionskonzern aus Heidenheim plant, rund jeden zehnten Job zu streichen. Bis zu 2.500 Stellen könnten wegfallen, wie das Unternehmen mitteilt.
Deutschland spielt dabei eine Schlüsselrolle. Zwar gilt der Standort weiterhin als technikstark und innovativ, doch die Rahmenbedingungen machen den Firmen zunehmend zu schaffen: „Zwar ist der Standort durch technologische Kompetenz und
Innovationskraft geprägt, doch bestehen gleichzeitig besondere strukturelle Herausforderungen. Dazu gehören insbesondere hohe Energie- und Arbeitskosten, komplexe regulatorische Anforderungen und ein insgesamt hoher bürokratischer Aufwand.“, heißt es in der Pressemitteilung.
Für die Belegschaft heißt das nun: bange Wochen und viele offene Fragen. Wie es bei Voith weitergeht, bleibt spannend – und wohl auch unbequem.
Verschiedene Szenarien werden geprüft
Konkrete Entscheidungen, wo und in welchen Bereichen Stellen gestrichen werden könnten, gibt es bisher nicht. In den nächsten Wochen will Voith verschiedene Szenarien prüfen – und zwar gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern. Der angekündigte Stellenabbau sei bisher nur ein „globaler Rahmen“, keine Aussage über bestimmte Standorte oder Abteilungen.
Die Gespräche über einen Stellenabbau des Maschinenbauers Voith sollen nach dpa-Informationen nach Gewerkschaftsangaben voraussichtlich erst im neuen Jahr beginnen. „Ich rechne damit, dass wir frühestens im Januar oder Februar miteinander verhandeln werden“, kommentierte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Heidenheim, Tobias Bucher . „Da macht sich jeder seine Gedanken.“
Gewerkschafter kritisiert Voith-Management und fordert Beschäftigtensicherung
Der Gewerkschafter Bucher sieht die Restrukturierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre als wirkungslos an. Seiner Ansicht nach hätten die Mitarbeiter harte Einschnitte hingenommen und dem Unternehmen damit Vorteile verschafft. Er stellte infrage, ob das Management seine Aufgaben richtig erfüllt habe und deutete an, dass dies nicht der Fall sei.
Bucher zufolge plant das Unternehmen, den Umsatz bis 2030 auf mehr als 10 Milliarden Euro zu steigern und auch den Gewinn deutlich zu erhöhen. Dafür sei es wichtig, alle Beschäftigten an Bord zu halten – trotz der aktuellen Schwächephase. Er betonte, dass zunächst alle milderen Mittel wie Kurzarbeit, Altersteilzeit oder Frühpensionierungen ausgeschöpft werden müssten, bevor zu härteren Maßnahmen gegriffen werde.
Schwäbisches Industrie-Urgestein unter Druck
Der Maschinen- und Anlagenbau gilt im Süden Deutschlands als echte Wirtschaftsstütze – und Voith ist einer seiner bekanntesten Namen. Der Konzern hat seinen Stammsitz im schwäbischen Heidenheim an der Brenz, dazu mehrere weitere Werke im Land. Auch bundesweit ist Voith präsent: in Bayern, NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Sachsen.
Voith gehört zu den echten Urgesteinen der deutschen Industrie: gegründet 1867, heute aktiv in mehreren Hightech-Bereichen. Das Unternehmen baut Maschinen, Anlagen und digitale Systeme für unterschiedlichste Branchen. Besonders bekannt ist Voith für Turbinen, Generatoren und Steuerungstechnik für Wasserkraftwerke. Außerdem zählt das Unternehmen zu den großen Playern bei Papiermaschinen und Anlagen zur Aufbereitung von Altpapier.
Dazu kommt ein weiterer wichtiger Bereich: Antriebs- und Industrietechnik – darunter Getriebe und Kupplungen für Züge, Schiffe und industrielle Anwendungen.
Aufgebaut ist der Konzern in drei Sparten: Hydro, Paper und Turbo. Doch zuletzt liefen die Geschäfte alles andere als rund. Die Konjunkturflaute drückte Voith tief in die roten Zahlen: Im Geschäftsjahr 2023/24 rutschte das Ergebnis auf minus 247 Millionen Euro ab – nach einem Plus von 73 Millionen im Jahr zuvor. Auch der Umsatz schrumpfte auf 5,23 Milliarden Euro.
Weltweit arbeiten rund 22.000 Menschen in mehr als 60 Ländern für den Mittelständler. Entsprechend groß ist die Unsicherheit – und die Frage, wo der Konzern am Ende tatsächlich den Rotstift ansetzen wird.
Organisation stärken, Innovation beschleunigen
„Voith steht vor großen Herausforderungen auf dem Weltmarkt, weshalb wir eine umfangreiche strategische Analyse unseres Geschäfts vorgenommen haben“, wird der Konzernchef Dirk Hoke von der dpa zitiert.
Um langfristig bestehen und wachsen zu können, brauche Voith nach eigener Darstellung ausreichend Mittel für Investitionen und eine möglichst effiziente Organisationsstruktur.
Hoke betonte, man müsse nun gemeinsam daran arbeiten, die Organisation zu stärken, Innovationen schneller voranzutreiben und neue Wachstumschancen zu nutzen – auch, um den Standort Deutschland zu sichern. Bei den geplanten Anpassungen gehe es daher unter anderem darum, Prozesse zu vereinfachen, Entscheidungswege zu verkürzen und gezielt in Zukunftsfelder zu investieren, die die Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern sollen. Dazu zähle er vor allem das profitable Service- und Digitalgeschäft, internationale Wachstumsregionen sowie neue Technologien.
US-Strafzölle und Bürokratie belasten Deutschlands Schlüsselindustrie
Der geplante Stellenabbau trifft den deutschen Maschinenbau in einer besonders schwierigen Phase. Die Branche steckt in einer langanhaltenden Schwäche: 2025 schrumpft sie laut dem Branchenverband VDMA bereits im dritten Jahr in Folge, diesmal wieder um rund fünf Prozent. Seit Anfang 2023 geht die Produktion ununterbrochen zurück – inzwischen seit zwölf Quartalen am Stück. Die Fabriken sind nur zu 78,3 Prozent ausgelastet, deutlich weniger als das übliche Niveau von etwa 85 Prozent. Erst 2026 rechnet der Verband wieder mit einem kleinen Plus.
Die Krise zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt. Laut VDMA ist die Zahl der Beschäftigten im Jahresvergleich um 2,4 Prozent auf rund eine Million Menschen gesunken, und Kurzarbeit nimmt zu. Neben hohen Steuern und übermäßiger Bürokratie belasten laut VDMA-Präsident Bertram Kawlath besonders die US-Strafzölle das Geschäft der Unternehmen. (mit dpa)
Ein Beitrag von: