Folgen des Klimawandels 28.08.2023, 17:00 Uhr

Vernichtet die Klimakrise die Hälfte aller europäischen Skigebiete?

Erwärmt sich das globale Klima um zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau, müssten die Hälfte aller europäischen Skigebiete voraussichtlich wegen Schneemangel schließen. Das ist das Ergebnis einer Studie vom Centre National de Recherches Météorologiques in Grenoble.

Skifahren

Haben solche Fotos bald Seltenheitswert? Viele Skigebiete sind durch den Klimawandel ernsthaft bedroht.

Foto: Panthermedia.net/blende64

Europa gilt als Zentrum des Skisports, nirgendwo sonst gibt es so viele Skipisten und Skifahrer. Damit könnte es bald vorbei sein, wenn der Klimawandel weiter so schnell voranschreitet, wie es sich derzeit ankündigt. Rund die Hälfte aller Skigebiete müssten mangels Schnees geschlossen werden, befürchten Experten, eine künstliche Beschneiung sei keine Dauerlösung. Bereits seit längerem ist bekannt, dass die Gletscher immer schneller schrumpfen, insbesondere auch in den Alpen. Es ist daher denkbar, dass bald nur noch Après-Ski möglich ist, die Bretter jedoch im Tal bleiben müssen. Wobei das für die Natur auch Vorteile mit sich bringt.

Viele Berggletscher werden verschwinden

Eine im Anfang des Jahres 2023 im renommierten Fachmagazin Science veröffentlichte Studie prognostiziert, dass bis zum Jahr 2100 möglicherweise 83 Prozent der globalen Berggletscher verschwunden sein könnten. Diese alarmierende Vorhersage gilt, falls die globale Erderwärmung vier Grad über dem vorindustriellen Niveau erreichen sollte. Im optimistischsten Szenario, bei einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad, könnte immerhin knapp die Hälfte der Gletscher erhalten bleiben.

Die Autoren der Studie betonen die Bedeutung jedes Zehntelgrads als entscheidenden Faktor zur Rettung dieser essenziellen Süßwasserspeicher. Das Bewahren der Gletscher spielt eine Schlüsselrolle nicht nur für die Frischwasserversorgung, sondern auch für den Schutz gegen steigende Meeresspiegel und die Abwehr drohender Dürreperioden. Bereits jetzt haben die Gletscher in den Alpen seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein Drittel ihrer Gesamtfläche eingebüßt, insbesondere in den vergangenen 50 Jahren stieg der Eisverlust merklich an. Die Eisdicke nimmt derzeit jedes Jahr zwischen einem halben und einem ganzen Meter ab.

Mit den Gletschern gehen viele Skigebiete verloren

Eine neue wissenschaftliche Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ veröffentlicht wurde, warnt vor drastischen Auswirkungen des Klimawandels auf den europäischen Skitourismus. Das Forscherteam unter der Leitung von Samuel Morin vom Centre National de Recherches Météorologiques in Grenoble hat ermittelt, dass bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau rund die Hälfte der Skigebiete in 28 europäischen Ländern einem sehr hohen Risiko von Schneemangel ausgesetzt sein wird.

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Die Studie weist auch darauf hin, dass der Versuch, den Skitourismus durch künstliche Beschneiung aufrechtzuerhalten, zu einem erhöhten Wasser- und Energiebedarf führen wird. Dies wiederum würde die Kohlenstoffemissionen erhöhen und damit die Klimakrise weiter beschleunigen. Zudem ist künstlicher Schnee nur bei ausreichend niedrigen Temperaturen effektiv.

Die Wissenschaftler plädieren dafür, die starke Abhängigkeit vom Wintertourismus in bestimmten Regionen kritisch zu hinterfragen. Angesichts der sich ändernden Klimabedingungen muss überlegt werden, ob die Fortführung des Skitourismus in seiner heutigen Form langfristig nachhaltig und verantwortbar ist.

Europa bedeutendster Standort für den Skisport

Europa ist unbestritten das Herz des weltweiten Skisports: Hier befinden sich rund die Hälfte aller Skigebiete weltweit und sogar über 80 Prozent der Anlagen mit mehr als einer Million Skifahrern pro Jahr. In der umfassenden Studie wurden die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf 2.234 dieser Skigebiete in Europa unter verschiedenen Erwärmungsszenarien untersucht.

Wie bereits geschrieben, besteht bei einer Erwärmung um vier Grad nach den Modellrechnungen in fast allen europäischen Skigebieten ein sehr hohes Risiko einer unzureichenden Schneelage, wobei es deutliche regionale Unterschiede gibt. Insbesondere in den deutschen Alpen wäre bereits bei einer Erwärmung um drei Grad ohne den Einsatz von Schneekanonen kaum noch Naturschnee vorhanden.

Sollte es jedoch gelingen, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wäre laut der Analyse rund ein Drittel (32 Prozent) der europäischen Skigebiete stark gefährdet. Der Einsatz künstlicher Beschneiung könnte diesen Anteil auf 14 bis 26 Prozent reduzieren. Viele Klimaexperten gehen allerdings davon aus, dass eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad selbst bei größten Anstrengungen kaum mehr erreichbar ist.

Weitere Untersuchungen notwendig

Die Studie bringt zwar wertvolle Einsichten, kommt jedoch nicht ohne Einschränkungen und Vereinfachungen aus. Für präzise lokale Prognosen wäre es erforderlich, zusätzliche Daten zu berücksichtigen, so die Forscher. Hierzu gehören Aspekte wie die geografische Lage der Skigebiete, die Eigenschaften der eingesetzten Beschneiungsanlagen und die Verfügbarkeit von Wasser- und Energiequellen. Darüber hinaus sollten auch verhaltensbezogene Faktoren der Skifahrer in die Analyse einfließen, denn eine künstlich beschneite Piste inmitten einer grünen Landschaft mag für manchen Touristen wenig ansprechend sein.

Die Studie stellt ebenfalls die Frage, ob CO2-intensive Freizeitaktivitäten wie der Skitourismus mit den notwendigen globalen Anstrengungen zur Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad vereinbar sind. Selbst wenn viele europäische Skigebiete den Wintersport noch lange anbieten könnten, wäre es für diese Orte eine erhebliche Herausforderung, ihren Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu leisten.

In einem begleitenden Kommentar merkt Paul Peeters von der Breda University of Applied Sciences in den Niederlanden an, dass die Größe und Anzahl der europäischen Skigebiete wahrscheinlich schrumpfen werden, da die Schneedecke in den meisten Bergregionen abnimmt. Für viele dieser Gebiete könnte eine strategische Neuausrichtung auf alternative Tourismusangebote sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus ökologischer Perspektive sinnvoller sein. (mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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