Fährt Evelyn Palla die Deutsche Bahn aus der Krise?
Evelyn Palla ist die erste Frau an der Spitze der Deutschen Bahn – ein Blick auf ihre Karriere, Erfolge und die Herausforderungen, die auf sie warten. „Wir drehen den Konzern auf links“, kündigte sie an.
velyn Palla soll die Deutsche Bahn übernehmen – erste Frau an der Konzernspitze.
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Umfassende Modernisierung der Deutschen Bahn geplant
Evelyn Palla, die neue Chefin der Deutschen Bahn, plant eine umfassende Umstrukturierung des Konzerns, um die Qualität des staatlichen Unternehmens spürbar zu steigern.
„Wir drehen den Konzern auf links: Ich setze auf einen kompletten Neuanfang“, sagte Palla der „Bild am Sonntag“. „Dafür müssen wir alles anders machen als vorher.“
Viele unzufriedene Bahnkunden dürften auf schnelle Erfolge bei der Sanierung der Deutschen Bahn hoffen. Im ersten Halbjahr war mehr als ein Drittel der Fernzüge des Unternehmens unpünktlich unterwegs. Evelyn Palla erklärte gegenüber der „Bild am Sonntag“, dass man die Kundinnen und Kunden leider um Geduld bitten müsse und die Modernisierung der Bahn ein Marathon und kein Sprint sei.
Nach ihren Worten sollen schmutzige Züge, schmuddelige Bahnhöfe und geschlossene oder defekte Bordbistros in Zukunft der Vergangenheit angehören. Sie betonte, dass Züge und Bahnhöfe die Visitenkarte des Unternehmens seien und das Ziel klar sei: Sie werde sich um mehr Sauberkeit und Komfort kümmern, damit die Fahrgäste die Züge möglichst angenehm erleben könnten. Zudem kündigte Palla an, dass Bahnkunden künftig einen digitalen „Baustellen-Melder“ nutzen könnten, um ihre Reisen besser planen zu können.
Palla will die Führungsspitze und Top-Manager neu ordnen
„Mein Anspruch ist, weniger Bürokratie bei der Bahn und deutlich mehr Raum für Macherinnen und Macher zu schaffen. Entscheidungen werden zukünftig dort getroffen, wo die Verantwortung liegt, und nicht drei Etagen höher“, sagte die neue Bahnchefin.
Sie erklärte, dass sie jeden Job auf den Mehrwert für die Kundinnen und Kunden überprüfen werde und die Verwaltung dem Eisenbahner dienen müsse. Den „Machern vor Ort“ zufolge sollten künftig sie die entscheidende Rolle im Unternehmen übernehmen. Sie betonte, dass sie das Rückgrat des Unternehmens seien und ebenfalls einen Neuanfang verdienten.
Bereits Mitte August tauchte ihr Name in Spekulationen über die Nachfolge von Richard Lutz an der Spitze der Deutschen Bahn auf: Evelyn Palla arbeitet seit 2019 beim bundeseigenen Unternehmen, zunächst als Finanzvorständin bei DB Fernverkehr, seit Juli 2022 als Leiterin des Regionalverkehrs. Nun wurde bekannt, dass die gebürtige Südtirolerin die neue Konzernchefin wird – als erste Frau in dieser Position. (jetzt offiziell bestätigt).
Evelyn Palla: Aufstieg zur Chefin des Regionalverkehrs
Evelyn Palla, Jahrgang 1973, kennt die Bahnbranche gut. Von 2011 bis 2019 arbeitete sie bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die wie die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) als Vorreiter im Schienenverkehr gelten.
Seit drei Jahren leitet Palla den Regionalverkehr der Deutschen Bahn. Rund 780.000 Zugfahrten – inklusive aller S-Bahnen – finden so jeden Monat statt. Zwar hat die Pünktlichkeit zuletzt leicht nachgelassen, aber sie blieb insgesamt stabil.
Unter Pallas Führung erzielte DB Regio im ersten Halbjahr 2025 einen operativen Gewinn von 103 Millionen Euro, nachdem im gleichen Zeitraum 2024 noch ein großes Minus stand. Für die Bahn ist das ein kleiner Erfolg inmitten vieler Herausforderungen für Kunden und Management.
Deutsche Bahn kämpft mit Verspätungen, Baustellen und hohen Verlusten
Die Deutsche Bahn hat große Probleme mit ihrer alten Infrastruktur. Kaputte Gleise und Baustellen bremsen die Züge aus, führen zu Verspätungen und frustrieren die Fahrgäste. Da fast das gesamte 33.000 Kilometer lange Schienennetz betroffen ist, wird es noch lange dauern, bis sich die Lage bessert. Hoffnung setzt die Bahn auf die Sanierung von über 40 wichtigen Strecken bis 2036.
Besonders im Fernverkehr ist die Pünktlichkeit niedrig: Im August kamen nur knapp 60 Prozent der Züge pünktlich an. Baustellen und Störungen behindern den Ablauf, fast jeder Zug fährt derzeit mindestens einmal durch eine Baustelle.
Auch wirtschaftlich läuft es schlecht. Trotz leichter Verbesserungen steht die Bahn nach dem ersten Halbjahr 2025 immer noch mit 760 Millionen Euro in den roten Zahlen. Um Kosten zu senken, sollen Tausende Stellen gestrichen werden. Die Verwaltung des Konzerns muss sich zudem stark verändern, was zusätzlich für Unruhe sorgt.
„Wir nehmen heute den Taktstock für eine neue Ära in die Hand. Eine Ära, in der wir uns wieder auf das konzentrieren, was uns im innersten Kern ausmacht: das Eisenbahngeschäft“, zitiert die dpa Palla bei ihrer Vorstellung in Berlin. „Wir räumen auf“, sagte die Südtirolerin.
Die Bahn muss sich grundlegend erneuern und ein verlässlicher, lösungsorientierter Partner für Bund, Länder und Kommunen werden. Bürokratie, Doppelstrukturen und überflüssige Beteiligungen sollen abgebaut werden. Die Bahn muss mutiger, klarer und schneller handeln. Palla betonte dabei besonders, dass dies vor allem für die geplante Sanierung der Infrastruktur gilt.
„Nichts wird schnell gehen. Das ist kein Sprint. Die Sanierung der Eisenbahn-Infrastruktur ist ein Marathon.“
Tatkraft, Durchhaltevermögen und Vorbild
Bei all den Herausforderungen, die auf sie warten – von maroder Infrastruktur bis zu wirtschaftlichen Verlusten – fragt man sich schnell: Ist das überhaupt zu schaffen? Für Evelyn Palla könnte die Antwort klar sein: „Einfach machen!“ Mit diesem Motto ermutigte sie vor einigen Monaten Frauen in technischen Berufen, nicht nur über Chancen zu sprechen, sondern aktiv anzupacken und als Vorbild voranzugehen. Im Rahmen des Weltfrauenmonats (wir haben darüber ausführlich berichtet) zeigte sie, wie wichtig Tatkraft und Durchhaltevermögen gerade in anspruchsvollen Situationen sind.
„Und dieses Motto ist für mich persönlich auch ein ganz besonderes Motto. Weil ich mir dieses Motto im letzten Jahr zu eigen gemacht habe. Ich bin jetzt seit über 15 Jahren im Eisenbahnwesen tätig und vor vielen Jahren habe ich für mich mal den Wunsch geboren, dass ich selbst eine Lokführerausbildung machen möchte“, erklärte Palla Ende März. Denn: Wie so oft schiebt man wichtige Schritte auf, weil immer etwas Dringenderes dazwischenkommt oder man sich unsicher fühlt.
„Wenn Frau Vorständin Lokführerin wird…“ – so denkt man vielleicht. Doch Evelyn Palla hat es einfach gemacht. Sie hat die Herausforderung angenommen und gezeigt, dass es möglich ist, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu handeln, statt nur zu zögern. „Und ich habe in 2024 tatsächlich angefangen, mich zur Lokführerin ausbilden zu lassen. Ich habe diese Ausbildung mittlerweile auch abgeschlossen und ich kann nur sagen, das war eine meiner besten Entscheidungen, die ich jemals getroffen habe“, sagte sie im Rahmen der damaligen Veranstaltung, bei der sie viele Bewerberinnen ermutigte, eine Karriere in technischen Berufen zu starten.
Am Montag, den 22. September soll Evelyn Palla in Berlin offiziell als neue Bahn-Chefin vorgestellt werden. Verkehrsminister Schnieder will gleichzeitig eine neue Strategie für den Bund als Eigentümer der Bahn vorstellen. Sie wird vermutlich der Leitfaden für Pallas Arbeit sein. Details sind bisher kaum bekannt.
Bundesverkehrsminister plant kleinere Vorstände bei der Deutschen Bahn
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) will den Vorstand der Deutschen Bahn verkleinern. Laut der heute vorgestellten Bahn-Strategie sollen sowohl der Konzernvorstand als auch der Vorstand der Infrastruktur-Tochter DB InfraGo künftig maximal sechs Mitglieder haben.
Aktuell besteht der Konzernvorstand aus sieben Personen, verteilt auf acht Ressorts – Personalvorstand Martin Seiler übernimmt seit einigen Monaten auch kommissarisch die Finanzen. Der Vorstand der DB InfraGo hat derzeit ebenfalls sieben Mitglieder.
Zudem sieht die Strategie vor, die Aufsichtsräte von Konzern und DB InfraGo neu aufzustellen.
Aufsichtsrat beruft Evelyn Palla zur neuen Chefin der Deutschen Bahn
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat Evelyn Palla amDienstag, 23. September zur neuen Konzernchefin ernannt. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte zuvor angekündigt, gegen sie zu stimmen. Da jedoch eine einfache Mehrheit genügte, konnte die Gewerkschaft ihre Ernennung nicht verhindern.
Nach Informationen der dpa erhält Palla einen Fünfjahresvertrag und übernimmt ihre neue Aufgabe am 1. Oktober. Bislang stand sie an der Spitze der Regionalverkehrssparte DB Regio. Sie tritt die Nachfolge von Richard Lutz an, der den Konzern fast acht Jahre führte, zuletzt jedoch keine Trendwende mehr erreichte.
„Evelyn Palla hat mit herausragenden operativen und strategischen Fähigkeiten in führenden europäischen Konzernen und seit 2019 auch bei der Deutschen Bahn bewiesen, dass sie Transformationsprojekte erfolgreich umsetzen kann“, sagte Aufsichtsratschef Werner Gatzer. „Wir sind fest davon überzeugt, dass der DB mit Evelyn Palla an der Spitze ein erfolgreicher Neustart gelingen und die vom Bundesverkehrsministerium vorgestellte Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene zügig umgesetzt werden kann.“
Der Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sagte: „Ich freue mich über die Bestellung von Frau Palla zur neuen Vorstandsvorsitzenden der DB AG und wünsche ihr viel Erfolg. Sie ist eine exzellente Wahl und ich bin davon überzeugt, dass sie die Bahn besser aufstellen und gut durch schwierige Zeiten führen wird.“
Neue Bahn-Strategie: Schnieder kündigt Sofortprogramme für bessere Reisen an
„Heute drücken wir auf Neustart“, sagte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder zur neuen Bahn-Strategie. Sie enthält drei Sofortprogramme, die das Reiseerlebnis verbessern sollen:
- Mehr Sicherheit und Sauberkeit an Bahnhöfen: Durch mehr Personal, Technik und Videoüberwachung soll die Sicherheit objektiv und gefühlt steigen. Start ist ab dem ersten Quartal 2026.
- Bessere Kundenkommunikation: Die Fahrgastapp DB Navigator wird verbessert, damit Änderungen im Reiseverlauf sofort an die Reisenden weitergegeben werden.
- Mehr Komfort im Fernverkehr: Sauberkeit in den Zügen und das Angebot im Bordbistro sollen verbessert werden. DB Fernverkehr will schon 2026 spürbare Ergebnisse liefern.
(mit dpa)
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