Wie sicher ist der Hochwasserschutz aus Schläuchen?
Mobiler Hochwasserschutz neu gedacht: Der wassergefüllte Mobildeich ersetzt Sandsäcke und schützt vor Extremwetter.
Kein Sandsack, kein Bagger: Der Mobildeich lässt sich in Minuten aufbauen und schützt zuverlässig vor Überflutungen. VdS / Kathrin Vogt
Starkregen, überlaufende Flüsse, Sturmfluten – was früher als Ausnahme galt, gehört längst zum Alltag vieler Regionen. Die Klimakrise verstärkt Extremwetter. Kommunen müssen schneller und flexibler reagieren, wenn Pegel steigen. Doch Sandsäcke stapeln ist mühsam, zeitaufwendig und kostet Personal. Ein deutsches Unternehmen bietet eine Alternative: den Mobildeich – ein wassergefülltes Schlauchsystem, das binnen Minuten zum schützenden Deich wird.
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Wasser gegen Wasser
Das Prinzip klingt simpel, ist aber technisch ausgefeilt. Der Mobildeich besteht aus einem ummantelten Doppel- oder Dreifach-Kammer-Schlauchsystem, das direkt mit Wasser befüllt wird.
Was paradox klingt – Fluten mit Fluten abwehren –, funktioniert erstaunlich gut. Das Eigengewicht des Wassers stabilisiert die Konstruktion. Die einzelnen Module lassen sich über Kupplungen verbinden. So entstehen durchgehende Schutzlinien, die sich an Gelände und Hindernisse anpassen – egal ob Asphalt, Wiese oder Kopfsteinpflaster.
Während klassische Sandsackdämme Schicht für Schicht wachsen müssen, genügt beim Mobildeich das Ausrollen, Befüllen und Ausbreiten einer Dichtungsplane. Innerhalb von Minuten steht ein temporärer Deich, der je nach Ausführung bis zu 2,6 m Wasser standhält.
Weniger Aufwand, mehr Schutz
Der große Vorteil: keine schweren Geräte, kein Materialtransport. Das Wasser stammt meist aus dem nahen Gewässer oder direkt aus dem Hochwasser selbst. Eine Pumpe genügt, um mehrere hundert Meter Deich in kurzer Zeit zu befüllen.
Der Mobildeich lässt sich beliebig verlängern, wiederverwenden und platzsparend lagern. Nach dem Einsatz wird das Wasser abgelassen, die Module gereinigt und aufgerollt. Auch der Abbau gelingt mit wenigen Handgriffen – ein entscheidender Punkt, wenn nach der Flut jede Minute zählt.
Ein Beispiel: 400 m Schutzlinie lassen sich laut Hersteller in rund zweieinhalb Stunden mit zehn Modulen aufbauen – und das mit minimalem Personal. Das ist nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern auch der Sicherheit für die Einsatzkräfte.
Drei Komponenten für Stabilität
Das System beruht auf drei abgestimmten Elementen:
- Schläuche aus PVC-beschichtetem Polyestergewebe halten den Wasserdruck.
- Eine Netzhülle aus hochfestem Polyesterseil umschließt und stabilisiert die Schläuche.
- Eine robuste Dichtungsplane liegt wasserseitig auf dem Boden und verhindert, dass Wasser unter den Deich dringt.
Durch diese Kombination bleibt der Mobildeich auch bei steigendem Wasserpegel standfest. Die Plane dichtet flexibel ab, selbst auf unebenen Untergründen oder bei Treibgutbelastung. So entsteht kein gefährlicher Auftrieb, der den Deich anheben könnte – ein Problem, das bei einfacheren Systemen auftreten kann.
Getestet unter realen Bedingungen
Um die Leistungsfähigkeit zu prüfen, wurde das System am Testlabor des Instituts für Klimafolgen-Forschung (KLIFF) der TU Hamburg-Harburg untersucht. Gemeinsam mit den Prüfingenieurinnen und -ingenieuren von VdS Schadenverhütung wurden verschiedene Szenarien simuliert: Wellen, Strömungen, Treibgut und Druckbelastungen.
Das Ergebnis: Der Mobildeich erfüllte die Anforderungen der VdS-Richtlinie 3855 für Hochwasserschutzelemente. Damit ist er eines der wenigen mobilen Systeme, dessen Wirksamkeit unter realitätsnahen Bedingungen belegt wurde.
Sebastian Brose, Bereichsleiter Security & Geo bei VdS, sagt dazu: „Mit der VdS-Zertifizierung des Mobildeichs setzen wir einen richtungsweisenden Standard im kommunalen Hochwasserschutz. Aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse ist es für Städte und Gemeinden essenziell, auf Produkte und Systeme zum Schutz ihrer Bevölkerung setzen zu können, die ihre zuverlässige Wirksamkeit auch bei höchster Anforderung objektiv nachgewiesen haben.“
Das Institut KLIFF fungiert künftig als Außenstelle des Zertifizierungslabors. Ziel ist, Hochwasserschutzprodukte künftig noch praxisnäher zu testen – unter Bedingungen, wie sie im Katastrophenfall tatsächlich auftreten.
Vom Notfallplan zur Standardausrüstung
Für viele Städte und Gemeinden stellt sich längst nicht mehr die Frage, ob sie Hochwasser trifft, sondern wann. Mobile Systeme wie der Mobildeich könnten daher künftig zur Grundausstattung kommunaler Bauhöfe gehören.
Sie sind flexibel einsetzbar, schnell transportiert und wiederverwendbar. Ob zum Schutz von Wohngebieten, Industrieanlagen, Krankenhäusern oder Stromverteilstationen – der Mobildeich lässt sich an nahezu jedes Szenario anpassen.
Gerade im urbanen Raum, wo feste Deiche kaum Platz finden, bietet das System eine Lösung, die sich kurzfristig aktivieren lässt. Auch in engen Straßen oder an Gebäudeeingängen kann der Mobildeich aufgerollt, verbunden und befüllt werden.
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