Großbrand in Hamburg: Lachgas erschwerte Löscharbeiten
Großbrand im Hamburger Hafen: Lachgas-Flaschen explodieren, Feuerwehr kämpft mit Spezialtechnik gegen Flammen und Trümmer.
Die Feuerwehr war die ganze Nacht damit beschäftigt, den Großbrand im Hamburger Hafen zu löschen.
Foto: picture alliance/dpa | Bodo Marks
Ein gewöhnlicher Notruf am Montagnachmittag: In einer Lagerhalle auf der Veddel brennt ein Auto. Was zunächst wie ein überschaubarer Einsatz wirkt, entwickelt sich binnen Minuten zu einem Szenario, das Hunderte Einsatzkräfte tagelang beschäftigt. Der Grund: In der Halle lagerten Hunderte Flaschen Lachgas – gefüllt mit Distickstoffmonoxid, einem farb- und geruchlosen Gas. Dieses Gas brennt zwar nicht, wirkt aber wie ein Brandbeschleuniger. Und genau das verwandelte den Fahrzeugbrand in eine Kettenreaktion aus Explosionen, Flammen und Trümmern.
„Als die ersten Einsatzkräfte an der Einsatzstelle eintrafen, explodierten bereits mehrere Druckgasbehälter in der Lagerhalle“, sagte Feuerwehrsprecher Lorenz Hartmann in der Nacht.
Warum Lachgas so gefährlich ist
Distickstoffmonoxid wird im medizinischen Bereich genutzt, etwa zur Narkose. In der Partyszene gilt es als Droge, weil es kurze Euphorie auslöst. Technisch ist es ein Oxidationsmittel: Es liefert zusätzlichen Sauerstoff. Genau das macht es in einer brennenden Halle so gefährlich. Es wirkt wie ein Turbo für das Feuer. Jede geplatzte Flasche beschleunigte den Brand und schleuderte Trümmer hunderte Meter weit.
Für die Feuerwehr bedeutete das: Rückzug. Eine direkte Brandbekämpfung war unmöglich, weil sich ständig neue Explosionen ereigneten. Trümmer beschädigten Fahrzeuge, durchschlugen Dächer von Drehleitern und landeten sogar auf der Autobahn A1. Dort kam es zu einem Unfall, eine Autofahrerin wurde verletzt.
Technik im Ausnahmezustand
Um die Flammen zu bekämpfen, griff die Feuerwehr auf Spezialtechnik zurück. Am Abend rollten riesige Flugfeldlöschfahrzeuge vom Hamburger Flughafen an. Diese Fahrzeuge sind eigentlich dafür gebaut, brennende Flugzeuge zu löschen. Sie besitzen Wasserwerfer mit enormer Reichweite und konnten so aus sicherer Entfernung Löschwasser auf die Hallen sprühen.
Auch das Technische Hilfswerk kam zum Einsatz. Es stellte Lichtmasten und Pumpen bereit, um die Wasserversorgung aufrechtzuerhalten. Über kilometerlange Schlauchleitungen und das Löschboot „Prag“ floss Wasser in Richtung Brandherd. Doch der Brand ließ sich nur langsam eindämmen.
Explodierende Flaschen, einstürzendes Dach
Das Dach der Halle stürzte in der Nacht ein. Trotzdem waren die Flammen nicht unter Kontrolle. „Die Explosionen sowie die Brandintensität waren so stark, dass der Einsatzleiter sich nach einer ersten Evakuierung und der Rettung von Menschen für einen sofortigen Rückzug entschied“, erklärte Feuerwehrsprecher Hartmann.
320 Kräfte kämpften bis in die Nacht. Immer wieder detonierten weitere Flaschen. Die Polizei sperrte einen Bereich von 400 Metern. Die A1 blieb bis spät in die Nacht blockiert, Staus waren die Folge.
Rettung über das Wasser
Dramatische Szenen spielten sich am Rande des Brandes ab. 25 Menschen mussten aus dem Gefahrenbereich gebracht werden. Acht von ihnen retteten Einsatzkräfte mit Booten über das Wasser. Eine Person erlitt lebensgefährliche Verletzungen, mehrere weitere wurden schwer verletzt, darunter auch zwei Feuerwehrleute mit Knalltrauma.

Explodierende Gasflammen machten die Löscharbeiten komplex und gefährlich.
Foto: picture alliance/dpa | Bodo Marks
Folgen für Hafen, Bahn und Industrie
Die Rauchwolke über Hamburg war kilometerweit sichtbar. Messstellen schlugen Alarm. Erst um zwei Uhr nachts gab die Feuerwehr über die Warn-App Nina Entwarnung. Für die Schifffahrt im Hafen richtete die Hamburg Port Authority Sperrungen ein, doch der Containerverkehr war nicht betroffen.
Der Kupferkonzern Aurubis sperrte vorsorglich Teile seines Werks, die an den Brandort grenzen. „Das Werk selbst ist nicht betroffen“, betonte ein Sprecher. Die Werksfeuerwehr unterstützte dennoch beim Löschen.
Der Bahnverkehr lief weiter. Die Seeschifffahrt ebenso. Anders die Autofahrenden: Sie mussten weite Umwege nehmen.
Wenn Gasflaschen zum Risiko werden
Der Hamburger Brand zeigt, wie gefährlich falsch gelagerte Druckgasflaschen sind. Lachgas wird längst nicht mehr nur in der Medizin genutzt. Viele Jugendliche konsumieren es als Partydroge. Das Gas wird in Kartuschen verkauft, die nach Gebrauch oft achtlos entsorgt werden.
Entsorger warnen seit Jahren. Halbvolle Flaschen explodieren in Müllverbrennungsanlagen. In Hagen fordert ein Entsorgungsbetrieb deshalb ein Pfand von 50 Euro pro Kartusche. „Alle Appelle und Hinweise, die Lachgas-Flaschen doch bitte richtig zu entsorgen, hätten nichts gebracht“, sagt Geschäftsführer Sven Lindemann.
Auch in Bonn kam es 2025 zu einem Brand in einer Verwertungsanlage, mutmaßlich ausgelöst durch eine Lachgas-Kartusche. Viele Städte raten inzwischen, die Flaschen an Recyclinghöfen oder beim Händler abzugeben.
Löscharbeiten dauern an
„Die Löscharbeiten werden bis in den nächsten Tag andauern“, sagte Hartmann in der Nacht. Am Dienstag sollten Teile der Halle eingerissen werden, um die letzten Flammen zu erreichen. Zurück bleibt nicht nur ein zerstörtes Gebäude, sondern auch eine Debatte über den Umgang mit einem Gas, das im falschen Moment ganze Städte lahmlegen kann.
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