Zug um Zug aus der Krise 03.11.2025, 13:00 Uhr

Neustart bei DB Cargo: Wege zu mehr Wettbewerbsfähigkeit

Die DB Cargo hat ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren. Mit neuen Köpfen und Konzepten soll der Weg aus der Krise gelingen.

Güterzug

Mehr Güter auf die Schiene: Was der neue Cargo-Chef jetzt ändern muss.

Foto: picture alliance / Jens Niering | Jens Niering

Es ist eine dieser Entscheidungen, bei der man spürt: Jetzt geht es ums Ganze. Die Deutsche Bahn hat in den vergangenen Tagen und Wochen ihren Vorstand neu aufgestellt. Mit Evelyn Palla an der Spitze und Bernhard Osburg als neuem Chef der Gütersparte DB Cargo soll der chronisch schwächelnde Güterverkehr endlich wieder auf Kurs kommen. Der Neustart gilt als überfällig – und als Bewährungsprobe für den gesamten Konzern.

Noch im Sommer 2025 lag der Güterumschlag der Bahn rund 10 % unter dem Vorjahr. Der Umsatz fiel auf 2,5 Milliarden Euro. Zugleich wuchs der Druck aus Brüssel: Nach einem Beschluss der EU-Kommission muss DB Cargo bis Ende 2026 profitabel sein. Sonst droht die Zerschlagung.

„Die Deutsche Bahn steht vor einem einschneidenden Neuanfang“, sagt Aufsichtsratschef Werner Gatzer. „Mit Bernhard Osburg gewinnen wir eine Persönlichkeit, die Tempo machen und die zum geplanten Aufbruch passende Expertise mitbringen soll.“

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Der neue Mann im Führerstand

Bernhard Osburg, früher Chef der Stahlsparte von Thyssenkrupp, gilt als jemand, der anpackt. Als er 2024 im Streit über die Konzernstrategie ging, war er längst bekannt für seinen direkten Stil. Jetzt soll er DB Cargo aus der Dauerkrise führen – eine Aufgabe, die seine Vorgängerin Sigrid Nikutta nicht lösen konnte.

Ihr Sanierungskonzept fiel in einem Gutachten der Strategieberatung Oliver Wyman glatt durch. Die Expertinnen und Experten bescheinigten ihm, es sei „nicht objektiv geeignet, eine nachhaltige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der DB Cargo AG sicherzustellen“. Kurz darauf zog die Bahn die Reißleine.

Osburg übernimmt damit nicht nur ein Unternehmen mit mehr als 18.000 Beschäftigten, sondern auch eine Mammutaufgabe: Er muss das Vertrauen der Belegschaft zurückgewinnen – und gleichzeitig ein Geschäftsmodell reparieren, das seit Jahren unter den eigenen Strukturen ächzt.

Zwischen Waggons und Widerständen

Denn das eigentliche Problem liegt tiefer. DB Cargo ist ein Konzern im Konzern – gebunden an die Vorgaben des Mutterhauses, belastet durch interne Gebühren und über Jahrzehnte gewachsene Strukturen. Während private Wettbewerber gezielt profitable Ganzzüge einsetzen, bedient die Bahn auch den aufwendigen Einzelwagenverkehr. Dabei werden einzelne Waggons aus verschiedenen Richtungen zusammengeführt, sortiert und zu Zügen zusammengestellt.

„Der Einzelwagenverkehr ist personal- und kostenintensiv – und wirtschaftlich kaum tragfähig, obwohl er ein zentraler Bestandteil der Versorgung vieler Industriebetriebe ist“, sagt Prof. Dr. Tjark Siefkes vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in einem Statement gegenüber dem Science Media Center (SMC).

Hinzu kommen hohe Fixkosten, interne Gebühren und die Priorität des Personenverkehrs, die immer wieder zu Umwegen und Wartezeiten führt. „Die häufige Unterauslastung von Zügen und Wagen verschlechtert die Wirtschaftlichkeit zusätzlich“, so Siefkes weiter.

Trotzdem ist dieser Bereich systemrelevant. Würde DB Cargo ihn aufgeben, müsste ein erheblicher Teil der Transporte auf die Straße verlagert werden – mit mehr Verkehr, höheren Emissionen und zusätzlichen Belastungen für die Infrastruktur.

Vom Sanierungsfall zur Zukunftsfrage

DB Cargo schreibt seit Jahren rote Zahlen. Die bisherigen Rettungsversuche – Personalabbau, Fahrzeugverkäufe, Werkstattschließungen – haben die Bilanz geschönt, aber das Problem nicht gelöst. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) spricht von einem „planlosen Schrumpfen“. Sie fordert ein Umdenken.

„Ohne DB Cargo wird es keine erfolgreiche Verkehrswende geben“, heißt es in einem Positionspapier der EVG. Die Gütersparte ersetze allein im Einzelwagenverkehr täglich über 40.000 Lkw-Fahrten. Rund 80 % weniger CO₂ pro Tonnenkilometer verursache die Schiene im Vergleich zum Lkw.

Für die Gewerkschaft steht fest: Der Güterverkehr auf der Schiene ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein gesellschaftliches Thema. Es geht um Versorgungssicherheit, Industriepolitik und Klimaschutz gleichermaßen.

Die Last der Vergangenheit

Dass die Bahn in der Gütersparte nicht vorankommt, hat auch technische Gründe. Viele Abläufe stammen noch aus dem letzten Jahrhundert. Während die Schraubenkupplung in Europa weiter Standard ist, sind automatische Systeme anderswo längst Alltag.

„Wir haben es mit einem über 100 Jahre alten Innovationsstau zu tun“, sagt Prof. Dr. Ullrich Martin vom Verkehrswissenschaftlichen Institut der Universität Stuttgart dem SMC. Schon um 1900 sei klar gewesen, dass die Schraubenkupplung nur eine Übergangslösung sei. „Aber sie hat bis heute überlebt.“

Jetzt soll die Digitale Automatische Kupplung (DAK) Abhilfe schaffen. Sie verbindet nicht nur Waggons automatisch, sondern überträgt auch Daten. Das beschleunigt das Rangieren, verringert Personalbedarf und macht längere Züge möglich. „Damit lassen sich Umlaufzeiten verkürzen und die Rentabilität des Einzelwagenverkehrs deutlich steigern“, erklärt Martin.

Wenn die Technik funktioniert – und flächendeckend eingeführt wird –, könnte sie das Rückgrat einer neuen Effizienz bilden. Derzeit wird die DAK in Pilotprojekten getestet. Ihr Erfolg entscheidet mit darüber, ob die Güterbahn wieder wettbewerbsfähig wird.

Innovation auf Schienen – aber bitte mit Plan

Auch das DLR sieht in der Digitalisierung eine Chance. Intelligente Dispositionssysteme, automatisierte Rangierbahnhöfe und digitale Wagenüberwachung könnten die Produktivität deutlich erhöhen. „Kurzfristig können durch digitale Dispositionen Züge besser ausgelastet werden“, sagt Siefkes. Kooperationen mit Logistikpartnern oder andere Bahnunternehmen könnten zusätzliche Synergien schaffen.

Langfristig gehe es aber um mehr: um Investitionen in die Infrastruktur, den Ausbau von Güterterminals, Elektrifizierung wichtiger Routen und europäische Interoperabilität. „Wenn Lokwechsel an Grenzen entfallen, spart das Zeit und Kosten“, so Siefkes.

Auch Prof. Dr. Bert Leerkamp von der Bergischen Universität Wuppertal sieht in der Digitalisierung einen entscheidenden Hebel – mahnt aber in einem Statement gegenüber dem SMC zur Geduld: „Kurzfristige Erwartungen halte ich für unangebracht. Gäbe es diese Potenziale in nennenswertem Maße, hätte das DB-Cargo-Management sie sicher längst genutzt.“

Viele Probleme, so Leerkamp, seien strukturell: alte Güterwagen, fehlende Kupplungen, mangelnde Investitionen. „Das alles auszubessern, erfordert viel Zeit und große Investitionen.“

Aufbruch mit neuen Gesichtern – und alten Aufgaben

Mit Osburg, Dohm und van Zijderveld hat die Bahn nun ein Trio, das frischen Wind bringen soll. Aufsichtsratschef Gatzer spricht von „einem Team, das Tempo machen kann“. Doch selbst mit einem neuen Vorstand wird der Weg lang.

Die EVG mahnt: Effizienz dürfe kein anderes Wort für Personalabbau sein. „Die Mitarbeitenden bei der DB Cargo haben für leere Berater-Worthülsen ein feines Gespür“, heißt es aus der Gewerkschaft. „Wer auf Zukunft setzt, wird dagegen die Belegschaft trotz schmerzhafter Monate hinter sich wissen.“

Die Forderungen der Gewerkschaft klingen nach einem klaren Fahrplan: weniger Bürokratie, bessere Abstimmung zwischen Betrieb und Management, und vor allem – endlich umsetzen, was seit Jahren angekündigt wird.

Der Blick nach vorn: Mehr Güter, weniger Ausreden

Die politischen Erwartungen sind hoch. Der Bund will den Anteil der Schiene am Güterverkehr bis 2030 auf 25 % erhöhen. Heute liegt er bei rund 19 %. Das klingt machbar, doch in der Praxis ist jeder Prozentpunkt ein harter Kampf.

„Klimaschutz durch Verlagerung auf die Bahn ist keine besonders effiziente Lösung, gemessen in Euro je Tonne CO₂-Einsparung“, sagt Leerkamp. Schneller und günstiger gehe es durch die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs. Dennoch sei der Einzelwagenverkehr für die Industrie unverzichtbar – und damit auch die Unterstützung durch den Staat.

Förderprogramme, Trassenpreisnachlässe und gezielte Investitionen könnten helfen, die Schiene wieder konkurrenzfähig zu machen. Doch Geld allein reicht nicht. Es braucht klare Zuständigkeiten, verbindliche Ziele – und Mut zu Entscheidungen.

„Wir haben es in der Hand“, sagt Prof. Martin. „Wir müssen entscheiden, ob wir künftig das weltweit größte technische Museum mit öffentlichen Mitteln betreiben oder die Potenziale eines modernen Bahnsystems wirklich nutzen wollen.“

Hoffnung auf den zweiten Frühling

Ob Osburg diesen Wandel schafft, ist offen. Aber der Zeitpunkt könnte kaum günstiger sein: Die Bahn steht ohnehin vor einer Generalüberholung – organisatorisch, technisch und finanziell. Der neue Vorstand könnte also tatsächlich mehr bewegen als bloß Waggons.

Wenn Digitalisierung, Automatisierung und eine neue Unternehmenskultur zusammenkommen, wäre das mehr als ein Neustart. Es wäre der Versuch, das jahrzehntelange Versprechen der Schiene einzulösen: Güter zuverlässig, klimafreundlich und wirtschaftlich zu bewegen – nicht nur auf dem Papier, sondern auf der Strecke.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Bahn dieses Mal wirklich die Weichen richtig stellt. Noch ist der Zug nicht abgefahren. (mit Material der dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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