Starkbeben, Vulkanausbruch, Tsunami 07.02.2025, 12:25 Uhr

Erdbeben auf Santorini: wie schlimm kann es noch werden?

Erdbebenserie auf Santorini: Droht ein Starkbeben oder ein Vulkanausbruch? Experten untersuchen die Ursachen – aktuelle Lage und mögliche Folgen.

Santorini

Santorini ist die Trauminsel zahlreicher Menschen auf der ganzen Welt. Derzeit ist sie jedoch wie ausgestorben. Wie stark können die Erdbeben noch werden und droht ein Vulkanausbruch?

Foto: PantherMedia / SvetlanaSF

Zu Tausenden fliehen Touristen und Einheimische von der Postkartenschönheit: Seit über zwei Wochen bebt die Erde rund um die griechische Insel Santorini. Mehr als 2300 Erdbeben wurden in kurzer Zeit registriert, viele davon mit einer Magnitude von über 4. Diese Häufung ist selbst in der seismisch aktiven Region der Ägäis ungewöhnlich. Behörden haben bereits Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ergriffen, während Wissenschaftler versuchen, die Ursache der Erschütterungen zu ergründen.

Update 7. Februar: Notstand ausgerufen

Santorini und andere griechische Urlaubsinseln erleben weiterhin eine Phase anhaltender seismischer Aktivität. Laut Daten des Geodynamischen Instituts in Athen ereigneten sich allein in der Nacht zum Freitag (7. Februar, Stand: 5.30 Uhr) insgesamt 26 Erdbeben in der Kykladen-Region.

Beben mit einer Stärke von 5 oder mehr wurden nicht registriert. Die meisten Erschütterungen erreichten laut Geo-Institut eine Magnitude von 3, während das stärkste Beben dieser Nacht um 3.35 Uhr auftrat und eine Stärke von 4,3 aufwies. Das Epizentrum lag – wie bei den meisten Erdbeben zuvor – nordöstlich von Santorini.

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Bereits am Abend des 6. Februar rief das griechische Bürgerschutzministerium für die Insel den Notstand aus. Seismologen warnen, dass ein noch stärkeres Beben bevorstehen könnte. Die Maßnahme erlaubt es, schweres Räumgerät sowie Einsatzkräfte für eventuelle Evakuierungen und Aufräumarbeiten bereitzustellen.

Die griechische Erdbebenschutzbehörde schließt ein Beben der Stärke 6 oder höher nicht aus, was zu erheblichen Gebäudeschäden führen könnte. Die Angst vor weiteren Erschütterungen hat bereits rund 11.000 der insgesamt 16.000 Bewohner zur Flucht von der Insel veranlasst. Viele der Verbliebenen fürchten Plünderungen und bleiben, um ihr Eigentum zu schützen.

Update 6. Februar: Aachener Georisiken-Experte gibt keine Entwarnung

Während griechische Experten (siehe nächster Abschnitt) bereits vorsichtigen Optimismus ausstrahlen, sieht Professor Klaus Reicherter, Georisiken-Experte der RWTH Aachen, nach wie vor die Gefahr, dass noch schlimmere Beben zu erwarten sind: „Momentan gehen wir eher von einem großen Erdbeben als einem Vulkanausbruch aus.“

Aktuell sind die Erschütterungen noch moderat, doch die Gefahr wächst. „Zum Vergleich: Das Beben von Roermond 1992 hatte eine Magnitude von 5,4, da waren die Leute hier in der Aachener Region durchaus panisch“, so Reicherter. Ein Beben der Stärke 7 wäre jedoch rund 1000-mal stärker.

„Die Energie durch die bisherigen 5er-Beben wurde noch nicht abgebaut“, warnt der Experte. Die Region verformt sich stark: „Die Türkei wird um zirka 25 Millimeter pro Jahr nach Westen, also in die Ägäis hinein, gequetscht.“ Der tektonische Druck steigt, wodurch ein größeres Erdbeben jederzeit möglich ist.

Flucht ist die richtige Entscheidung

Die Menschen verlassen die Insel, aus Angst vor Erdrutschen und Tsunamis. „An der Westseite mit der Steilküste besteht die Gefahr von Felsstürzen, an der flachen Ostseite mit den Stränden die Gefahr von Tsunamis“, erklärt Reicherter. Bereits 1956 traf eine zehn Meter hohe Welle die Region und forderte zahlreiche Opfer.

Ein genaues Vorhersagen eines Bebens ist unmöglich. „Deswegen verlassen die Menschen die Insel auch, weil sie es eben nicht wissen, und wir Forschende ein Erdbeben nicht vorhersagen können.“ Die Lage bleibt angespannt – und das nächste große Beben könnte jederzeit kommen.

Update 5. Februar: Vorsichtiger Optimismus bei griechischen Experten

Laut Costas Papazachos, Professor für Geophysik und Seismologie, ist ein weiteres starkes Erdbeben nicht auszuschließen. Doch er sieht auch positive Zeichen: „Die Szenarien scheinen besser zu sein, da das verbleibende Gebiet kleiner ist und wir uns auf ein günstigeres Szenario zubewegen.“ Das sagte er am 5. Februar gegenüber der Athener Zeitung Kathimerini. Damit sendet er zumindest verhaltene Entwarnung.

Auch Evi Nomikou, Professorin für Geologie und Geoenvironment an der Universität Athen, teilt diesen vorsichtigen Optimismus. Sie betont, dass Forschende die seismische Situation genau beobachten. „Wir wissen sehr genau, was passiert. Wir erstellen tektonische Karten, die bestätigen, dass die aktuellen Epizentren viel weiter vom Epizentrum von 1956 entfernt sind.“ Damals hatte ein Seebeben mit nachfolgenden Erdstößen ein Dorf so stark zerstört, dass es zeitweise verlassen werden musste.

Auch Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis wurde umfassend informiert. Nach einem Treffen mit Fachleuten erklärte er: „Ich bleibe bei der etwas ermutigenden Aussage von Professor Papazachos, dass wir heute optimistischer sind als gestern.“ Doch er betonte gleichzeitig, dass keine genauen Vorhersagen möglich seien.

Neue Herausforderungen durch mögliche Erdrutsche

Selbst wenn das größte Erdbeben überstanden sein sollte, bleibt die Lage angespannt. Die fortwährenden Erdstöße haben an mehreren Stellen der Insel die Gefahr von Erdrutschen erhöht. In fünf Regionen gilt nun „Alarmstufe Rot“. Diese Gebiete wurden als besonders risikoreich eingestuft, sodass sofortige Maßnahmen notwendig sind. Betroffen sind unter anderem:

  • Der alte Hafen von Fira
  • Der Hafen von Athinios im Südwesten
  • Das Straßennetz in Ormos
  • Oia im Norden, insbesondere die Gebiete Ammoudi und Armeni
  • Die Insel Thirasia mit der Siedlung Korfos und deren oberhalb gelegenen Bereich

Erdbeben auf Santorini: Naturphänomen mit Geschichte

Die Insel Santorini ist eng mit vulkanischer Aktivität verbunden. Vor etwa 3600 Jahren ereignete sich hier eine der größten Eruptionen der Bronzezeit. Der Thera-Vulkan explodierte mit verheerenden Folgen, hinterließ eine Caldera und beeinflusste vermutlich sogar das Ende der minoischen Kultur.

Die Explosion setzte gigantische Mengen Asche und Gase frei, die das Klima veränderten und für Missernten im östlichen Mittelmeerraum sorgten. Seitdem ist die Region immer wieder von seismischen Aktivitäten betroffen, doch das aktuelle Bebenmuster gibt den Forschenden Rätsel auf.

Tektonische Prozesse und vulkanische Aktivität

Santorini liegt am Hellenischen Inselbogen, einer geologisch hochaktiven Zone. Hier schiebt sich die Afrikanische Platte unter die Ägäische Platte, was regelmäßig zu Spannungen und Erdbeben führt. Diese Subduktionszone sorgt nicht nur für seismische Aktivitäten, sondern auch für die Entstehung von Magmakammern in der Erdkruste. Besonders betroffen ist der Unterseevulkan Kolumbo, der sich etwa acht Kilometer nordöstlich von Santorini befindet.

Kolumbo ist einer der aktivsten Unterwasservulkane der Region. Die letzte große Eruption im Jahr 1650 führte zu einer massiven Freisetzung von Lava, Gasen und Asche. Zudem löste die Explosion eine Druckwelle aus, die einen Tsunami verursachte und 70 Menschen auf Santorini das Leben kostete. Seither wird die Aktivität des Vulkans genau beobachtet. Seismologen vermuten, dass die jüngsten Erdbeben mit einer möglichen Magmabewegung unter dem Vulkan zusammenhängen könnten.

Hinweise auf einen bevorstehenden Ausbruch?

Eine Studie von Geologen des Imperial College London ergab, dass sich eine Magmakammer unter dem Kolumbo mit alarmierender Geschwindigkeit füllt. Die Magmamenge wächst jährlich um 0,004 Kubikkilometer – ein Wert, der darauf hindeuten könnte, dass sich der Vulkan auf eine neue Eruption vorbereitet. Laut Geophysikern hat sich in den letzten Jahren ein erheblicher Druckaufbau in der Kammer gezeigt. Solche Druckverhältnisse können entweder durch einen Ausbruch entladen oder sich über längere Zeiträume stabilisieren.

Jens Karstens vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel erklärt: „Die gegenwärtigen Erdbeben sind sowohl auf vulkanische als auch auf tektonische Aktivität zurückzuführen. Eine wahrscheinliche Magmabewegung im Vulkansystem von Santorini führt zu Spannungen in der Erdkruste, die wiederum Erdbeben auslösen.“

Risiko eines Starkbebens oder eines Vulkanausbruchs?

Bislang sind sich die Forschenden nicht einig, ob die Erdbebenserie ein Vorbote eines stärkeren Erdbebens oder einer bevorstehenden Eruption ist. „Der Anstieg der Magnitude könnte mit einem zunehmenden Volumen an Magma zusammenhängen, das sich durch die Erdkruste bewegt“, erläutert Eleonora Rivalta vom Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam. Seismische Messungen zeigen zudem steigende Spannungen entlang der Plattengrenze. Möglich ist auch ein Zusammenspiel beider Faktoren: Tektonische Verschiebungen könnten die Magmabewegungen verstärken oder umgekehrt.

Ein weiteres Indiz für vulkanische Aktivität sind sich verändernde Gasmessungen. Vulkanische Gase wie Schwefeldioxid treten in größerer Menge aus, wenn sich Magma in Richtung Oberfläche bewegt. Zudem zeigen Messungen der Meeresbodentemperatur Anomalien, die darauf hindeuten, dass heiße Fluide aus dem Untergrund aufsteigen. Auch Verformungen der Erdoberfläche, sogenannte Bodenhebungen, sind messbar und deuten auf aufsteigendes Magma hin.

Kann ein Tsunami entstehen?

Angesichts der Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung haben die Behörden Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Schulen wurden geschlossen, Menschen sollen sich nicht in Küstennähe aufhalten, und tausende Bewohner haben die Insel bereits verlassen. Auch das deutsche Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung für Santorini ausgesprochen.

Falls es zu einem stärkeren Erdbeben oder gar einer Eruption kommt, könnten neben direkten Schäden auch Tsunamis oder Erdrutsche drohen. „Besonders die Warnung vor möglichen Sekundärgefahren ist wichtig“, betont Rivalta. „Erdbeben können Tsunamis auslösen oder steile Hänge destabilisieren.“ Tsunamis entstehen besonders dann, wenn eine große Menge Gestein ins Wasser rutscht oder eine Explosion die Meeresoberfläche verdrängt. Die Hanglagen Santorinis mit ihrer zerklüfteten Steilküste sind daher besonders gefährdet.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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