Mehr Regen bei Hitze? Neue Studie löst altes Rätsel
Im Jahr 2008 stellten Forschende die Vorstellung in Frage, dass mit jedem Grad Erwärmung der Niederschlag bei Extremregen um 7 % zunimmt. Jetzt ist das Rätsel gelöst, warum das Forschungsteam auf einen doppelt so hohen Wert kam wie erwartet.

Gilt bei Extremregen ebenfalls die Gleichung, dass die Niederschlagsmenge mit jedem Grad mehr um 7 % zunimmt? 17 Jahre gab es Zweifel, nun wurden diese beseitigt.
Foto: PantherMedia / pictureguy (YAYMicro)
Sturzfluten, ausgelöst durch extreme Regenfälle, bedrohen zunehmend Menschen und Infrastruktur, vor allem in den Städten. Das haben wir gerade wieder auf Lanzarote und in Italien schmerzlich erfahren müssen. Inwieweit sich die Niederschlagsmengen mit steigenden Temperaturen verändern, war lange Zeit eine offene Frage bzw. wurde in einer Untersuchung aus dem Jahr 2008 angezweifelt. Eine neue Studie von Forschenden der Universität Potsdam und des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen liefert nun wichtige Antworten.
Die Rolle der Temperatur bei Starkregen
Grundsätzlich entsteht Regen, wenn sich Wasserdampf in der Atmosphäre zu Tropfen verdichtet. Je wärmer die Luft, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen. Die Clausius-Clapeyron-Beziehung beschreibt dies mathematisch: Mit jedem Grad Celsius Erwärmung nimmt die Wasserdampfkapazität um etwa 7 % zu. Bildlich gesprochen funktioniert die Atmosphäre wie ein Schwamm, der bei höheren Temperaturen mehr Wasser speichern kann. Wird der Schwamm zusammengedrückt, regnet es.
Seit Langem wird untersucht, ob auch extreme Regenereignisse dieser Regel folgen. Im Jahr 2008 stellten die Forschenden Lenderink und van Meijgaard diese Vorstellung infrage. Sie fanden heraus, dass Gewitterregen in den Niederlanden sogar um etwa 14 % pro Grad Celsius zunimmt – doppelt so stark wie von Clausius-Clapeyron erwartet.
Clausius-Clapeyron-Gleichung
Die Clausius-Clapeyron-Gleichung beschreibt den Zusammenhang zwischen Temperatur und dem Druck, bei dem zwei Phasen eines Stoffes – etwa flüssig und gasförmig – im Gleichgewicht stehen.
Grundform der Gleichung:
dP/dT = (L / T·ΔV)
Dabei ist:
- dP/dT: Änderung des Sättigungsdampfdrucks mit der Temperatur
- L: Verdampfungsenthalpie (Wärmemenge, die zum Verdampfen nötig ist)
- T: absolute Temperatur in Kelvin
- ΔV: Volumenänderung beim Phasenübergang
In der Meteorologie wird daraus vereinfacht abgeleitet:
Die Luft kann bei steigender Temperatur etwa 7 % mehr Wasserdampf pro Grad Celsius aufnehmen.
Quelle: Wikipedia
17 Jahre Forschung ohne klare Antwort
Die niederländische Studie sorgte für Aufsehen und wurde über 1000-mal zitiert. Zahlreiche Forschende weltweit versuchten in den folgenden Jahren, die Ergebnisse zu bestätigen oder zu widerlegen. Die Schwierigkeit: Oft flossen unterschiedliche Niederschlagsarten in die Messungen ein, was die Statistiken verfälschte. Dauerregen und kurze Regenschauer verhalten sich meteorologisch nämlich unterschiedlich.
Gerade diese Vermischung von Daten erschwerte es, den tatsächlichen Einfluss der Temperatur auf extreme Niederschläge zu bestimmen. So blieb die Frage offen, ob der beobachtete starke Anstieg der Regenmengen wirklich ein physikalischer Effekt oder eher ein statistisches Artefakt ist.
Neue Methoden bringen Klarheit
Die aktuelle Studie von Nicolas Da Silva und Jan O. Härter schafft nun mehr Durchblick. Die Forschenden nutzten hochauflösende Niederschlagsdaten aus Deutschland und kombinierten sie erstmals mit einem neu entwickelten Blitzerfassungssystem. Da Blitze eindeutige Hinweise auf Gewitter liefern, konnten sie die verschiedenen Arten von Niederschlägen klar voneinander trennen.
„Wir nutzen einen großen und hochfrequenten Datensatz aus Deutschland, der mit einem neuartigen Datensatz zur Blitzerfassung kombiniert wird. Da Blitze Gewitteraktivität anzeigen, können die stratiformen Niederschläge auf diese Weise von den Gewittern getrennt werden“, erklärt Nicolas Da Silva.
Getrennte Beobachtung von Gewitter- und Dauerregen ist die Lösung
Das Ergebnis: Betrachtet man Gewitterregen und Dauerregen getrennt, folgen beide klar der Clausius-Clapeyron-Regel. Der Regen nimmt also um etwa 7 % pro Grad Celsius zu, genau wie es die Theorie beschreibt.
„Das Ergebnis ist verblüffend: Betrachtet man nur klare Gewitterregen und untersucht Extremwerte bei jeder Temperatur, entspricht der Anstieg nahezu perfekt der Clausius-Clapeyron-Theorie“, ergänzt Jan O. Härter.
Die starke Zunahme von rund 14 %, die Lenderink und van Meijgaard beobachtet hatten, entsteht erst dann, wenn beide Niederschlagsarten zusammen ausgewertet werden. Der sogenannte „Super-Clausius-Clapeyron“-Effekt ist also eine statistische Überlagerung, nicht ein physikalischer Prozess.
Folgen für die Zukunft
Trotz dieser Klärung bleibt die Problematik bestehen: Wolken-Cluster, die sowohl Gewitterwolken als auch Dauerregen enthalten, sind häufig für extrem starke Niederschläge verantwortlich. Genau diese Cluster verhalten sich so, wie es der „Super-Clausius-Clapeyron“-Effekt beschreibt.
Das bedeutet: Mit steigender globaler Temperatur könnten extreme Regenfälle – und damit auch das Risiko für Sturzfluten – in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen. Besonders Städte, deren Infrastruktur oft nicht für solche Wassermassen ausgelegt ist, wären betroffen.
„Nimmt man die Temperaturänderungen an, die für die kommenden Jahrzehnte im Rahmen der Klimaerwärmung prognostiziert werden, so könnten extreme Regenfälle ein noch nie dagewesenes Risikoniveau für Menschen und Infrastrukturen erreichen, insbesondere in städtischen Gebieten“, betonen die Autoren.
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