Kraftwerkstechnik 10.06.2011, 19:53 Uhr

Biomassepellets erobern Kohlekraftwerke

In immer mehr Kohlekraftwerken wird Biomasse mit verbrannt – das sogenannte Co-Firing. Vor allem deutsche Nachbarländer setzen auf diese Technologie. Noch wird erprobt, was die wirtschaftlichsten und effektivsten Formen sind. Das Trocknungsverfahren der Torrefizierung soll höhere Anteile und ein breiteres Spektrum an Rohstoffen ermöglichen.

Biomasseverbrennung: Co-Firing für bessere Wirtschaftlichkeit.

Biomasseverbrennung: Co-Firing für bessere Wirtschaftlichkeit.

Foto: Siemens AG

Ein gigantischer Kraftwerkspark entsteht zurzeit in den Niederlanden: In Eemshaven, an der Emsmündung in Sichtweise zur deutschen Grenze gelegen, bauen Energieversorger Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 7,5 GW, die bald die Hälfte der Niederlande mit Strom versorgen sollen. Ein beträchtlicher Teil davon sind neue Kohlekraftwerke.

Während auf der deutschen Seite östlich der Ems drei geplante Kohlekraftwerke in Emden, Dörpen und Wilhelmshaven wegen massiver Proteste von Politikern und aus der Bevölkerung verhindert wurden, sind auf der niederländischen Seite bereits zwei im Bau. Eins davon errichtet der deutsche Energiekonzern RWE mit 1600 MW, das 2013 ans Netz gehen soll. Rund 2 Mrd. € investiert der deutsche Energiekonzern dafür.

In den Niederlanden gab es Widerstand gegen die Pläne: Im Dezember hatten Greenpeace-Aktivisten die Baustelle besetzt, erst Ende Mai wies der Europäische Gerichtshof eine Klage von Umweltverbänden gegen die Bau- und Betriebsgenehmigung zurück. Um die Kohlekraftwerke politisch leichter durchsetzen zu können, sind sie für eine Mitverbrennung von Biomasse vorgesehen. Das Co-Firing stellt eine kurzfristig umsetzbare, risikoarme und vor allem kostengünstige Möglichkeit dar, CO2 einzusparen.

Gemäß eines 2009er-Reports der Internationalen Energieagentur (IEA) liegen die Investitionskosten zwischen 100 $/kW und 600 $/kW elektrischer Leistung. Die Stromerzeugungskosten seien unter günstigen Bedingungen niedriger als bei jeder anderen erneuerbaren Energie-Option, heißt es in dem Papier.

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Kein Wunder, dass das Co-Firing zum Liebling von Energiekonzernen geworden ist: Nach ersten Versuchen Mitte der 90er-Jahre zählte die IEA in den OECD-Ländern 2009 bereits 234 Kohlekraftwerke, die Erfahrungen mit Co-Firing gesammelt haben oder es bereits kommerziell anwenden. Rund drei Viertel davon stehen in Europa.

Die Mehrheit dieser Kraftwerke ist mit Kohlestaubfeuerungen ausgerüstet. Bei Beifeuerungen muss hier auch die Biomasse auf Partikelgrößen unter 2 mm gemahlen werden. Holzpellets aus gepressten Spänen und Sägemehl, sogenannte Industriepellets, haben sich als am besten geeignet erwiesen.

Das „direkte Co-Firing“, bei der bis zu 30 % Biomasse zusammen mit der Kohle im gleichen Kessel verbrannt werden, ist am kostengünstigsten. Beim indirekten Co-Firing wandelt ein Biomassevergaser den festen Brennstoff in ein Produktgas um, das im Kohlekessel mit verbrannt wird. Dies hat den Vorteil, dass eine größere Palette an Biomasse eingesetzt werden kann.

Im niederländischen Kraftwerk Amer wird eine Vergasung angewendet. Die dritte Möglichkeit ist, einen eigenen Biomassekessel in das Dampfsystem des Kraftwerks zu integrieren, wie das im dänischen Avedore praktiziert wird. Nachteil der beiden indirekten Co-Firing-Varianten: Sie erfordern beträchtliche Investitionen

Mit mehreren Entwicklungen arbeitet deshalb die Branche daran, die Brennstoffe so vorzubehandeln, dass 50 % der Biomasse oder mehr direkt eingesetzt werden können und dabei keine oder nur geringe Anpassungen erforderlich sind.

Ein Verfahren scheint am meisten Erfolg zu versprechen: die Torrefizierung, ein Mittelding zwischen Trocknung und Pyrolyse. Hierbei wird die Biomasse bei Temperaturen um 300 °C unter Sauerstoffabschluss erhitzt. Es entsteht ein holzkohleartiges Material, das pelletiert werden kann.

Weltweit sind zurzeit mehr als zehn Demonstrationsanlagen in Bau oder in der Einführungsphase. Unter Beteiligung von RWE Innogy, der Erneuerbare-Energien-Tochter des deutschen Konzerns, baut die Topell Energy BV bereits eine erste kommerzielle Torrefizierungsanlage in Duiven in der niederländischen Provinz Gelderland.

Die Niederlande bilden die Speerspitze des Co-Firing-Trends. Mit rund 900 000 t wurden 2009 in sechs niederländischen Kohlekraftwerken ähnlich viele Pellets verbrannt wie von rund 100 000 Heizungsbesitzern in ganz Deutschland. Hierzulande werden hohe Einspeisetarife nur für Strom aus ausschließlichen Biomassefeuerungen gezahlt. Deshalb fehlt ein gezielter Anreiz für das Co-Firing, das dagegen auch in Belgien und Dänemark stark gefördert worden ist.

Der Bedarf von Benelux-Ländern und Dänemark wird fast ausschließlich durch Import gedeckt. Nachdem Kanada schon seit einigen Jahren Pellets nach Europa liefert, wurden auch neue Pelletswerke in den USA gebaut. „Nach der Immobilienkrise warten dort Unmengen von Holz auf eine Verarbeitung“, erklärt Peter Rechberger vom europäischen Biomasseverband Aebiom.

Im Mai hat das neue weltgrößte Pelletswerk im US-Bundesstaat Georgia den Betrieb aufgenommen. Die Anlage von RWE Innogy produziert 750 000 t im Jahr. Im Gegensatz zu europäischen Werken, die jährlich aus Abfallholz um die 100 000 t Pellets herstellen, wird in den USA Stammholz verwendet – vor allem aus Sumpfkiefern, die in dem feuchtwarmen Klima des Südstaates besonders schnell wachsen.

„Holz ist aufgrund der Überschusssituation in den USA wesentlich günstiger als in Europa mit seinen begrenzten Waldflächen“, erklärt Hans Bünting, Geschäftsführer von RWE Innogy. Zudem soll es sich bei Georgia um eine Region handeln, in der die Flächen nachhaltig bewirtschaftet werden.

Rechberger meint, dass schon bald mit der Ausdehnung der Nachhaltigkeitskriterien der Europäischen Union von flüssiger auf feste Biomasse zu rechnen sei. Dann müsste in ganz Europa für Pellets eine Treibhausgasbilanz vorgelegt werden. Viele Experten sehen die EU hier unter Handlungsdruck. Wie Palmöl könnten sonst auch importierte Pellets bald ein in den Augen von Umweltverbänden „schmutziger Energieträger“ werden. CHRISTIAN DANY

 

Ein Beitrag von:

  • Christian Dany

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