Wieder Erdbeben in der Türkei: Was ist passiert?
Erneut bebt die Erde in der Türkei: In Sindirgi stürzen Häuser ein. Warum die Region so gefährdet ist – und welche Folgen das neue Beben hat.
Wieder bebte die Erde in der Westtürkei. Hier ein Foto der Zerstörungen vom August.
Foto: picture alliance / Anadolu | Mustafa Bikec
In der Nacht zum 28. Oktober bebt in der Westtürkei erneut die Erde. Erinnerungen an den August werden wach, als die Region schon einmal heftig erschüttert wurde. Diesmal liegt das Epizentrum wieder im Bezirk Sindirgi in der westtürkischen Provinz Balikesir. Laut der Katastrophenschutzbehörde AFAD erreichte das Beben eine Stärke von 6,1. Es ereignete sich um 22.48 Uhr Ortszeit in einer Tiefe von rund 6 Kilometern. Auch in den weit entfernten Millionenstädten Istanbul und Izmir waren die Erschütterungen deutlich zu spüren.
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Bislang keine Todesopfer gemeldet
„Bislang wurden noch keine Todesopfer gemeldet, aber wir setzen unsere Ermittlungen fort“, erklärte Sindirgis Bezirksverwalter Dogukan Koyuncu gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Innenminister Ali Yerlikaya teilte auf der Plattform X mit, dass Einsatzkräfte bereits vor Ort seien.
Mehrere Gebäude sind eingestürzt, viele weitere beschädigt. In den sozialen Medien kursieren Videos, die Staubwolken über einstürzenden Häusern zeigen. Ob sie tatsächlich aus Sindirgi stammen, ist unklar – doch sie spiegeln die Panik wider, die viele Menschen in dieser Nacht spürten.
Erst im August bebte es schon
Das Déjà-vu ist frappierend: Am 10. August hatte es in derselben Region bereits ein Beben der Stärke 6,1 gegeben. Auch damals lag das Epizentrum bei Sindirgi. Eine 81-jährige Frau kam ums Leben, knapp 30 Menschen wurden verletzt. Mehr als 200 Nachbeben folgten.
Bürgermeister Serkan Sak sagte damals dem Sender NTV: „Sechs Menschen wohnten in diesem dreistöckigen Gebäude. Vier Menschen wurden aus den Trümmern gerettet.“ Viele der Betroffenen sind bis heute traumatisiert. Manche Häuser, die damals beschädigt wurden, sind jetzt endgültig eingestürzt.
Damals rieten Behörden dringend davon ab, beschädigte Gebäude zu betreten. Diese Warnung gilt erneut – ebenso der Appell, Telefonanrufe auf Notfälle zu beschränken, um die Leitungen freizuhalten.
Die Türkei auf dem Pulverfass der Erde
Dass es in der Türkei immer wieder bebt, liegt an ihrer Lage auf der sogenannten Anatolischen Platte. Diese wird zwischen der Eurasischen und der Afrikanischen Platte regelrecht eingeklemmt. Die Kräfte, die dabei wirken, sind enorm.
Vor allem entlang der Nordanatolischen Verwerfung kommt es regelmäßig zu schweren Erdbeben. Sie zieht sich von Ost nach West quer durchs Land und verläuft gefährlich nah an Istanbul vorbei. Je nachdem, in welcher Tiefe ein Beben entsteht, kann es an der Oberfläche unterschiedlich stark spürbar sein – flache Beben richten meist größere Schäden an.
Erinnerungen an Katastrophen
Viele Menschen in der Türkei reagieren nervös auf jedes neue Beben. Kein Wunder: Die Erinnerungen an die Katastrophe von Februar 2023 sind noch frisch. Damals trafen zwei schwere Erdstöße der Stärke 7,7 und 7,6 die südosttürkische Provinz Hatay. Mehr als 53.000 Menschen starben allein in der Türkei, Tausende in Syrien.
Auch das Izmit-Beben von 1999 ist unvergessen. Rund 17.000 Menschen verloren damals ihr Leben. Und seither warnen Forschende regelmäßig, dass ein schweres Beben in Istanbul nur eine Frage der Zeit sei.
Alte Häuser, neue Risiken
Wie stark ein Erdbeben wirkt, hängt nicht allein von seiner Magnitude ab, sondern auch davon, wie sicher Gebäude gebaut sind. In vielen Regionen der Türkei stehen noch Häuser aus den 1970er- oder 1980er-Jahren – oft ohne stabile Fundamente oder Stahlbewehrung.
Nach dem Beben von 2023 kündigte die Regierung umfassende Sanierungsprogramme an. Ziel: Der Gebäudebestand in gefährdeten Zonen soll erdbebensicher werden. Doch die Umsetzung kommt schleppend voran. Baukosten, fehlende Materialien und Bürokratie bremsen den Fortschritt.
Immerhin werden historische Bauwerke wie die Hagia Sophia in Istanbul derzeit verstärkt, um sie bei künftigen Beben besser zu schützen.
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