Was ist geplant? Wo hakt es? 30.08.2025, 11:00 Uhr

Hochwasserschutz am Rhein: Wie klimasicher ist der Fluss?

Wie wird der Rhein klimasicher? Marode Dämme, schleppende Sanierungen und steigende Pegel sorgen für wachsendes Risiko. Wir schauen uns an, was geplant ist und an welchen Stellen es hakt.

Hochwasser in Köln

Wie hier in Köln ist auch in anderen Städten am Rhein durch den Klimawandel verstärkt mit Hochwasser zu rechnen. Welche Schutzmaßnahmen sind geplant und wie weit ist es mit der Umsetzung?

Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Der Rhein ist Lebensader, Transportweg und Wirtschaftsfaktor – aber auch ein Risiko. Nahezu alle paar Jahre treten seine Pegel über die Ufer, sei es durch langanhaltende Regenfälle, durch Schneeschmelze oder durch extreme Wetterereignisse. Während der Rhein im Alltag als Schifffahrtsstraße und Energieträger fungiert, wird er in Starkregen-Phasen zur Gefahr. Besonders am Oberrhein, aber auch in NRW, ist die Hochwassergefahr groß. Der Schutz hinkt hinterher: Wie aktuelle Zahlen zeigen, läuft der Fortschritt bei der Sanierung der Dämme zu langsam.

Ein Tropfen auf den heißen Stein: kaum Fortschritte bei Dammsanierungen

Die Zahlen sind ernüchternd. Im vergangenen Jahr wurden am Oberrhein lediglich 700 Meter Damm saniert, wie das Umweltministerium in Stuttgart auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion mitteilte. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 waren es mit 1.070 Metern etwas mehr, 2022 immerhin noch 2.280 Meter. Noch 2018 belief sich die Länge der sanierten Dämme auf über 7.000 Meter – ein Vielfaches des heutigen Tempos.

Der gesamte Sanierungsbedarf ist nach Angaben der dpa gigantisch: Rund 470 Kilometer Rheindämme in Baden-Württemberg müssen erneuert oder erhöht werden. Bislang wurde seit 2017 gerade einmal ein Bruchteil bewältigt – etwa 20 Kilometer. Angesichts wachsender Risiken durch Starkregen und Klimawandel klingt dieser Fortschritt wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein.

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Warum ist die Hochwassergefahr am Oberrhein so hoch?

Die besondere Risikolage am Oberrhein hat historische Gründe. Der Rhein wurde im 20. Jahrhundert stark umgestaltet, unter anderem durch den Bau von Staustufen zwischen Weil am Rhein und Iffezheim. Diese Eingriffe ermöglichten zwar Energiegewinnung und Schifffahrtsnutzung, sie zerstörten jedoch weite Teile der natürlichen Auenlandschaft.

Früher wirkten diese Auen wie ein gigantischer Schwamm: Bei Hochwasser konnte sich das Wasser großflächig ausbreiten und die Pegel so entlasten. Mit dem Verlust der Überflutungsflächen fehlt

dieser Puffer. Die Folge: Bei großen Hochwasserwellen steigt das Risiko dramatisch, dass die Fluten die Deiche überströmen oder sie im schlimmsten Fall brechen. Die Regierungspräsidien am Oberrhein warnen, dass die möglichen Schäden beträchtlich wären – betroffen wären Wohngebiete, Industrieanlagen, landwirtschaftliche Flächen und Infrastruktur.

Das Dorf Schenkenschanz, gehört zu Kleve am Niederrhein, 9 Zehntel der Gemarkung liegen im Überflutungsbereich des Rheins, der Ort wird von einer Hochwasserschutzmauer umgeben

Das Dorf Schenkenschanz, gehört zu Kleve am Niederrhein, 9 Zehntel der Gemarkung liegen im Überflutungsbereich des Rheins, der Ort wird von einer Hochwasserschutzmauer umgeben.

Foto:picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack

Das Integrierte Rheinprogramm: Versprechen seit den 1980er-Jahren

Um diesen Gefahren zu begegnen, beschlossen Deutschland und Frankreich bereits in den 1980er-Jahren eine gemeinsame Maßnahme: das Integrierte Rheinprogramm (IRP). Es verbindet Hochwasserschutz mit ökologischer Aufwertung. Ziel ist es, ehemalige Überflutungsflächen zwischen Basel und Mannheim teilweise wiederherzustellen und so ein Rückhaltevolumen von insgesamt 164,2 Millionen Kubikmetern zu gewinnen.

Dafür sind 13 große Rückhalteräume vorgesehen, verteilt entlang des Oberrheins. Sie sollen bei Hochwasser gezielt geflutet werden und die Wassermassen zurückhalten – ganz ähnlich wie frühere Auen und Überschwemmungsgebiete.

Die Umsetzung läuft schleppend. Behörden gehen davon aus, dass das gesamte Projekt frühestens 2038 fertiggestellt sein wird. Schon jetzt belaufen sich die geschätzten Kosten auf 2,4 Milliarden Euro – ohne künftige Baupreis-Steigerungen. Das Problem: Der Hochwasserschutz ist nicht die alleinige Verantwortung des Landes Baden-Württemberg. Die Zusammenarbeit mit Frankreich erfordert Abstimmungen über Jahre, da es sich um ein grenzübergreifendes Großprojekt handelt.

Klimawandel verschärft den Handlungsdruck beim Hochwasserschutz am Rhein

Unstrittig ist: Der Klimawandel wird die Risiken in den kommenden Jahren massiv erhöhen. Expertinnen und Experten prognostizieren eine Zunahme von Starkregenereignissen, eine höhere Wahrscheinlichkeit von Winterhochwasser durch mildere Temperaturen und mehr Schmelzwasser sowie eine insgesamt schwerer planbare Pegelentwicklung.

Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, welchen Schaden große Hochwasser anrichten können. Flutkatastrophen an Elbe und Donau im Jahr 2013 richteten Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe an, gleiches gilt für die Ahrtal-Flut.

Neue Emschermuendung in den Rhein. Sanierung der Deiche nach Deicherosion beim Hochwasser 2023

Neue Emschermuendung in den Rhein. Sanierung der Deiche nach Deicherosion beim Hochwasser 2023.

Foto: picture alliance / Rupert Oberhäuser | Rupert Oberhäuser

Risiko durch Verzögerungen beim Hochwasserschutz

Investitionen in den Hochwasserschutz gelten als teuer – die 2,4 Milliarden Euro für das IRP sind dafür ein Beispiel. Doch Expertinnen und Experten verweisen auf die volkswirtschaftliche Dimension: Jeder Euro, der in vorbeugende Maßnahmen investiert werde, spare im Schadensfall ein Vielfaches. Besonders kritisch am Oberrhein ist die Ballung wirtschaftlicher Infrastruktur. Chemiewerke in Ludwigshafen und Karlsruhe, Energieanlagen, Hafenlogistik und eine dichte Siedlungsstruktur: Bei einem Dammbruch wären die Schäden nicht nur lokal, sondern in ganz Deutschland und Teilen Europas spürbar.

Fachleute warnen daher, dass der schleppende Fortschritt auf lange Sicht unkalkulierbare Risiken birgt. Noch ist nicht absehbar, wann die Sanierung der 470 Kilometer Damm abgeschlossen sein soll, wenn pro Jahr nur wenige hundert Meter ausgebaut werden. Selbst wenn das IRP bis 2038 fertiggestellt würde, bleibt die Frage offen, wie zuverlässig bestehende Deiche bis dahin wirklich schützen.

Hochwasserschutz in Köln: Beispiel für passende Lösungen

Köln gilt als Vorreiter moderner Hochwasserschutzkonzepte entlang des Rheins. Die Stadt leidet historisch immer wieder unter Überflutungen, und insbesondere die Hochwasserereignisse der Jahre 1993 und 1995 haben den Ausbau der Schutzmaßnahmen beschleunigt. Im Zentrum steht der Aktionsplan Hochwasser. Schon ab einem Rheinwasserstand von 4,50 Metern aktiviert die Stadt vorbeugende Maßnahmen: Dazu zählen das Schließen von Schiebern in Abwasserkanälen, der Einsatz mobiler Schutzwände und ein flächendeckendes System an Messstellen und Hochwasserpumpenanlagen. In besonders kritischen Phasen besetzen die Stadtentwässerungsbetriebe rund um die Uhr ihre Leitstellen, um alle Hochwasserschutz Aktivitäten zu steuern und zu koordinieren.

Ein wichtiger Schritt für den Kölner Hochwasserschutz ist der geplante Retentionsraum Worringen, der im März 2025 genehmigt wurde. Auf einer Fläche von 670 Hektar kann das Becken künftig bei extremen Hochwasserlagen gezielt geflutet werden, um bis zu 30 Millionen Kubikmeter Wasser aufzunehmen und Hochwasserspitzen um bis zu 17 Zentimeter zu senken. Die Maßnahme schützt nicht nur zehntausende Menschen im Kölner Norden, sondern trägt dazu bei, auch rheinabwärts – etwa in Düsseldorf und den Niederlanden – das Hochwasserrisiko zu mindern. Die Bauarbeiten sollen zwischen 2027 und 2034 erfolgen; rund 226 Millionen Euro sind dafür veranschlagt.

Hochwasserschutzmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen: Stand und Strategien

Nicht nur Köln, Nordrhein-Westfalen ist insgesamt als bevölkerungsreichstes Bundesland besonders vom Hochwasserrisiko betroffen. Neben dem Rhein sind zahlreiche Nebenflüsse wie Ruhr, Lippe, Emscher und Sieg potenzielle Gefahrenquellen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden daher Schutzprogramme initiiert, die sowohl den technischen Ausbau als auch ökologische Ansätze berücksichtigen.

Kernpunkte des landesweiten Schutzsystems sind rund 1.000 Kilometer Dämme und Deiche, Pumpwerke, mobile Schutzwände für Städte und ein dichtes Netzwerk aus Messstellen. Die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten ist ein wichtiger Bestandteil der Prävention: Auf Basis dessen dürfen in besonders gefährdeten Bereichen keine neuen Wohn- oder Gewerbegebiete entstehen. Zusätzlich investiert NRW in Renaturierungsprojekte, um Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Beispielhaft sind der Retentionsraum Langel in Köln, der Polder Rees-Lohrwardt am Niederrhein, der Polder Orsoy-Land in Rheinberg (Genehmigungsverfahren) und die Rückverlegung von Deichen in Duisburg-Mündelheim (in Bau).

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Hochwasserschutz bleibt Wettlauf gegen die Zeit

Hochwasserschutz ist immer auch ein Wettlauf gegen ein unplanbares Naturereignis. Am Oberrhein ist der Handlungsdruck besonders hoch, weil historische Eingriffe die Lage verschärft haben und die Bevölkerungs- und Wirtschaftsdichte das Risiko von Extremereignissen vervielfacht.

Die dpa-Zahlen zur schleppenden Damm-Sanierung zeigen, wie groß die Lücke ist, die derzeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft. Parallel laufen milliardenschwere Projekte wie das IRP, die zwar langfristig eine Lösung versprechen, aber erst in den 2030er-Jahren abgeschlossen sein werden.

Bis dahin bleibt die Herausforderung bestehen, kurzfristige Schutzmaßnahmen zu beschleunigen, bestehende Dämme zu sichern und die Bevölkerung für die Gefahren zu sensibilisieren. Sicher ist: Hochwassergefahren lassen sich nicht aufschieben – sie sind schon da. Der Rheinpegel wird immer wieder steigen, die Frage ist nur, ob die Schutzmaßnahmen Schritt halten. (mit Material der dpa)

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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