Forscher warnen 30.10.2025, 12:30 Uhr

Tauriden-Meteorschauer könnte gefährlich nahe an die Erde kommen

Neue Studie warnt: Der Tauriden-Meteorschwarm könnte 2032 und 2036 ungewöhnlich nah an der Erde vorbeiziehen – mit größerem Einschlagsrisiko als gedacht.

Komet am Nachthimmel

Komet Encke und seine Trümmer: Der Tauriden-Strom kreuzt bald wieder die Erdumlaufbahn – Forschende prüfen ein erhöhtes Einschlagsrisiko.

Foto: picture alliance / Xinhua News Agency | Dai Jianfeng (Symbolbild)

Jedes Jahr um Halloween richten sich die Blicke von Sternfreundinnen und -freunde nach oben. Am dunklen Himmel ziehen helle Lichtstreifen vorbei – die Tauriden. Manche nennen sie „Halloween-Feuerbälle“.

Ihr Ursprung liegt im Sternbild Stier, aus dem sie scheinbar herausströmen. Was für das bloße Auge ein faszinierendes Schauspiel ist, hat für Forschende eine ganz andere Bedeutung. Denn die Teilchen, die als glühende Spuren verglühen, stammen aus einem alten Kometenschweif, und darin könnte mehr stecken als harmlose Staubkörnchen.

Eine Spur von Komet Encke

Der Komet Encke zieht seit Jahrtausenden seine Bahn um die Sonne. Auf seinem Weg hinterlässt er eine gewaltige Spur aus Trümmern – winzige Staubpartikel, aber auch größere Gesteinsbrocken. Zweimal im Jahr kreuzt die Erde diesen kosmischen Strom. Einmal im Juni, wenn die sogenannten Beta-Tauriden tagsüber aktiv sind und kaum sichtbar bleiben, und einmal im Spätherbst, wenn die nächtlichen Tauriden für das leuchtende Spektakel sorgen.

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Normalerweise sind es nur kleine Teilchen, die in der Atmosphäre verglühen. Doch Forschende fragen sich: Was, wenn in dieser Spur größere Brocken stecken? Und was, wenn einer davon irgendwann auf Kollisionskurs mit der Erde gerät?

Was die neue Studie zeigt

Mit dieser Frage beschäftigt sich eine aktuelle Untersuchung des Physikers Mark Boslough, Forschungsprofessor an der University of New Mexico. Seine Studie erschien in Acta Astronautica und wurde auf der diesjährigen Planetary Defense Conference in Kapstadt vorgestellt.

Der Titel klingt technisch, die Botschaft ist klar: Zwischen 2032 und 2036 könnte die Erde einer dichten Ansammlung größerer Objekte aus dem Tauriden-Strom begegnen. Das Team spricht von einem möglichen „Tauriden-Resonanzschwarm“, kurz TRS – einer Zone, in der sich besonders viele Brocken befinden könnten.

Boslough fasst es so zusammen: „Planetare Verteidigung ist die multidisziplinäre und international koordinierte Anstrengung, die Erde und ihre Bewohner vor Einschlägen von erdnahen Objekten zu schützen.“

Warum Resonanz den Unterschied macht

Was klingt wie ein Fachbegriff aus der Musik, beschreibt ein physikalisches Zusammenspiel zwischen Kometen, Sonne und Jupiter. Die Trümmer des Encke-Kometen umkreisen die Sonne sieben Mal, während Jupiter in derselben Zeit nur zweimal seine Bahn zieht.

Dieses Verhältnis sorgt für eine Art Taktgefühl: Immer wenn Jupiter die Objekte „überholt“, zieht seine gewaltige Schwerkraft sie an und bündelt sie zu dichteren Clustern – wie Staub, der sich an einer Stelle sammelt, wenn man ein Sieb im Wasser schwenkt.

Diese Cluster könnten sich auf der Umlaufbahn so anordnen, dass sie die Erde in bestimmten Jahren – etwa 2032 und 2036 – besonders nah passieren. Und das ist genau das Zeitfenster, das die Studie unter die Lupe nimmt.

Blick auf Tunguska und Tscheljabinsk

Im Normalfall sorgt der Tauridenstrom für hübsche Sternschnuppen. Die Partikel sind kaum größer als Sandkörner. Wenn sie in die Atmosphäre eintreten, verglühen sie vollständig. Doch es gibt auch größere Bruchstücke – meterweit, tonnenschwer.

Solche Brocken können bei ihrem Eintritt in die Erdatmosphäre nicht mehr vollständig verglühen. Sie explodieren stattdessen in der Luft – sogenannte Luftdetonationen. Zwei bekannte Beispiele dafür sind das Tunguska-Ereignis von 1908 und der Tscheljabinsk-Meteor von 2013.

Boslough hat beide Fälle intensiv analysiert. Seine Modelle zeigen: Der Tscheljabinsk-Meteor war etwa 18 Meter groß und setzte bei seiner Explosion in 30 Kilometern Höhe die Energie einer halben Megatonne TNT frei – genug, um tausende Fenster zu zerstören. Tunguska war zehnmal so stark. Wälder auf einer Fläche von 2000 km² wurden damals wie von einer gigantischen Faust niedergedrückt.

Wie groß ist die Gefahr?

Solche Ereignisse sind selten, aber nicht ausgeschlossen. Boslough und sein Team vermuten, dass in einem hypothetischen Tauriden-Schwarm Objekte dieser Größe häufiger vorkommen könnten.

Das Risiko, dass eines davon auf die Erde trifft, bleibt zwar gering, könnte aber zeitweise leicht erhöht sein. „Selbst ein erhöhtes Risiko bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit immer noch gering wäre“, sagt Boslough. Trotzdem will man vorbereitet sein – nicht zuletzt, weil schon ein Ereignis wie in Tscheljabinsk erhebliche Schäden anrichten kann.

Technologie zur Früherkennung

In der Raumfahrt spricht man von planetarer Verteidigung – einem internationalen Netzwerk von Beobachtungsprogrammen, Simulationen und Notfallplänen. Ziel ist es, gefährliche Objekte rechtzeitig zu entdecken und – falls nötig – ihre Bahn zu verändern.

Boslough betont, dass die Menschheit über die Technik verfügt, um einen Tauriden-Resonanzschwarm zu überwachen: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir über die Technologie verfügen, um den Tauriden-Resonanzschwarm zu testen, indem wir bestehende Teleskope für gezielte Himmelsbeobachtungen in den Jahren 2032 und 2036 einsetzen.“

Ein wichtiges Werkzeug dabei ist das geplante NEO Surveyor-Teleskop der NASA. Es soll im Infrarotbereich arbeiten und Objekte aufspüren, die vom sichtbaren Licht verdeckt werden. Damit könnten Forschende viel früher erkennen, ob sich ein Brocken auf Kollisionskurs befindet.

Was passiert, wenn etwas trifft?

Ein direkter Einschlag auf die Erdoberfläche wäre katastrophal, ist aber sehr unwahrscheinlich. Deutlich wahrscheinlicher sind Luftdetonationen. Dabei wird die Energie des Aufpralls in großer Höhe freigesetzt. Das schützt die Erde zwar vor einem Krater, kann aber trotzdem immense Schäden anrichten – durch Druckwellen, Glasbruch und Schockwellen.

In Tscheljabinsk kamen mehr als 1600 Menschen zu Schaden, vor allem durch Glassplitter, nachdem sie aus Neugier zu den Fenstern gelaufen waren. Boslough rät: „Sollte sich ein ähnliches Ereignis ereignen, bleiben Sie von Fenstern fern und vermeiden Sie, direkt in die Explosion zu schauen.“

Wenn Sie die Tauriden selbst sehen wollen

Bis 2032 müssen Sie nicht warten. Der Tauriden-Meteorschauer ist jedes Jahr zwischen Ende Oktober und Anfang November sichtbar. Die beste Zeit ist nach Mitternacht, besonders in Nächten ohne Mond. Nach dem Vollmond am 5. November bieten sich gute Beobachtungsfenster.

Am besten suchen Sie sich einen dunklen Ort fernab der Stadtlichter. In New Mexico zum Beispiel gilt der Himmel als besonders klar – doch auch in Europa lassen sich die Tauriden gut beobachten, wenn das Wetter mitspielt.

Und wer weiß – vielleicht zieht ja einer jener hellen „Halloween-Feuerbälle“ über Ihren Himmel. Nur dieses Mal werden Sie ihn mit etwas anderen Augen betrachten.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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