Wie bleihaltiges Benzin bis heute die Ozeane schädigt
Das giftige Schwermetall Blei gelangte im 20. Jahrhundert in großen Mengen in die Umwelt. Vor allem durch verbleites Benzin. Eine aktuelle Studie der TU Braunschweig mit weiteren Partnern belegt nun, dass dieses Blei den Ozean auch noch Jahrzehnte später belastet.
Die Forschenden nahmen einen großen Teil der Proben in der Framstraße zwischen Spitzbergen und Nordost-Grönland.
Foto: Stephan Krisch/TU Braunschweig
Im 20. Jahrhundert stiegen die Bleiemissionen rasant an, weil Tetraethylblei massenhaft als Zusatz im Benzin eingesetzt wurde. Jährlich gelangten damals hunderttausende Tonnen des Schwermetalls in die Luft und von dort in Böden, Gewässer und Meere.
Blei ist ein giftiges Schwermetall ohne bekannte biologische Funktion, das sich im Körper anreichert, das Nervensystem schädigt und Krebserkrankungen auslösen kann. Es wurde vor allem in Nordamerika und Europa verwendet.
Blei belastet den Ozean: Vom Auspuff ins Meer
Seit Beginn der Industrialisierung wurden durch Metallverhüttung und Verkehr Millionen Tonnen Blei in die Atmosphäre freigesetzt. Die größten Mengen stammen aus der Zeit, als Autos weltweit mit verbleitem Benzin fuhren. Das Metall wurde in Form von Abgasen freigesetzt. So gelangte es in große Höhen und der Wind trug es über Kontinente bis in die Ozeane.
Besonders der Nordatlantik weist hohe Konzentrationen auf, weil er nahe den Emissionszentren Nordamerikas und Europas liegt. Blei belastet den Ozean hier bis heute, denn ein großer Teil des atmosphärischen Eintrags sank ins Meer und lagerte sich im Wasser und in Sedimenten ab. Diese Altlasten bilden das Ausgangsreservoir für den weiteren Transport in entlegene Regionen.
Transport in die Arktis
Lange galt der Arktische Ozean als nahezu unberührtes Meeresgebiet. Messungen zeigen jedoch, dass Blei den Ozean auch dort belastet: Das Nordpolarmeer nimmt einen erheblichen Teil des vom Menschen freigesetzten Bleis aus dem Nordatlantik auf. Ozeanströmungen wirken wie ein Förderband und transportieren das Schwermetall durch die arktisch‑atlantischen Meerengen nach Norden.
Zwischen 1970 und 2015 könnte der Arktische Ozean einen Nettozufluss von rund 75.000 Tonnen anthropogenen Bleis aus dem Nordatlantik erhalten haben. Das zumindest schätzen die Forschenden. Damit ist er zwar nur eine kleinere Senke im Vergleich zu den Hunderttausenden Tonnen im Nordatlantik selbst, doch erklärt dieser Eintrag die weitreichende Kontamination der arktischen Tiefseesedimente. An einzelnen Stellen erreichen die Konzentrationen Werte, die für bodenlebende Organismen kritisch sein können.
Expeditionen zeigen: Blei belastet den Ozean
Um diese Transporte zu quantifizieren, fanden 2015 und 2016 drei Expeditionen statt. Forschende reisten mit dem deutschen Forschungseisbrecher „Polarstern“ und dem kanadischen Küstenwachschiff „Amundsen“ durch die arktisch‑atlantischen Meerengen, um Bleigehalte im Wasser systematisch zu erfassen. Diese Fahrten ermöglichten erstmals eine umfassende Schätzung des Blei‑Eintrags aus dem Atlantik in die Arktis.
Auf Basis der Messdaten berechnete Stephan Krisch vom Institut für Geoökologie der TU Braunschweig den Bleifluss in den Arktischen Ozean. „Wir waren überrascht von der Menge an Blei, die aus dem Atlantik in den Arktischen Ozean gelangt“, erklärt er. „Erstaunlich war für uns, dass dieser Bleieintrag noch Jahrzehnte nach dem Ende der Verwendung von verbleitem Benzin in Europa und Nordamerika mit dem größtenteils natürlichen Eintrag von Blei durch Flüsse mithalten kann. Dieser natürliche Eintrag erfolgt beispielsweise durch die Verwitterung von Gesteinen oder durch Mineralien.“
Fingerabdrücke im Wasser belegen Herkunft des Bleis
Um natürliche und menschengemachte Quellen zu unterscheiden, nutzten Forschende am Imperial College London eine sogenannte „Fingerabdruckmethode“. Dabei wird das Verhältnis verschiedener Blei‑Isotope im Meerwasser hochpräzise gemessen. Dank dieser Methode sind auch Rückschlüsse auf die Herkunft des Metalls möglich. Blei belastet den Ozean demnach vor allem durch Emissionen aus Nordamerika, deren Signatur sich klar nachweisen lässt.
Die Fingerabdruckmethode funktioniert auch deshalb sehr zuverlässig, weil das Tetraethylblei weltweit nur aus wenigen Erzen produziert wurde. Und diese weisen sehr charakteristische geologische Merkmale auf. Die Herkunft des Bleis lässt sich deshalb sogar nach Ländern eingrenzen.
Aufwendige Spurensuche nach Blei, das den Ozean belastet
Die Konzentrationen von Blei im Meerwasser liegen meist im Nanogramm‑pro‑Liter‑Bereich. Deshalb ist die Probenahme extrem anspruchsvoll: Schon kleinste Verunreinigungen durch Gerätemetall könnten die Ergebnisse verfälschen. Erst moderne, spurenmetall‑freie Geräte und standardisierte Protokolle ermöglichen verlässliche Messreihen.
Entscheidend sind Fortschritte in der analytischen Chemie und globale Standards des GEOTRACES‑Konsortiums. Sie sorgen dafür, dass unabhängige Arbeitsgruppen Daten vergleichen und zusammenführen können. Die Bleibelastung der Ozeane lässt sich so weltweit mit bisher unerreichter Genauigkeit dokumentieren und in Stoffkreisläufen verorten.
Forschungspartnerschaften zum Schutz der Ozeane vor Bleilasten
Harald Biester, Professor für Umweltgeochemie an der TU Braunschweig, betont, wie wichtig gemeinsame Forschungsprojekte sind: „Ohne starke Partner wie das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das NIOZ Royal Netherlands Institute for Sea Research und das Imperial College London sowie deren Fachwissen, Schiffszeit und Laborkapazitäten wäre diese Forschung nicht möglich gewesen.“ Dank derartiger Kooperationen sei es möglich menschliche Emissionen und deren Auswirkungen auf die Ozeane besser zu verstehen.
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