6 innovative nachhaltige Materialien für biologisch abbaubare Produkte
Kunstpelze aus Mais, Schuhsohlen aus Bananenschalen, Palmölersatz aus Melasse? Wir stellen Ihnen sechs Materialien vor, die das Zeug dazu haben, die Zukunft nachhaltiger und frei von fossilen Kohlenstoffen zu gestalten.
In vielen Produkten des täglichen Lebens ist nach wie vor Erdöl oder Erdgas enthalten. Um diese Abhängigkeit zu überwinden, braucht es Materialien, welche den fossilen Kohlenstoff ersetzen. Das setzt ein neues Denken in Chemie und Werkstoffen voraus. Wir stellen Ihnen sechs Materialien vor, bei denen fossile durch erneuerbare Kohlenstoffe ersetzt werden. Mit ihnen lassen sich nachhaltige Produkte wie Textilien, Kosmetik, Verpackungen sowie elastische und biologisch abbaubare Materialien für eine Vielzahl von Anwendungen herstellen. Alle Materialien sind für den Innovationspreis „Renewable Material oft the Year 2023“ nominiert. Der Preis wird vom nova-Institut und Covestro als Sponsor verliehen. Der Sieger wird innerhalb der „Renewable Materials Conference“ vom 23. bis 25. Mai 2023 in Siegburg bei Köln ermittelt.
Erneuerbares Material #1 von Avantium Renewable Polymers (Niederlande)
Avantium gilt als einer der Pioniere im Bereich der erneuerbaren und nachhaltigen Chemie. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Amsterdam und beschäftigt rund 200 Mitarbeitende. Als Hauptprodukt entwickelt das Unternehmen PEF (Polyethylenfuranoat). Dabei handelt es sich um einen neuartigen, pflanzenbasierten Kunststoff, der recyclebar und abbaubar ist. Er wird aus FDCA hergestellt, einem Material, das durch Umwandlung von Pflanzenzucker entsteht.
PEF hat ein enormes Potenzial in den Bereichen Verpackung, Textilien und Folien. PEF-Flaschen sind der Grund für die Nominierung zum „Renewable Material of the Year 2023“. Diese sind nicht nur umweltfreundlich, sondern in vielen Bereichen auch anderen Kunststoffen überlegen. Aufgrund ihrer überlegenen Leistung kann PEF auch Glasflaschen, Aluminiumdosen und mehrschichtige Flaschen ersetzen. Eine ISO-zertifizierte Ökobilanz zeigt eine signifikante Verbesserung der CO2-Bilanz im Vergleich zur etablierten PET-Flasche auf fossiler Basis.
Erneuerbares Material #2 von Colipi (Deutschland)
Colipi ist ein Startup, das sich 2022 aus der TU Hamburg entwickelt hat. Das Unternehmen beschäftigt sich mit der Herstellung von CO2-armem Hefeöl als Alternative zum Palmöl, das ein echter Klimakiller ist. Noch immer muss für dessen Herstellung jedes Jahr eine riesige Fläche Regenwald sterben. Das nachhaltige Öl wird durch Fermentation hergestellt. Dabei verwerten Hefen Zucker aus industriellen und landwirtschaftlichen Abfallprodukten wie Melasse oder andere Biomassen und halten dadurch den Stoffwechsel am Laufen.
Nachdem Stickstoff und Phosphate verbraucht sind, stoppt das Wachstum und mit dem verbleibenden Überangebot an Kohlenstoff werden Lipide gebildet. Diese lassen sich isolieren und sind, je nach Hefeart, vielen pflanzlichen Ölen sehr ähnlich. Mit dem „grünen“ Öl lassen sich Palmöl oder Kakaobutter nachempfinden. Die Anwendungsmöglichkeiten sind zahlreich und reichen von Cremes und Seifen bis hin zu Schokolade. Prinzipiell kann das Hefeöl überall dort zum Einsatz kommen, wo heute pflanzliche Öle genutzt werden.
Erneuerbares Material #3 von CavationBio (USA)
Das US-amerikanische Unternehmen CavationBio entwickelt verschiedene, biobasierte Materialien, wie zum Beispiel Sorona®. Das Polymer wird aus dem Zucker von Mais gewonnen und in einem Prozess fermentiert, die der Alkoholherstellung ähnelt. Es ersetzt einen früheren chemischen Prozess durch einen auf Biobasis. Die Einsatzmöglichkeiten des Polymers sind vielfältig, insbesondere lassen sich damit jedoch Textilien, Teppiche oder Kunstpelze herstellen.
Mit den Pelzen auf pflanzlicher Basis lassen sich zum Beispiel pelzgefütterte Schuhe oder Kragenbesätze fertigen. Auch als Jackenfutter oder Ohrenschützer kann der Kunstpelz aus Mais zum Einsatz kommen. Das Material fühlt sich zudem außergewöhnlich weich und natürlich an, so dass es mehr als eine Alternative zu Tierpelzen darstellt. Sorona® erweitert die Grenzen der Nachhaltigkeit in der Mode und bietet den Verbrauchern eine elegante, ethische Wahl, die besser für die Umwelt ist.
Erneuerbares Material #4 von Kuori (Schweiz)
Das Schweizer Cleantech-Startup Kuori entwickelt und vertreibt kreislauffähige Materialien, die zum Beispiel aus Lebensmittelabfällen wie Bananen- oder Nussschalen hergestellt werden. Das 2022 gegründete Unternehmen sieht als eine der ersten Anwendungen Schuhsohlen, wir reiben beim Gehen jährlich jede Menge Mikroplastik ab. Traditionelle Kunststoffe brauchen Hunderte von Jahren, um sich in der Natur abzubauen.
Die aus Abfällen hergestellten Materialien lassen sich hingegen industriell kompostieren und bauen sich innerhalb von 90 Tagen ab. Die erneuerbaren Materialien ermöglichen somit den Schuhherstellern ein zirkuläres Geschäftsmodell. Und auch in anderen Branchen gibt es sicher Einsatzmöglichkeiten für das Gummimaterial, das die gleichen Eigenschaften wie herkömmliches Gummi aufweist. Derzeit tüftelt das Team am Institut für Kunststofftechnik der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg an verschiedenen Zusammensetzungen, um das Material für den gewünschten Gebrauch optimal anzupassen.
Erneuerbares Material #5 von Qore (USA)
Qore ist das Joint Venture von Cargill und Helm, einem in Hamburg ansässigen Familienunternehmen, das im Jahr 1900 gegründet wurde. Das Unternehmen hat mit Qira die nächste Generation von 1,4-Butandiol (BDO) entwickelt – und zwar ein einfach zu verwendendes, biobasiertes BDO, das aus nachwachsenden Rohstoffen wie zum Beispiel Mais hergestellt werden. Das Material ist in der Lage, die CO2-Emissionen im Vergleich zu Materialien, die auf fossilem BDO basieren, erheblich zu reduzieren.
1,4-Butandiol ist ein wichtiges Zwischenprodukt der chemischen Industrie. Es dient als Ausgangsstoff für zahlreiche Folgeprodukte wie Polyester, Polyamide und Polyurethane. Die Anwendungsmöglichkeiten sind dementsprechend vielfältig. Die bio-basierten Kunststoffe, Polyurethanbeschichtungen, Dichtungsmittel oder Kunstleder können zum Beispiel in der Textil- oder Automobilbranche verwendet werden, aber auch für Verpackungen und Elektronik. Hergestellt wird Qira durch die Fermentation von pflanzlichem Zucker.
Erneuerbares Material #6 von traceless Materials (Deutschland)
Traceless Materials ist ein im Jahr 2020 in Hamburg gegründetes Unternehmen, das sich mit der Entwicklung einer neuen Generation von plastikfreien Materialien beschäftigt. Konkret geht es um die Herstellung von natürlichen Biopolymeren aus Rückständen der Agrarindustrie. Anstatt neue Polymermoleküle synthetisch herzustellen, nutzt das Unternehmen welche, die bereits von der Natur produziert wurden. Das als traceless bezeichnete Basismaterial in Granulatform kann als Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen und Biokunststoffen verwendet werden. Qualität und Funktionalität sollen hierbei absolut konkurrenzfähig sein.
Die traceless Materialien lassen sich zu flexiblen Folien, Hartmaterialien, Beschichtungen und Klebstoffen verarbeiten. Sie eignen sich für flexible und starre Verpackungen, für Einwegprodukten, Produkten mit hohem Abrieb, Papier- und Kartonbeschichtungen oder Klebstofflösungen. Gleichzeitig ist traceless unter natürlichen Bedingungen kompostierbar. Für den biologischen Abbau benötigen sie keine industriellen Kompostierungsbedingungen, sondern sind zu Hause kompostierbar.
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