Radnabenmotor macht es möglich 15.12.2025, 20:16 Uhr

Gelenkiger Chinese: Der Geely EX5 kann alle Räder um 90 Grad drehen

Geely zeigt im EX5 eine neue Antriebstechnik: Alle Räder lassen sich um 90 Grad drehen. Das ermöglicht Seitwärtsfahren und Wenden auf der Stelle.

Der Geely EX5 auf der Thailand International Expo

Der Geely EX5 Anfang Dezember auf der Thailand International Expo. Ein Demofahrzeug kommt mit Radnabenmotor und Rädern, die sich um 90 Grad drehen lassen.

Foto: picture alliance / Sipa USA | Teera Noisakran

Der chinesische Autobauer Geely demonstriert eine neue Dimension der Beweglichkeit. An einem modifizierten Prototyp des EX5 zeigt der Konzern, wie unabhängige Radnabenmotoren das Einparken revolutionieren könnten. Doch die Technik fordert Kompromisse beim Bauraum.

Radnabenmotoren als Schlüsseltechnologie

Das technische Herzstück dieser Innovation unterscheidet sich grundlegend von konventionellen Antriebssträngen. Anstatt einer zentralen E-Maschine pro Achse, die über Wellen die Räder antreibt, setzt Geely bei diesem Versuchsträger auf Motoren, die direkt in den Radeinheiten integriert sind.

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Diese Architektur entkoppelt die Räder mechanisch voneinander. Das Resultat ist eine unabhängige Ansteuerung jedes einzelnen Rades. Das System erlaubt es, jedes Rad um bis zu 90 Grad einzuschlagen. Für Sie als technikinteressierten Beobachter wird schnell klar: Hier geht es um mehr als nur einen kleinen Wendekreis. Das Fahrzeug kann sich omnidirektional bewegen.

Manövrieren auf dem Bierdeckel

Die im Video gezeigten Manöver erinnern eher an Robotertechnik als an klassischen Automobilbau. Durch die 90-Grad-Stellung aller vier Räder beherrscht der EX5 das Wenden auf der Stelle – den sogenannten „Tank Turn“. Die Räder der Vorder- und Hinterachse drehen sich dabei gegenläufig oder in unabhängige Richtungen.

Noch relevanter für den urbanen Alltag dürfte der „Krebsgang-Modus“ (Crab Walk) sein. Das Fahrzeug bewegt sich dabei komplett seitwärts, ohne die Ausrichtung der Karosserie zu ändern. Das Einparken in Längslücken reduziert sich damit auf einen simplen Seitwärtsschub. Sie fahren parallel zur Lücke, drehen die Räder quer und gleiten hinein. Auch das Ausfahren aus engen Parklücken verliert so seinen Schrecken.

Geely-Vertreter betonen zudem einen Sicherheitsaspekt abseits der Parkplatzsuche. Die Antriebseinheit soll die „Stabilität des Autos auf rutschigen Straßen und bei starkem Wind“ gewährleisten, da das System blitzschnell auf Traktionsverluste an einzelnen Rädern reagieren kann.

Steuerung per Handschuh – vorerst

Interessant ist der Blick auf die Mensch-Maschine-Schnittstelle. Im gezeigten Demonstrationsvideo steuert ein Bediener das Fahrzeug nicht über ein Lenkrad, sondern über einen speziellen Handschuh. Diese gestengesteuerte Fernbedienung dient aktuell jedoch nur zu Demonstrationszwecken.

Geely plant, diese Funktion in Zukunft auf Verbraucherelektronik zu übertragen. Sie könnten Ihr Fahrzeug künftig per Smartphone oder Smartwatch von außen in eine Parklücke zirkeln lassen. Dies deutet auf eine fortschrittliche Drive-by-Wire-Technologie hin, bei der keinerlei mechanische Verbindung mehr zwischen Lenkrad und Rädern besteht.

Technische Hürden und Bauraumverlust

Trotz der optisch eindrucksvollen Demonstration sollten Sie die technische Realisierbarkeit in der Großserie kritisch betrachten. Die Integration von Motoren und Lenkmechanik direkt am Rad erhöht die ungefederten Massen erheblich, was traditionell Nachteile beim Fahrkomfort mit sich bringt.

Ein weiteres Problem offenbart sich beim genauen Hinsehen am Prototyp:

  • Vergrößerte Radkästen: Um den Rädern Platz für die 90-Grad-Drehung zu geben, musste die Karosserie, insbesondere an der Hinterachse, modifiziert werden.
  • Innenraumverlust: Die weit nach innen ragenden Radhäuser beschneiden den Platz im Fond massiv.
  • Abgeklebte Scheiben: Die Fenster des Prototyps waren mit schwarzer Folie verhüllt.

Beobachter von CarNewsChina vermuten, dass der Hersteller „möglicherweise die Rücksitze aus dem Innenraum entfernt hat“. Dies wäre ein logischer Schritt, da die Mechanik tief in die Fahrgastzelle eindringt. Für ein Familien-SUV wäre dies im Serienzustand ein K.O.-Kriterium. Zudem wurden im Video Teile der Radkästen unscharf maskiert – ein Indiz dafür, dass Geely bestimmte Detaillösungen vor der Konkurrenz schützen möchte.

Einordnung: Nicht der erste Versuch

Technologisch steht Geely mit diesem Ansatz nicht allein da. Auch der südkoreanische Zulieferer Hyundai Mobis experimentiert mit dem „e-Corner System“, das ähnliche Bewegungen ermöglicht. Auch der GMC Hummer EV beherrscht einen „Crab Walk“, wenngleich mit geringeren Lenkwinkeln. Die Herausforderung bleibt jedoch stets dieselbe: Wie bringt man die komplexe Mechanik unter, ohne den Nutzwert des Fahrzeugs zu zerstören?

Die Basis: Der Geely EX5

Um das gezeigte Fahrzeug besser einordnen zu können, lohnt ein Blick auf das Serienmodell. Der reguläre Geely EX5 (in China als Galaxy E5 vertrieben) basiert auf der modularen GEA-Architektur. Er ist die Speerspitze der globalen Exportstrategie des Konzerns.

Hier die technischen Eckdaten des Serienmodells im Überblick:

  • Maße: 4615 mm Länge, 1901 mm Breite, 1670 mm Höhe.
  • Radstand: 2750 mm.
  • Antrieb: Frontantrieb mit 160 kW (215 PS).
  • Batterie: 60,2 kWh Kapazität.
  • Reichweite: Ca. 430 km (WLTP).
  • Preis (China): Umgerechnet zwischen 13.000 und 22.000 Euro.

Interessant für den globalen Markt: Der malaysische Hersteller Proton fertigt das Modell als Proton eMas 7. Ob und wann die 90-Grad-Technologie jedoch den Sprung vom Prototyp in eines dieser Serienmodelle schafft, ließen die Verantwortlichen offen.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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