Kreislaufwirtschaft als Überlebensmodell der Autoindustrie
Wie Kreislaufwirtschaft Autos verändert: R-Strategien, neue Materialien und digitale Konzepte machen Fahrzeuge zirkulär und ressourcenschonend.
Recycling reicht nicht: Circular Cars und R-Strategien zeigen, wie die Autoindustrie Ressourcen spart und neue Wertschöpfung schafft.
Foto: Smarterpix / zhuzhu
Die Kreislaufwirtschaft beschreibt grundsätzlich erst einmal ein nachhaltiges Wirtschaftssystem, in dem Materialien und Produkte möglichst lange genutzt, wiederverwendet und recycelt werden. In der Automobilindustrie steht dahinter das Konzept des „Circular Car“. Gemeint ist ein Fahrzeug, das komplett wiederverwendet werden kann und dessen Produktion bereits auf minimalen Einsatz neuer Rohstoffe ausgelegt ist.
Inhaltsverzeichnis
- Wertstoffverlust reduzieren
- Ursprung der Kreislaufwirtschaft
- Ist die Kreislaufwirtschaft ein Trend oder ein echter Wandel?
- Kreislaufwirtschaft ist mehr als Recycling: Die R-Strategien
- Neue Geschäftsmodelle durch die R-Strategien
- Kreislaufwirtschaft für Verbrenner und Elektroautos?
- Welche Komponenten eines Fahrzeugs lassen sich für die Kreislaufwirtschaft nutzen?
- Beispiele aus der Praxis
- Kreislaufwirtschaft auch in der Zuliefererbranche angekommen
- Warum ist eine Kreislaufwirtschaft für die Automobilindustrie sinnvoll?
Wertstoffverlust reduzieren
Das Design und die Entwicklung der Fahrzeuge haben dementsprechend das Ziel, den Wertstoffverlust zu reduzieren und die Wiedergewinnung von Komponenten zu erleichtern. Branchenweit wird die Kreislaufwirtschaft nicht mehr nur als Abfallmanagement betrachtet, sondern als ganzheitlicher Ansatz für Wertschöpfung und Ressourcenschonung.
Im Februar 2025 hat der Expertenkreis Transformation der Automobilwirtschaft (ETA) eine Handlungsempfehlung herausgebracht, in der die Chancen und aktuellen Herausforderungen beschrieben werden, die mit der Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft einhergehen.
Ursprung der Kreislaufwirtschaft
Die Idee der Kreislaufwirtschaft ist eng mit der Entwicklung nachhaltiger Produktionsmodelle in der Industrie verbunden. Erste Überlegungen hierzu entstanden mit den Forderungen nach effizienter Rohstoffnutzung und Recycling, insbesondere ab dem späten 20. Jahrhundert.
Für Automobilhersteller und Zulieferbetriebe bedeutet Kreislaufwirtschaft, die Recyclingfähigkeit bereits im Designprozess zu berücksichtigen und Komponenten so weit wie möglich aus Sekundärrohstoffen herzustellen. Unternehmen wie BMW und Volvo zeigen bereits, dass bis zu 50 % recycelte Kunststoffe und Materialien in neue Fahrzeuge integriert werden können.
Ist die Kreislaufwirtschaft ein Trend oder ein echter Wandel?
Die Kreislaufwirtschaft ist in der Automobilindustrie längst mehr als ein kurzfristiger Trend. Sie setzt einen grundlegenden Wandel voraus, der das Umdenken in den Unternehmen fördert. Es erfordert viel Entwicklungsarbeit, recycelte Materialien zu verwenden, die Demontage alter Fahrzeuge zu optimieren und Shared Reverse Supply Chains zu implementieren. Man kann also sagen, dass die Branche an einer nachhaltigen Transformation arbeitet. Dazu gehört es übrigens auch, den Lebenszyklus der Produkte grundsätzlich zu verlängern. Die Umwelt profitiert davon auf mehrere Ebenen..
Dem ETA entsprechend beinhaltet die Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie die Bereiche:
- Reduktion von Treibhausgasemissionen
- Schonung der Biodiversität und größere soziale Nachhaltigkeit
- Geopolitische Resilienz und Diversifizierung von Materialquellen
Kreislaufwirtschaft ist mehr als Recycling: Die R-Strategien
Um die Kreislaufwirtschaft auf eine solide Basis zu stellen, wurden die sogenannten R-Strategien entwickelt. Im Bereich der Intelligenteren Produktnutzung und -herstellung sind die ersten drei Strategien angesiedelt:
- R0 Refuse: Dahinter steht das Ziel, bestimmte Produkte überflüssig zu machen (beispielsweise Fahrzeuge, die nicht nachhaltig produziert wurden) oder sogar ganz auf Produkte zu verzichten.
- R1 Rethink: Produkte sollen intensiver genutzt werden, zum Beispiel durch das Teilen.
- R2 Reduce: Eine größere Effizienz bei der Herstellung wird angestrebt, in Form von geringerem Ressourcen- und Materialverbrauch.
In den nächsten Stufen geht es um eine längere Lebensdauer des Produkts und seiner Komponenten:
- R3 Reuse zielt auf die Wiederverwendung ab.
- R4 Repair setzt auf Wartung und Reparatur.
- R5 Refurbish unterstützt die Wiederherstellung.
- R6 Remanufacture ermöglicht es, Teile eines ausrangierten Produktes in einem neuen Produkt mit gleicher Funktion weiterzuverwenden.
- R7 Repurpose bedeutet, dass die Teile verwendet werden, aber in einem neuen Produkt mit anderer Funktion. Das ist der Unterschied zu R6.
- R8 Recycle beschreibt die Idee, Materialien wieder zu verarbeiten bei gleicher oder etwas niedriger Qualität.
- R9 Recover ist die letzte Stufe. Dabei handelt es sich um die Materialverbrennung mit Energierückgewinnung.
Neue Geschäftsmodelle durch die R-Strategien
Für die Automobilbranche sind die Stufen R0 und R1 mit einem Paradigmenwechsel verbunden. Denn sie widersprechen im Grunde genommen dem bisherigen Ansatz der Hersteller, möglichst viele Autos zu verkaufen. Viele Unternehmen haben daher bereits angefangen, von dieser traditionellen Marschrichtung abzuweichen und sich neue Erlösquellen zu erschließen, etwa im Bereich des Teilens (R1).
Das Schlagwort lautet Mobility-as-a-Service (MaaS): Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz investieren massiv in Mobilitätsdienste wie Carsharing, Ride-Hailing und autonome Fahrdienste. Volkswagen Nutzfahrzeuge ist beispielsweise im VW-Konzern Leitmarke für MaaS und entwickelt autonome Robo-Taxis auf Basis des ID.BUZZ.
Neue Geschäftsfelder entstehen außerdem durch die Rücknahme, Aufbereitung und den Wiederverkauf von Fahrzeugkomponenten, also Aftermarket- und Remanufacturing-Services. Pay-per-use-Modelle und Werkstattnetzwerke für die Kreislaufwirtschaft könnten kontinuierliche Einnahmequellen über den gesamten Produktlebenszyklus eröffnen und trotzdem dem Nachhaltigkeitsgedanken gerecht werden.
Die Stufen R3 bis R7 konzentrieren sich wiederum auf eine Verlängerung der Lebensdauer – sowohl einzelner Komponenten als auch des gesamten Fahrzeugs. In den letzten beiden Stufen liegt der Fokus darauf, Rohstoffe aus alten Fahrzeugen effizient zurückzugewinnen und wieder in den Produktionskreislauf einfließen zu lassen.
Kreislaufwirtschaft für Verbrenner und Elektroautos?
Die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft gelten für beide Fahrzeugtypen, allerdings mit unterschiedlichen Herausforderungen. Bei Elektroautos geht es verstärkt um Komponenten wie Hochvolt-Batterien (HV), deren Zyklusführung besonders kritisch ist.
Bei Verbrennerfahrzeugen liegt der Fokus auf klassischen Materialien wie Stahl und Aluminium. Unternehmen wie Volkswagen wollen ab 2040 40 Prozent Kreislaufmaterialien in neuen Fahrzeugen einsetzen. Die Innovationen reichen von Rohstoffrückgewinnung bei Akkus bis zum Recycling ganzer Fahrzeuge, sodass beide Varianten gleichermaßen von einer nachhaltigen Prozesskette profitieren können.
Welche Komponenten eines Fahrzeugs lassen sich für die Kreislaufwirtschaft nutzen?
Karosserie, Fahrwerk, Komponenten des Antriebsstrangs, Rahmen, Batterien, Sitze, Verkleidungen, Schaumstoffe, Reifen – in nahezu allen Ebenen eines Fahrzeugs gibt es Teile, die für die Kreislaufwirtschaft geeignet sind. Die Metalle aus unter anderem der Karosserie, dem Fahrwerk und Trägern lassen sich in Metallrecyclingströme überführen. Energieeinsatz und CO2-Ausstoß verringern sich dadurch ebenfalls.
Bei Motoren und Getriebe handelt es sich vor allem um standardisierte Baugruppen, wodurch eine hohe Energieeinsparung möglich ist. Batterien sind durch ihren Materialwert schon interessant für die Wiederverwendung. Zahlreiche Hersteller arbeiten deshalb an einer entsprechenden Recyclingstruktur. Bei Kunststoffen sowie Textilien und Fasern macht es die Masse. Sie kommen vielfach zum Einsatz, weshalb sich ein Recycling auch finanziell lohnt. Hier ist es die Zuliefererbranche, die sich bereits mit entsprechenden Materialkonzepten beschäftigt und schon einsetzt.
Beispiele aus der Praxis
Mercedes-Benz hat 2024 in Deutschland eine eigene Recyclingfabrik eröffnet. Hier werden Batterien aus E-Autos in ihre Einzelteile zerlegt, um wertvolle Rohstoffe wie Lithium, Nickel und Kobald wiederzuverwerten. BMW hat dies in China bereits 2022 initiiert und einen geschlossenen Kreislauf für diese Rohstoffe entwickelt. Eine Modernisierung der Fahrzeuglackiererei am Standort Dingolfing sorgt zudem für eine erhebliche Reduzierung der Emissionen.
Nissan betreibt mit einem Partner ein Joint Venture, um sowohl Fahrzeugkomponenten sowie Batterien systematisch in den Materialkreislauf zurückzuführen. Renault treibt mit dem eigens dafür gegründeten Unternehmen „The Future is NEUTRAL“ ebenfalls den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft voran. Ziel ist eine Car-to-Car-Lösung – ein möglichst großer Anteil eines Fahrzeugs am Ende seines Lebenszyklus soll in neue Autos einfließen.
Porsche hat im Rahmen eines Pilotprojekts gezeigt, wie Materialien aus einem alten Fahrzeug wiederverwendet werden können. Statt die Mischung aus zerkleinerten Teilen zu verbrennen, wurde sie recycelt. Entstanden sind dabei Lenkräder.
Kreislaufwirtschaft auch in der Zuliefererbranche angekommen
Auch in der Zuliefererbranche ist die Kreislaufwirtschaft ein relevantes Thema. Continental beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren damit und konnte erste Erfolge erzielen: Möglich sind beispielsweise recycelte Oberflächen für den Fahrzeuginnenraum sowie alternative Materialien wie Speiseöl bei der Herstellung von Reifen.
Die Firma Entec-Stravon stellt Felgen für den Automobilhersteller BMW her. Ein neu entwickeltes Verfahren, das Turbu-Druck-Gießen, soll den Produktionsprozess von Alurädern in die Zukunft führen. Der Energieeinsatz verringert sich dadurch etwa um die Hälfte und es wird etwa ein Viertel weniger Rohmaterial benötigt.
Warum ist eine Kreislaufwirtschaft für die Automobilindustrie sinnvoll?
Für Unternehmen in der Automobilindustrie ist die Kreislaufwirtschaft längst zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Komponenten werden immer teurer. Diese Verteuerung lässt sich nicht eins zu eins auf den Kaufpreis eines Fahrzeugs aufschlagen. Wollen die Automobilhersteller also nicht zunehmend sinkende Margen in Kauf nehmen, müssen sie ihren Design- und Produktionsprozess anpassen.
Hinzu kommen strengere Auflagen seitens der Politik und der EU, Schwierigkeiten bei Rohstoffen und die Erwartung von Kundinnen und Kunden, dass Fahrzeuge künftig nachhaltiger und umweltschonender sind. Der digitale Batterie-Pass, der 2027 umgesetzt sein soll, ist ein Beispiel für neue Regularien, die besonders auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft abzielen. Mit dem Pass soll es möglich werden, den gesamte Lebenszyklus der Batterie zu dokumentieren. Es geht also um mehr Transparenz von der Produktion über die Nutzung bis hin zum Recycling.
Insgesamt ist die Kreislaufwirtschaft für die Automobilindustrie eine Möglichkeit, sich zukunftsfähiger aufzustellen. Das Auto hat für jüngere Generationen einen deutlich anderen Stellenwert. Die Kreislaufwirtschaft ist hier sicherlich ein Hebel, um sich künftig diese Zielgruppen als Käufer zu sichern.
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