Alle Gebäude der Welt im 3D-Modell: Datengrundlage für nachhaltige Städte
Ein Team der Technischen Universität München hat mit dem GlobalBuildingAtlas erstmals eine hochaufgelöste, frei verfügbare 3D-Karte aller Gebäude der Erde geschaffen. Die Daten eröffnen neue Möglichkeiten für Klimaforschung, Stadtplanung und Katastrophenvorsorge.
Der GlobalBuildingAtlas stellt erstmals die lückenlose 3D-Kartierung der weltweiten Bebauung bereit. Auch jedes Gebäude in New York ist erfasst.
Foto: Smarterpix/Melpomene
Mit dem GlobalBuildingAtlas liegt erstmals eine nahezu lückenlose 3D-Kartierung der weltweiten Bebauung vor. Sie umfasst alle Gebäude, für die im Jahr 2019 geeignete Satellitenbilder verfügbar waren. Federführend ist eine Forschungsgruppe der Technischen Universität München unter Leitung von Prof. Xiaoxiang Zhu, die den Lehrstuhl für Datenwissenschaft in der Erdbeobachtung innehat. Das Projekt vereint Fernerkundung, Künstliche Intelligenz und datengetriebene Stadtforschung in einem globalen Ansatz.
Fast drei Milliarden Gebäudemodelle
Der Atlas umfasst rund 2,75 Milliarden digitale Gebäudemodelle und bildet damit die bislang größte Sammlung räumlich expliziter Gebäudedaten. Zum Vergleich: Frühere Datenbestände kamen lediglich auf etwa 1,7 Milliarden Einträge und deckten damit nur einen Teil der real vorhandenen Bausubstanz ab. Die jetzt vorliegenden 3D-Modelle verfügen über eine Auflösung von 3×3 Metern und sind damit etwa 30-mal feiner als vergleichbare internationale Datensätze.
Unterrepräsentierte Regionen
Ein zentrales Merkmal des GlobalBuildingAtlas ist die systematische Abdeckung bisher unterrepräsentierter Regionen, insbesondere in Afrika, Südamerika und ländlichen Räumen weltweit. Diese Gebiete bildet der Atlas mit der gleichen räumlichen Genauigkeit ab wie dicht besiedelte Metropolen. Von den insgesamt 2,75 Milliarden Einträgen liegen für 97 Prozent – also etwa 2,68 Milliarden Objekte – standardisierte LoD1-3D-Modelle vor. Diese Stufe des Detaillierungsgrads bildet die Grundform eines Gebäudes und dessen Höhe in vereinfachter dreidimensionaler Geometrie ab.
3D-Modell als Schlüssel zur Stadtstruktur
Die LoD1-3D-Modelle dienen als Grundlage, um Stadtstrukturen systematisch zu untersuchen, Volumina von Gebäuden zu berechnen und Infrastruktur bedarfsgerecht zu planen. In der Praxis können Forschende etwa analysieren, wie sich die Bebauung in schnell wachsenden Städten entwickelt oder wo sich besonders dichte Quartiere mit potenziell angespannten Wohnverhältnissen befinden. Da der GlobalBuildingAtlas sowohl Megastädte als auch kleine Siedlungen und ländliche Streusiedlungen abbildet, entstehen weltweit vergleichbare Indikatoren. Damit wird sichtbar, in welchen Regionen der Ausbau von Infrastruktur, die Schaffung von Wohnraum oder Anpassungen an Klimarisiken besonders dringlich sind. Für Stadtverwaltungen, Entwicklungsorganisationen und die Wissenschaft entsteht so ein einheitliches, global nutzbares Referenzsystem.
Neuer Kennwert
Besonders wichtig ist im Projekt ein neuer Kennwert: das Gebäudevolumen pro Kopf. Dieser Indikator setzt die gesamte erfasste Gebäudemasse in Relation zur jeweils dort lebenden Bevölkerung und liefert damit ein Maß für verfügbaren Wohn- und Infrastrukturaum. So lassen sich Unterschiede in der Bebauungsstruktur zwischen informellen Siedlungen, dichten Innenstadtquartieren und locker bebauten Vororten wesentlich genauer beschreiben. Der Kennwert macht soziale und wirtschaftliche Disparitäten sichtbar und unterstützt damit Strategien für eine gerechtere und nachhaltige Stadtentwicklung. Er trägt dazu bei, Fortschritte bei den UN-Nachhaltigkeitszielen im Bereich Wohnen, Infrastruktur und Resilienz von Städten messbarer zu machen.
3D-Modell als Werkzeug für Klima und Risiko
Die Daten des GlobalBuildingAtlas sind nicht nur für die Stadtforschung von Bedeutung, sondern liefern auch eine präzise Grundlage für Klimaforschung und Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Modelle zum Energiebedarf im Gebäudesektor werden besser, etwa in Bezug auf Heiz- und Kühlleistung oder potenzielle Einsparpotenziale durch Sanierung. Für die Planung grüner Infrastruktur bietet der Atlas eine räumlich konsistente Datengrundlage, um Hitzeinseln zu identifizieren und zu entschärfen. Auch Risiken durch Überschwemmungen, Stürme oder Erdbeben können genauer modelliert werden.
Informationen für den Katastrophenfall
Neben der wissenschaftlichen Nutzung könnte der GlobalBuildingAtlas auch für operative Einrichtungen interessant sein, die im Katastrophenfall schnell belastbare Informationen benötigen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt prüft beispielsweise, wie sich die Datengrundlage im Rahmen der „Internationalen Charter: Space and Major Disasters“ einsetzen lässt. Diese internationale Initiative stellt bei großen Naturereignissen Fernerkundungsdaten für Hilfsorganisationen bereit, um Schadenslagen zu beurteilen und Hilfsmaßnahmen zu planen.
Offene 3D-Modelle für globale Zusammenarbeit
Ein wesentliches Merkmal des GlobalBuildingAtlas ist der offene Zugang zu allen Daten und dem dazugehörigen Code, die über GitHub und den Publikationsserver mediaTUM bereitgestellt werden. Forschende, Verwaltungen, internationale Organisationen und weitere Interessierte können die LoD1-3D-Modelle und Gebäudepolygone frei herunterladen, in eigene Analysen integrieren und mit zusätzlichen Informationen kombinieren.
Durch die Offenheit des Datensatzes können andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Methoden überprüfen, weiterentwickeln und auf neue Fragestellungen anwenden, etwa im Kontext der UN-Nachhaltigkeitsziele oder nationaler Strategien für nachhaltige, resiliente Städte.
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