Rinderhaltung klimafreundlicher machen – dank uralter Heilpflanze
Weidenlaub reduziert Stickstoffemissionen in der Rinderhaltung – ein Naturstoff als mögliche Lösung für klimafreundlichere Landwirtschaft.

Bekommen Rinder weniger Gras und dafür mehr Weidenblätter zu fressen, lassen sich die Stickstoffemissionen gewaltig senken.
Foto: Smarterpix / anatols
Ein Forschungsteam hat herausgefunden, dass Weidenlaub in der Rinderfütterung die Emissionen von Ammoniak und Lachgas drastisch senken kann. Die Studie zeigt, dass das traditionelle Heilmittel nicht nur entzündungshemmend wirkt, sondern auch die Umweltbelastung in der Weidehaltung deutlich reduziert. Der pflanzliche Zusatzstoff könnte ein neuer Weg sein, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten – sofern sich die Wirkung auch unter realen Bedingungen bestätigt.
Inhaltsverzeichnis
Stickstoffemissionen – eine stille Last auf der Weide
Die Landwirtschaft ist weltweit eine der Hauptquellen für Stickstoffverbindungen wie Ammoniak (NH₃) und Lachgas (N₂O). Diese entstehen unter anderem, wenn Wiederkäuer wie Rinder Harn ausscheiden. Auf der Weide lässt sich dieser Prozess bisher kaum kontrollieren – im Gegensatz zum Stall, wo Zusätze oder Technik regulierend eingreifen können.
Dabei sind die Auswirkungen gravierend: Ammoniak belastet Böden und Ökosysteme, Lachgas trägt rund 300-mal stärker zur Erderwärmung bei als Kohlendioxid – und verbleibt bis zu 150 Jahre in der Atmosphäre. Die Reduzierung solcher Emissionen gilt daher als eine der größten Herausforderungen für eine nachhaltigere Tierhaltung.
Altes Wissen, neu gedacht
Im Fokus der Forschung steht nun ein Mittel, das in der traditionellen Heilkunde schon lange bekannt ist: das Laub der Weide. Die Pflanzenart Salix enthält Salicin – ein Stoff, der im Körper zu Salicylsäure umgewandelt wird. Dieser Wirkstoff gilt als entzündungshemmend und ist die natürliche Vorlage für Acetylsalicylsäure (Aspirin).
In einer gemeinsamen Studie des Forschungsinstituts für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf sowie der Universitäten Rostock, München und Wien wurde nun untersucht, ob Salicin auch einen Einfluss auf die Stickstoffumsetzung im Tier hat.
Weidenlaub gegen Stickstoffemissionen – auf einen Blick:
• Forschungsteam: FBN Dummerstorf, Universitäten Rostock, München, Wien
• Wirkstoff: Salicin aus Weidenlaub
• Versuchsergebnisse: –14 % Ammoniak, –81 % Lachgas
• Emissionsquelle: Rinderharn auf Weideflächen
• Vorteile: lokal verfügbar, nachwachsend, kein Chemieeinsatz
• Anwendung: Futterzusatz, Agroforst, Extrakt-Zusätze in Gülle möglich
• Nächste Schritte: Feldversuche, Prüfung weiterer Laubarten
Deutlich weniger Emissionen durch Weidenlaub
Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: Wird Rindern salicylathaltiges Weidenlaub verfüttert, sinken die Emissionen aus ihrem Harn erheblich. In Versuchen auf Standardböden sanken die Ammoniakwerte um 14 %, die Lachgasemissionen sogar um 81 % – im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Die Forschenden vermuten, dass neben der Salicylsäure auch weitere bioaktive Substanzen im Laub für diesen Effekt verantwortlich sind. Die Wirkung lässt sich demnach nicht auf einen Einzelstoff reduzieren.
Weiden als Futterpflanzen mit Potenzial
Weiden wachsen schnell und sind in Europa gut verfügbar. In Deutschland finden sie bislang vor allem als Energiepflanze oder zur Böschungssicherung Verwendung. In Ländern wie Neuseeland hingegen nutzt man das Laub der Weide schon länger als Futterquelle.
„Weidenlaub ist ein lokal verfügbarer, nachwachsender Rohstoff, der sich als natürlicher Futterzusatz besonders für die Weidehaltung eignet – dort, wo andere Lösungen versagen“, erklärt Dr. Björn Kuhla, einer der Projektverantwortlichen am FBN.
Noch offene Fragen – und neue Ansätze
Ob sich die positiven Effekte auch unter Praxisbedingungen zeigen, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Dabei spielen Bodenbeschaffenheit, Klima, die Futteraufnahme und die Aktivität von Bodenmikroben eine Rolle. Auch die Frage, ob sich durch die Fütterung mit Weidenlaub der Nitratgehalt im Boden verändert, wird derzeit untersucht.
Parallel testet das Forschungsteam weitere Laubarten wie Pappel, die ähnliche Inhaltsstoffe enthalten. Ziel ist es, langfristig eine größere Bandbreite natürlicher Futterzusätze bereitzustellen.
Agroforstsysteme – mehr als nur Bäume auf der Weide
Langfristig könnten Weiden auch direkt auf der Weide wachsen – als Teil sogenannter silvopastoraler Systeme. Dabei handelt es sich um eine kombinierte Nutzung von Gehölzen und Weideflächen. Die Bäume dienen dabei nicht nur als Futterquelle, sondern verbessern das Mikroklima, spenden Schatten und helfen, die Emissionen direkt auf der Fläche zu senken.
Auch Extrakte aus Weidenlaub könnten künftig in Stallmist oder Gülle eingesetzt werden, um die Stickstofffreisetzung zu mindern. Allerdings steht diese Anwendung noch ganz am Anfang der Forschung.
Umweltauswirkungen von Lachgas und Ammoniak:
• Lachgas (N₂O):
– Klimawirkung rund 300-mal stärker als CO₂
– Verweildauer in der Atmosphäre: ca. 150 Jahre
– Hauptquelle: Umwandlung von Harnstickstoff durch Bodenmikroben
• Ammoniak (NH₃):
– Trägt zur Versauerung von Böden bei
– Fördert die Überdüngung sensibler Ökosysteme
– Verursacht indirekt Feinstaubbildung
Fakten:
• Landwirtschaft verursacht rund 80 % der globalen NH₃-Emissionen
• Etwa 81 % der Lachgasemissionen stammen aus dem Agrarsektor
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