Faktencheck 15.01.2018, 07:51 Uhr

Verschärfen Elektroautos den Kampf um Rohstoffe?

Die Elektromobilität wird sich nur durchsetzen können, wenn die Reichweiten erhöht werden und die Rohstoffmärkte die Herstellung leistungsfähiger Batterien garantieren können. Die Autoindustrie warnt bereits vor einer Knappheit, doch wie schlimm steht es um die nötigen Rohstoffe? Wir haben den Experten für nachhaltige Ressourcenwirtschaft, Matthias Buchert vom Öko-Institut, gefragt.

Matthias Buchert leitet den Bereich Ressourcen & Mobilität des Öko-Institut e.V. Der promovierte Chemiker ist schon seit 1992 beim Öko-Institut, das sich als eine unabhängiges Forschungs- und Beratungseinrichtung für nachhaltige Zukunft etabliert hat. Bucherts Forschungsschwerpunkt ist die nachhaltige Ressourcenwirtschaft.

Matthias Buchert leitet den Bereich Ressourcen & Mobilität des Öko-Institut e.V. Der promovierte Chemiker ist schon seit 1992 beim Öko-Institut, das sich als eine unabhängiges Forschungs- und Beratungseinrichtung für nachhaltige Zukunft etabliert hat. Bucherts Forschungsschwerpunkt ist die nachhaltige Ressourcenwirtschaft.

Foto: privat/Benjamin-Schenk

Der Marktanteil vollelektrischer PKW an den Zulassungszahlen in Deutschland lag im November 2017 erstmal bei einem Prozent. Mit dem in jüngster Zeit erkennbaren und für die Zukunft absehbaren Markthochlauf der Elektromobilität auf nationaler und globaler Ebene sind zum Teil heftige Diskussionen um die Rohstoffversorgung des Systems Elektromobilität und die damit verbundenen ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen entbrannt. Die unterschiedlichen Meldungen in diversen Medien dazu ergeben nicht selten einen eher schrillen Chor: Der Industrie- und Automobilstandort Deutschland wäre durch Versorgungsengpässe akut gefährdet, die Umweltbelastungen wären durch den steigenden Rohstoffbedarf der Elektromobilität immens, die sozialen Folgen des Rohstoffabbaus wären nicht verantwortbar usw.

Das Öko-Institut hat kürzlich in einem umfassenden Synthesepapier „Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität“ für die Agora Verkehrswende den Themenkomplex ausführlich untersucht und zudem strategische Empfehlungen ausgesprochen. Die folgenden Ausführungen beruhen im Kern auf dieser neuen Studie.

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Welche Rohstoffe sind für Hybrid- und Elektrofahrzeuge relevant?

Schlüsselmaterialien für die Elektromobilität sind vor allem die Rohstoffe Lithium, Kobalt, Nickel und Grafit für das Kathoden- bzw. Anodenmaterial der Zellen von Lithium-Ionen Batterien sowie Platin für Brennstoffzellenfahrzeuge. Allerdings wird Platin ebenso wie Palladium und Rhodium bereits in großem Stil für die Autoabgaskatalysatoren von Verbrennungsfahrzeugen eingesetzt. Hier ergeben sich also beim Umstieg weg von der Verbrennungstechnologie auch entsprechend deutliche Rohstoffeinsparungen. Weiterhin sind Seltene Erden wie Neodym zu nennen, die für die Magnete der überwiegend permanent erregten Synchronmotoren in Hybrid- und Elektrofahrzeugen eingesetzt werden.

Nachfragesteigerungen bei Batteriematerialien bereits mittelfristig spürbar

Nach den Untersuchungen des Öko-Instituts ist bei den Batteriematerialien bereits mittelfristig mit erheblichen Nachfragesteigerungen zu rechnen. Der globale jährliche Bedarf an Lithium für die Elektromobilität wird bis 2030 auf rund 160.000 Tonnen ansteigen. Das ist gut eine Vervierfachung gegenüber der Minenproduktion 2015. Der globale jährliche Bedarf an Kobalt steigt auf rund 260.000 Tonnen bis zum Jahr 2030 – eine Verdopplung der Primärförderung 2015. Auch der Bedarf an Nickel und Grafit für die Elektromobilität steigt deutlich. Bei diesen Rohstoffen spielen jedoch andere traditionelle Anwendungen eine größere Rolle, etwa Edelstahl für den Nickelbedarf. Im Falle von Grafit besteht überdies die Möglichkeit, Synthesegrafit einzusetzen. Das heißt, eine Abhängigkeit allein von natürlichen Ressourcen besteht hier nicht. Für Seltene Erden wie Neodym erwarten Experten ebenfalls Nachfragesteigerungen durch die Elektromobilität. Im Bereich der Elektromotoren sind allerdings schon in einigen Fahrzeugmodellen andere Motorentypen ohne Seltene Erden im Einsatz, sodass hier die technologische Abhängigkeit geringer ist als z.B. bei Lithium bezüglich der Batteriezellen.

Für alle untersuchten Rohstoffe gilt jedoch, dass die globalen Reserven und Ressourcen die absehbaren – durchaus erheblich – wachsenden Bedarfe nach Mengengesichtspunkten abdecken können. Besondere Herausforderungen liegen in der Vermeidung temporärer – also zeitlich begrenzter Verknappungen, die durch das rasche Nachfragewachstum hervorgerufen werden könnten. Weiterhin gilt es das Recycling der Lithium-Ionen Batterien in Europa und weltweit weiter aus- und aufzubauen, um die Abhängigkeit von Primärrohstoffen zu verringern. Schließlich muss sichergestellt werden, dass die Primärrohstoffe mit möglichst geringen Umweltauswirkungen und unter fairen sozialen Bedingungen gefördert werden.

Empfehlungen zum Schutz vor Ressourcenknappheit

Das Öko-Institut hat im Rahmen seiner Untersuchung für die Agora Verkehrswende sieben Empfehlungen ausgesprochen, die hier in verkürzter Form vorgestellt werden.

1. Globale Industrieallianz für nachhaltiges Lithium

Ziel der globalen Industrieinitiative wäre es, die Lithiumversorgung für den stark wachsenden Elektromobilitätssektor sicherzustellen – unter umwelt- und sozialverträglichen Bedingungen. Zu diesem Zweck sollte eine globale Initiative zum Einsatz von nachhaltig gewonnenem Primärlithium ins Leben gerufen werden. Da die Elektromobilität schon in wenigen Jahren aller Voraussicht nach den höchsten Anteil an der globalen Lithiumnachfrage generieren wird, kommt der Automobilbranche, Herstellern und Zulieferern sowie deren Verbänden, hier eine Schlüsselrolle für eine Industrieallianz zu.

2. Verpflichtende unternehmerische Sorgfaltspflichten (Due Diligence) für Kobalt

Es wird empfohlen, verbindlich unternehmerische Sorgfaltspflichten (Due Diligence) entlang der Handelsketten für Kobalt einzuführen, mit dem Ziel, Umwelt-, Gesundheits- und Sozialrisiken zu minimieren. Eine nachhaltige Rohstoffversorgung hängt dabei auch zukünftig stark von der Demokratischen Republik Kongo als Hauptförderland ab. Das stellt die primäre Rohstoffgewinnung vor zunehmende Herausforderungen in Bezug auf bestehende Umwelt- und vor allem Sozialkonflikte, die es in der rohstoffreichen Demokratischen Republik Kongo auch bei anderen Mineralien gibt.

Kobalt ist selbst nicht als Konfliktmineral nach dem Dodd-Frank Act eingestuft. Der hohe Anteil des Kleinbergbaus in der Kobaltgewinnung in der DR Kongo, der derzeit bei etwa 20 Prozent liegt, birgt jedoch Umwelt- und Sozialrisiken Aufgrund ähnlicher Rahmenbedingungen bei der Förderung von Kobalt ist die Einführung von Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette, angelegt an die Mechanismen bei den Konfliktmineralien, ein wichtiger Schritt zur Minimierung bestehender Konflikte sowie zur deren zukünftiger Vermeidung.

3. Internationale Kooperation nachhaltiger Bergbau

Zusätzlich zu den oben genannten Handlungsfeldern wird eine verstärkte internationale Kooperation zwischen Import- und Produktionsländern empfohlen, mit dem Ziel den Technologie- und Wissenstransfers für einen nachhaltigen industriellen Bergbau und artisanalen Kleinbergbau zu fördern.

4.Weiterentwicklung EU-Batterierichtlinie

Die aktuell gültige EU-Batterierichtlinie betrifft Traktionsbatterien für die Elektromobilität und deren strategische Rohstoffe (Lithium, Kobalt, Nickel, Grafit) nicht adäquat. Da die Lithium-Ionen-Antriebsbatterien in Zukunft in großem Umfang in den Markt treten werden, sollten sie in der überarbeiteten Batterierichtlinie separat und mit einem eigenen ambitionierten Sammel- und Recyclingziel ausgewiesen werden. Diese Ziele sollten differenziert nach den strategisch bedeutenden Rohstoffen formuliert werden, um deren Rückgewinnung und Wiederverwendung sichern zu können.

5. Weltweites Recyclingsystem für Lithium-Ionen-Batterien

Zusätzlich zur Weiterentwicklung des europäischen Regulierungsrahmens wird der Aufbau einer global umfassenden Recyclingstruktur für Lithium-Ionen-Batterien empfohlen. Dies ist zwingend erforderlich, um die Altbatterien optimal zu erfassen und die relevanten Rohstoffe der Lithium-Ionen-Batterien gezielt zurückgewinnen zu können.

6. Forschungsoffensive Batterietechnologien

Zur weitergehenden Dämpfung der Nachfrage nach Rohstoffen aus der Primärförderung zur Förderung einer sicheren und nachhaltigen Rohstoffversorgung für die Elektromobilität wird darüber hinaus eine umfassende Offensive zur weiteren Forschung und Entwicklung empfohlen. Diese sollte den Bereich der Traktionsbatterien für die Elektromobilität hinsichtlich der Weiterentwicklung der Materialeffizienz, der Substitutionsalternativen, der optimierten Erfassung, der automatisierten Demontage sowie der Recyclingtechnologien selbst abdecken. Zusätzlich sollte weitere Forschung und Entwicklung im Bereich der effizienten und nachhaltigen Gewinnung von Primärmaterialien für die Elektromobilität unterstützt werden.

7. Rohstoffradar Elektromobilität

Die Marktentwicklung der Elektromobilität verläuft aktuell hochdynamisch. Damit korreliert auch die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Antriebsbatterien und den darin enthaltenen kritischen Rohstoffen. Um die Strategien und Maßnahmen zur nachhaltigen Rohstoffversorgung der Elektromobilität diesen Entwicklungen zukünftig anpassen zu können, wird ein regelmäßiges Monitoring der Annahmen zur weltweiten Entwicklung der Elektromobilität, der Auswirkungen auf den Rohstoffbedarf und der Umsetzung der beschriebenen Handlungsempfehlungen vorgeschlagen.

Zur Agorastudie „Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität“

Ein Beitrag von:

  • Matthias Buchert

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