Feigenbäume speichern CO₂ als Kalkstein – eine neue Klimastrategie?
Feigenbäume speichern CO₂ als Kalziumkarbonat im Boden – eine kaum erforschte, aber langlebige Form der Kohlenstoffbindung.
Reaktion bei Einwirkung einer schwachen Säure auf den Feigenbaum, die das Vorhandensein von Kalziumkarbonat anzeigt.
Foto: Osher Shanti Rozen
Ein internationales Forschungsteam hat entdeckt, dass bestimmte Feigenbaumarten CO₂ aus der Luft aufnehmen und als Kalziumkarbonat im Boden speichern. Dieser Prozess, bekannt als Oxalat-Karbonat-Stoffwechselweg, bindet Kohlenstoff dauerhaft und könnte neue Impulse für die Agroforstwirtschaft liefern. Die Ergebnisse wurden auf der Goldschmidt-Konferenz in Prag vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis
Wenn Kohlenstoff zu Stein wird
Pflanzen binden CO₂ aus der Atmosphäre – das ist allgemein bekannt. Doch einige Feigenbaumarten gehen darüber hinaus: Sie verwandeln Kohlendioxid in eine feste, mineralische Form. Der gespeicherte Kohlenstoff bleibt so deutlich länger im Boden als üblich.
Ein Forschungsteam aus Kenia, der Schweiz, Österreich und den USA untersuchte drei Feigenbaumarten, die im trockenen Norden Kenias wachsen. Im Fokus standen ihre chemischen Prozesse und deren Auswirkung auf die CO₂-Speicherung im Boden.
Oxalat-Karbonat-Stoffwechselweg: Ein natürlicher Kreislauf
Im Zentrum der Studie steht ein wenig beachteter Mechanismus: der Oxalat-Karbonat-Stoffwechselweg. Dabei nutzen bestimmte Bäume Kohlendioxid, um Kalziumoxalat-Kristalle in ihren Geweben zu bilden. Wenn Blätter oder Holz zersetzen, wandeln Bodenmikroben diese Kristalle in Kalziumkarbonat um – bekannt etwa als Kalkstein oder Kreide.
Das Besondere: Anders als organisch gebundener Kohlenstoff, der oft nur Jahrzehnte im Boden verweilt, bleibt Kalziumkarbonat über Jahrhunderte stabil. Zudem verbessert es die Bodenchemie, weil es den pH-Wert anhebt und so wichtige Nährstoffe leichter verfügbar macht.
CO₂-Bindung an Stamm und im Boden
Dr. Mike Rowley von der Universität Zürich, der die Studie leitete, erklärt:
„Wir kennen den Oxalat-Karbonat-Stoffwechselweg schon seit einiger Zeit, aber sein Potenzial zur Kohlenstoffbindung wurde bisher nicht vollständig berücksichtigt.“
Anhand von Bodenproben und Röntgenanalysen an der Stanford Synchrotron Radiation Lightsource zeigten die Forschenden, dass sich Kalziumkarbonat nicht nur auf der Rinde, sondern auch im Inneren des Holzes bildet. Offenbar sind Mikroorganismen in der Lage, tief in das Gewebe vorzudringen und dort die Umwandlung zu vollziehen.
Rowley ergänzt: „Das zeigt, dass anorganischer Kohlenstoff tiefer im Holz gebunden wird, als wir bisher angenommen haben.“
Ficus wakefieldii: Die effektivste Art im Test
Besonders aktiv war eine der drei untersuchten Arten: Ficus wakefieldii. Sie zeigte die höchste Umwandlungsrate von CO₂ zu Kalziumkarbonat. Das Team will nun prüfen, wie gut sich diese Baumart für die Agroforstwirtschaft eignet. Dabei spielen nicht nur CO₂-Bindung, sondern auch Wasserbedarf und Fruchtertrag eine Rolle.
Ziel sei es, Nutzbäume zu finden, die einerseits Lebensmittel liefern und andererseits Kohlenstoff langfristig aus der Atmosphäre entfernen.
Bekanntes Prinzip – neue Anwendung
Der erste Baum, bei dem dieser CO₂-Speichermechanismus nachgewiesen wurde, war Milicia excelsa, auch bekannt als Iroko-Baum. Er kann laut Studien bis zu eine Tonne Kalziumkarbonat im Boden speichern. Viele weitere Baumarten, so das Forschungsteam, besitzen ähnliche Fähigkeiten. Ihre Erfassung steckt jedoch noch in den Anfängen.
Interessant ist, dass die meisten bisherigen Untersuchungen sich auf tropische Arten konzentrieren, die keine Früchte tragen. Die aktuelle Studie zeigt nun erstmals, dass auch Obstbäume wie Feigen Teil dieses natürlichen Kreislaufs sein können.
Große Verbreitung, wenig bekannt
Calciumoxalat ist eines der häufigsten Biomineralien in Pflanzen. Auch die Mikroben, die es in Kalziumkarbonat umwandeln, sind weit verbreitet. Dennoch wurde der Prozess lange übersehen. Ein Grund: In feuchteren Regionen sind Kalziumkarbonat-Ablagerungen schwerer zu identifizieren.
„In trockeneren Umgebungen lässt sich Calciumcarbonat leichter nachweisen“, erklärt Dr. Rowley. „Aber auch in feuchteren Umgebungen kann der Kohlenstoff gebunden werden.“ Er und sein Team gehen davon aus, dass weltweit deutlich mehr Baumarten zu diesem Prozess fähig sind, als bisher bekannt.
CO₂-Speicherung mit doppeltem Nutzen?
Die Forschenden sehen Potenzial, den Oxalat-Karbonat-Zyklus gezielt zu nutzen – etwa im Rahmen der Agroforstwirtschaft. Das gezielte Pflanzen von Bäumen, die sowohl CO₂ binden als auch Nahrung liefern, könnte helfen, landwirtschaftliche Erträge mit Klimaschutz zu verbinden.
„Wenn wir Bäume für die Agroforstwirtschaft pflanzen und ihre Fähigkeit zur Speicherung von CO₂ als organischer Kohlenstoff bei gleichzeitiger Produktion von Nahrungsmitteln nutzen wollen“, so Rowley, „könnten wir Bäume wählen, die einen zusätzlichen Nutzen bieten, indem sie auch anorganischen Kohlenstoff in Form von Kalziumkarbonat binden.“
Ob sich daraus eine wirksame Strategie zur CO₂-Speicherung entwickeln lässt, hängt nun von weiteren Untersuchungen ab. Das nächste Ziel des Teams ist es, die Umweltbedingungen zu analysieren, unter denen die CO₂-Bindung besonders effizient verläuft.
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