Klimawandel 04.06.2024, 12:21 Uhr

Forscher warnen: Erwärmung des Grundwassers gefährdet Millionen weltweit

Durch den Klimawandel erwärmt sich das Grundwasser. Dies könnte dazu führen, dass bis zum Jahr 2100 bis zu 188 Millionen Menschen in Gebieten leben, in denen das Grundwasser keine Trinkwasserqualität mehr hat.

Grundwasser

Mit steigender Grundwassertemperatur nimmt die Trinkwasserqualität ab - insbesondere in trockenen Gebieten eine große Gefahr.

Foto: PantherMedia / _fla

Grundwasser ist das größte ungefrorene Süßwasserreservoir der Welt und für das Leben auf der Erde unerlässlich. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Wien haben nun untersucht, wie sich die globale Erwärmung auf die Temperatur des Grundwassers auswirkt und welche Folgen dies für Mensch und Natur hat. Laut der Studie, die in Nature Geoscience veröffentlicht wurde, könnten bis zum Jahr 2100 zwischen 77 und 188 Millionen Menschen in Gebieten leben, in denen das Grundwasser keine Trinkwasserqualität mehr hat.

Änderung der Grundwassertemperatur im Fokus

Die Erde erwärmt sich durch die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Die Wärmeabstrahlung funktioniert einfach nicht mehr so gut wie vor dem Klimawandel. In der Folge erwärmen sich dich die Ozeane, aber auch die Böden und schließlich das Grundwasser nehmen zusätzliche Wärme auf. Bislang war allerdings wenig darüber bekannt, wie sich die Erwärmung der Erdoberfläche zeitlich und räumlich auf das Grundwasser auswirkt – und welche Folgen eine Grundwassererwärmung für die Menschen hat.

„Um die Lücke zu schließen, haben wir die prognostizierten Veränderungen der Grundwassertemperatur bis zum Jahr 2100 auf globaler Ebene dargestellt“, sagt Susanne Benz vom Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF) des KIT. „Wir stellen globale Temperaturkarten für Grundwasser in Tiefen von fünf und 30 Metern unter der Erdoberfläche zur Verfügung. Diese zeigen, dass an Orten mit flachem Grundwasserspiegel und/oder hoher atmosphärischer Erwärmung weltweit die höchsten Grundwassererwärmungsraten zu erwarten sind.“

Für ihre Forschungen nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die beiden Klimaszenarien „SSP 245“ und „SSP 585“. Mit solchen Szenarien werden verschiedene sozioökonomische Entwicklungen beschrieben. Unter anderem wird auch von unterschiedlichen Verläufen des Treibhausgasgehalts in der Atmosphäre ausgegangen. SSP 245 beschreibt hierbei ein Szenario, das in der Mitte angesiedelt ist, während SSP 585 den denkbar schlechtesten Verlauf beschreibt.

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Millionen Menschen von zu warmem Trinkwasser betroffen

Die Studie zeigt, dass die Grundwassertemperaturen bis 2100 um 2,1 Grad (SSP 245) und um 3,5 Grad (SSP 585) ansteigen könnten. Zu warmes Grundwasser kann nicht bedenkenlos getrunken werden und muss beispielsweise abgekocht werden. Bereits heute sind etwa 30 Millionen Menschen davon betroffen.

Die neue Studie prognostiziert, dass diese Zahl auf 76 bis 188 Millionen Menschen (SSP 245) bzw. 59 bis 588 Millionen Menschen (SSP 585) steigen könnte. Die Unterschiede hängen mit der regionalen Variabilität des Klimawandels und der Tiefe des Grundwasserspiegels zusammen. Die geringsten Erwärmungsraten werden für Gebirgsregionen wie die Anden oder die Rocky Mountains erwartet.

Auswirkungen auf Ökosysteme

Die Erwärmung des Grundwassers hat weitreichende Folgen. Grundwasser ist nicht nur eine wichtige Trinkwasserquelle, sondern auch Lebensraum. Der Grundwasserökologe Christian Griebler von der Universität Wien erforscht die biologische Vielfalt in Grundwasserökosystemen und die damit verbundenen Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe. Erwärmtes Grundwasser führt zu höherer Aktivität von Mikroorganismen und schnellerem Atmen von Tieren, was den verfügbaren Sauerstoff rasch aufbraucht und das System aus dem Gleichgewicht bringt. „Ohne Sauerstoff gibt es kein höheres Leben und der Verlust führt zu dramatischen Veränderungen bei den mikrobiologischen Prozessen“, erklärt Griebler.

Arsen und Phosphor werden frei

„Bei Sauerstoffmangel kommt es zu sogenannten anaeroben Atmungsprozessen von Bakterien. Dabei entstehen gelöstes Eisen und Mangan, Schwefelwasserstoff oder Methan. Das beeinträchtigt die Grundwasserqualität drastisch, es kann nicht mehr ohne weiteres als Trinkwasser genutzt werden bzw. nur nach sehr teurer Aufbereitung.“

Ein weiteres Problem: Auch Schwermetalle und Nährstoffe werden unter sauerstofffreien Bedingungen mobilisiert. Vorher waren sie im Sediment gebunden, nun können Arsen oder Phosphor freiwerden. Griebler sieht die Gefahr insbesondere dort, wo die Sauerstoffkonzentration im Grundwasser bereits jetzt sehr niedrig ist. Das ist häufig unter großen Städten der Fall – wie zum Beispiel in Wien.

Prozesse und Auswirkungen, die mit einer Erwärmung des Grundwasses im Zusammenhang stehen. Foto: UMCES IAN Media Library, Dylan Irvine, Springer Nature Journals

Prozesse und Auswirkungen, die mit einer Erwärmung des Grundwasses im Zusammenhang stehen.

Foto: UMCES IAN Media Library, Dylan Irvine, Springer Nature Journals

Weitreichende Folgen für die Umwelt

Die Erwärmung des Grundwassers hat weitreichende Folgen für die Umwelt, insbesondere für Flüsse und andere grundwasserabhängige Ökosysteme.

Temperaturstress für sensible Lebensräume:

  • Fischlaich: Die Fortpflanzung vieler Fischarten, insbesondere des sensiblen Lachses, ist stark auf kaltes Grundwasser angewiesen. Erwärmtes Wasser kann Laichplätze zu warm werden lassen und die Reproduktion gefährden.
  • Ökosystemleistungen: Die Temperaturveränderungen beeinflussen empfindliche Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe, die für das Funktionieren ganzer Ökosysteme essenziell sind.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Maßnahmen zum Schutz der Grundwasserressourcen zu ergreifen und nachhaltige Lösungen zu finden, um den negativen Auswirkungen des Klimawandels auf das Grundwasser entgegenzuwirken“, appelliert Benz. „Eine wichtige Stellschraube beim Schutz von Grundwasser ist die Landnutzung. In städtischen Bereichen und unter großflächig versiegelten Oberflächen, liegt die Grundwassertemperatur im Durchschnitt um mindestens 2°C höher als in Bereichen mit unversiegelten Böden. Keine weitere Bodenversiegelung und eine Entsiegelung sind wichtige Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers“, ergänzt Griebler.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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