Müll röntgen mit KI – eine Maßnahme gegen Batteriebrände in Recyclinganlagen
Von jährlich mehr als 10.000 Bränden in deutschen Abfallsortieranlagen geht ein Großteil auf falsch entsorgte Batterien und Akkus zurück. Röntgentechnologie und KI könnten solche Risiken künftig reduzieren.

Mithilfe von künstlicher Intelligenz und Röntgentechnologie werden Abfallströme am Fraunhofer IIS von einem Prototyp-Sortiersystem durchleuchtet. Die Anlage separiert kritische Batterien und soll ab Juni bei einem Recyclingunternehmen im Praxisbetrieb getestet werden.
Foto: Fraunhofer IIS/Paul Pulkert
Die Schäden, die falsch entsorgte Elektrogeräte mit ihren integrierten Akkus jährlich in Recyclinganlagen verursachen, summieren sich Schätzungen zufolge in Deutschland auf etwa 1 Mrd. €. Laut einer Studie des BDE Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V. kommt es hierzulande Jahr für Jahr zu mehr als 10.000 Bränden in Abfallsortieranlagen. In etwa 80 % der Fälle waren Lithium-Ionen-Batterien und Akkus der Grund. Sie sind verbaut in Smartphones, elektrischen Zahnbürsten, aber auch in singenden Grußkarten und landen häufig gemeinsam mit Verpackungsmaterial im Kunststoffmüll. Im Recyclingprozess in Sortieranlagen können die Energiespeicher beschädigt werden und Brände verursachen.
Röntgen von Müll funktioniert wie beim Gepäckband am Flughafen
Vermeiden lässt sich das durch eine verbesserte Sortierung in den Recyclinganlagen. Einen Ansatz dafür hat nun das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Fürth vorgestellt. Es nutzt dazu Röntgentechnik, wie sie auch zum Durchleuchten von Gepäckstücken auf Flughäfen eingesetzt wird. „Wir entwickeln ein sensorbasiertes Sortiersystem, mit dem wir dank Röntgentechnologie und künstlicher Intelligenz riskante Lithium-Ionen-Batterien und Akkus erkennen und frühzeitig vom restlichen Abfallstrom trennen“, erklärt Johannes Leisner, Leiter der Gruppe Sortier- und Laborsysteme am Entwicklungszentrum Röntgentechnik des Fraunhofer IIS.
Bisher gibt es laut Leisner noch keine präventiven Maßnahmen gegen die batteriebedingten Brände. Stattdessen setzten die Betriebe lediglich nachgeschaltete Lösungen wie verbesserte Löschsysteme ein. Hier setzen die Forschenden am Fraunhofer IIS im Projekt DangerSort an und möchten damit einen Beitrag dazu leisten, die Brandgefahr einzudämmen. Zudem wollen sie mit der sensorbasierten Technologie das Recycling von Batterien und Akkus verbessern und den Produktkreislauf damit schließen.
Das Röntgensortiersystem am Fraunhofer IIS besteht im Wesentlichen aus einem Hochgeschwindigkeitsförderband und einer Röntgenquelle. Mit bis zu 3 m/s transportiert das Band den Abfallstrom. Zum Vergleich: Ein Fußgänger ist etwa 1,5 m/s schnell und ein Radfahrer 5,5 m/s (20 km/h). Über dem Band befindet sich eine Röntgenquelle, die den Materialstrom durchleuchtet. Unter dem Förderband ist ein Detektor angebracht, der kontinuierlich Röntgenbilder anfertigt. So identifiziert das System auch verbaute Akkus und Batterien und auch solche, die durch andere Abfälle verborgen sind.
Für das autonome Fahren entwickelte KI identifiziert Batterien im Müll
In der Geschwindigkeit des Förderbandes werden die Bilderfolgen anschließend ausgewertet. Laut Leisner kommt dazu ein KI-System zum Einsatz, das besonders schnell in der Bildverarbeitung ist und normalerweise beim Autonomen Fahren eingesetzt wird. „Wir haben es so angepasst und nachtrainiert, dass es auch Röntgenbilder analysieren und gezielt Elektrogeräte mit Lithium-Ionen-Batterien und Akkus erkennen kann“, erklärt er.
Das ist die Grundlage für die anschließende Sortierung. Die erfolgt in der Anlage per Druckluft. Über spezielle Druckluftventile gesteuert, trennt diese die kritischen Elektrogeräte vom restlichen Abfallstrom. Eine Reihe etwa 5 mm großer Luftdüsen entfernt sie vom Band und befördert sie dabei in eine separate Kammer. Hier ist ein perfektes Timing gefragt. Die Auswertung des Bildes muss so schnell erfolgen, dass die Düsen rechtzeitig anspringen.
Derzeit läuft das Sortiersystem am Fraunhofer IIS noch im Testbetrieb. Bereits Anfang Juni soll die Anlage jedoch an das Abfallentsorgungsunternehmen Lobbe ausgeliefert und erstmals in der Praxis erprobt werden. Eine besondere Herausforderung dabei macht Gruppenleiter Leisner deutlich: „Die unterschiedlichen Akkugrößen beim Trennverfahren zu erfassen und zu isolieren, ist schwierig.“ Vom 10-kg-E-Bike-Akku bis hin zur Knopfbatterie ist alles dabei.
Das Prototypsystem wird im Rahmen des KI-Hubs Kunststoffverpackungen entwickelt: Dazu arbeiten in den Laboren „KIOptiPack“ und „K3I-Cycling“ 51 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft eng zusammen. Ziel ist es, die Anwendung von Methoden der KI für eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft im Bereich Kunststoffverpackungen in Deutschland voranzutreiben.
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