Gasprojekt bedroht das Great Barrier Reef – Millionen Korallen in Gefahr
Ein LNG-Projekt in Australien verursacht 876 Millionen Tonnen CO₂. Diese Folgen hat das für Menschen, Klimaziele und Millionen von Korallen.
Ein Meer voller Leben – noch. Forschende warnen, dass das australische LNG-Projekt Scarborough Millionen Korallen das Leben kosten könnte.
Foto: Smarterpix / thomaseder
Vor der Westküste Australiens soll ab 2026 Flüssigerdgas gefördert werden. Das Projekt heißt Scarborough. Es läuft voraussichtlich 31 Jahre. Forschende der Australian National University haben ausgerechnet, was diese eine Entscheidung fürs Klima bedeutet. Ihr Ergebnis: 876 Mio. t CO₂ über die gesamte Laufzeit. Klingt abstrakt. Übersetzt heißt das: zusätzliche 0,00039 °C globale Erwärmung.
Die Studie nutzt die TCRE-Metrik. Dahinter steckt ein einfacher, gut belegter Zusammenhang: Jede zusätzliche 1000 Gigatonnen CO₂ erwärmen die Erde um etwa 0,45 °C. Diese Linearbeziehung verwendet auch der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). So lässt sich die Erwärmung einzelner Projekte berechnen.
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„Vernachlässigbar“? Die Folgen sind messbar
Projektträger argumentieren oft, ihr Beitrag sei im globalen Mix nicht nachweisbar. Die Autorinnen und Autoren halten dagegen – mit Zahlen für Menschen und Ökosysteme. So zeigt die Analyse: Die Scarborough-Emissionen würden in einer Welt mit 9,5 Mrd. Menschen zusätzliche 516.000 Personen extremer Hitze aussetzen. Weitere 356.000 Menschen rutschen außerhalb der „menschlichen Klimanische“. Das ist der Temperaturbereich, in dem Gesellschaften historisch gut zurechtkamen.
Auch für Europa rechnen die Forschenden vor: Bis zum Ende des Jahrhunderts kämen 484 zusätzliche hitzebedingte Todesfälle hinzu. Rechnet man geringere Kältetote dagegen, bleibt eine Netto-Mehrsterblichkeit von 118 Menschen.
Die Mitautorin Sarah Perkins-Kirkpatrick sagt: „Die meisten neuen australischen Projekte im Bereich fossiler Brennstoffe bezeichnen ihre erwarteten Treibhausgasemissionen im Kontext der globalen Emissionen als ‚vernachlässigbar‘ und behaupten, dass sie ihren Beitrag zur globalen Erwärmung nicht messen können, während sie gleichzeitig die zu erwartenden Auswirkungen ignorieren.“ Und weiter: „Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Emissionen aus diesem neuen Projekt alles andere als vernachlässigbar sind.“
Great Barrier Reef: Millionen Korallen pro Bleichereignis
Die vielleicht eindringlichste Zahl betrifft das Great Barrier Reef. Die Forschenden koppeln den globalen Temperaturanstieg an die Hitzebelastung im Riff. Dafür nutzen sie „Degree Heating Weeks“. Diese Größe fasst Intensität und Dauer von Meeres-Hitzewellen zusammen. Ergebnis: Selbst der kleine Beitrag von Scarborough erhöht die thermische Last im Riff messbar. Bei jedem künftigen großflächigen Bleichereignis sterben dadurch zusätzlich rund 16 Mio. Korallenkolonien. Die Bandbreite liegt zwischen 4,7 und 37 Mio.
Das ist viel. Korallenriffe bieten Lebensraum, Küstenschutz und Einkommen. Wenn Bleichereignisse häufiger werden, bricht diese Funktion weg. Der Rückgang trifft auch Seegraswiesen, Fische und den Tourismus. Die Studie bezieht sich bewusst nur auf die Wärmebelastung. Sie zählt Effekte wie Versauerung und Überschwemmungen nicht mit.
Nationale Klimaziele unter Druck
Australien hat sich in seiner „Nationally Determined Contribution“ (NDC) zu -43 % bis 2030 (gegenüber 2005) und zu Netto-Null bis 2050 verpflichtet. Legt man diesen Pfad zugrunde, wächst der Anteil der Scarborough-Emissionen am jährlichen CO₂-Budget von rund 1,9 % zum Start auf 4,9 % im Jahr 2040. 2049 würde das Projekt alleine 49 % des dann verfügbaren Jahresbudgets beanspruchen.
Ab 2050 müssten alle verbleibenden Projekt-Emissionen dauerhaft wieder aus der Atmosphäre geholt werden. Das ist teuer und technisch begrenzt: 2023 wurden weltweit nur 0,04 Mio. t CO₂ dauerhaft gespeichert – etwa 0,6 % dessen, was Scarborough pro Jahr in Australien verursachen wird.
Mitautorin Nicola Maher folgert: Ohne massive und realistisch kaum erreichbare CO₂-Entnahme passt das Projekt nicht zu den nationalen Zielen.
Was die Methode leistet – und was nicht
Die TCRE-Rechnung liefert eine robuste Näherung für den wärmenden Effekt pro ausgestoßener Tonne CO₂. Das reicht, um Folgen in Größenordnungen zu bewerten. Dazu gehört, Risiken formell zu bepreisen. In der Studie kippt die Einschätzung „vernachlässigbar“ in „schwerwiegend“, wenn man Eintrittswahrscheinlichkeit und Konsequenz kombiniert.
Wichtig: Die Autorinnen und Autoren rechnen konservativ. Sie berücksichtigen zum Beispiel keine möglichen Kippelemente, die die Erwärmung zusätzlich antreiben könnten. Ebenso bleiben kombinierte Stressoren wie Säuregehalt oder seltener werdende Erholungsphasen außen vor. Das macht die genannten Zahlen eher zu Untergrenzen.
Andrew King sagt: „Diese Ergebnisse stehen in starkem Kontrast zu Behauptungen, dass einzelne Projekte im Bereich fossiler Brennstoffe nur vernachlässigbare Auswirkungen haben werden. Allein in dieser Fallstudie wird gezeigt, dass die zusätzliche Erwärmung durch die Kohlendioxidemissionen des Scarborough-Projekts mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte andauern und langfristige ökologische und soziale Auswirkungen haben wird.“
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