Europas Antwort auf SpaceX: Neuer Satellitenriese entsteht
Airbus, Thales und Leonardo gründen Europas neuen Satellitenkonzern – als Antwort auf SpaceX und zur Stärkung der europäischen Raumfahrt.
Ein Servicemodul im Airbus-Werk in Bremen. Das Raumfahrunternehmen möchte die Satellitensparte ab 2027 gemeinsam mit Thales und Leonardo bündeln.
Foto: picture alliance/dpa | Hauke-Christian Dittrich
Europa zieht im All die Reihen enger. Airbus, Thales und Leonardo schließen sich zu einem neuen Satellitenriesen zusammen, um der wachsenden Dominanz von SpaceX und chinesischen Konkurrenten etwas entgegenzusetzen. Das Gemeinschaftsunternehmen soll 2027 starten – mit rund 25.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von rund 6,5 Mrd. €.
Europa bündelt Kräfte
Die drei Unternehmen haben am Donnerstag, dem 23. Oktober, eine Grundsatzvereinbarung unterzeichnet. Ziel ist, wie es in einer gemeinsamen Erklärung heißt, „die strategische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken“. Hinter der nüchternen Formulierung steckt ein ehrgeiziges Projekt: Mit dem Zusammenschluss wollen Airbus, Thales und Leonardo ein Gegengewicht zu den globalen Marktführern schaffen, die den Satellitenmarkt zunehmend dominieren.
Der Sitz des neuen Unternehmens soll in Toulouse liegen, einem Zentrum der europäischen Raumfahrt. Die operative Arbeit beginnt allerdings erst 2027, nachdem die EU-Kommission als Wettbewerbsbehörde ihre Zustimmung erteilt hat. Das gilt als wahrscheinlich – doch das Verfahren braucht Zeit. Zunächst sollen die Beschäftigten über die Pläne informiert werden.
Das Projekt „Bromo“
Intern trägt der Zusammenschluss den Namen „Projekt Bromo“. Seit mehr als einem Jahr arbeiten die Partner an der Struktur des neuen Unternehmens. Airbus wird mit 35 % der Anteile die größte Beteiligung halten, Thales und Leonardo jeweils mit 32,5 %. Die Leitung soll „unter gemeinsamer Kontrolle mit ausgewogener Governance“ erfolgen, wie es in der Vereinbarung heißt.
In das neue Unternehmen fließen mehrere bestehende Satellitenaktivitäten ein: bei Airbus die Bereiche Space Systems und Space Digital, bei Thales unter anderem Thales Alenia Space (TAS), Telespazio und Thales SESO, bei Leonardo die jeweiligen Anteile an TAS und Telespazio. Damit entsteht ein Verbund, der den gesamten Zyklus der Satellitenproduktion abdeckt – von Konstruktion und Start bis hin zu Betrieb und Datenanalyse.
Der französische Finanzminister sprach von einer „ausgezeichneten Nachricht“ und lobte, dass so ein „europäischer Satelliten-Champion“ entstehe. Er verspreche höhere Investitionen in Forschung und Innovation – in einem Bereich, der für Europas Zukunft im All entscheidend sei.
Antwort auf SpaceX und Co.
Hintergrund des Zusammenschlusses ist der Druck durch den US-Konzern SpaceX. Dessen Starlink-Netzwerk aus tausenden Kleinsatelliten hat den Markt für Telekommunikation und Internetverbindungen im All grundlegend verändert. Auch chinesische Anbieter drängen mit ähnlichen Konzepten nach. Europäische Hersteller hatten dagegen zuletzt Marktanteile verloren und teils rote Zahlen geschrieben.
Airbus-Chef Guillaume Faury sprach von einem „wichtigen Meilenstein für die europäische Raumfahrtindustrie“. Man wolle Europa „auf dem zunehmend dynamischen globalen Raumfahrtmarkt stärker und wettbewerbsfähiger machen“. Das neue Gemeinschaftsunternehmen soll künftig als verlässlicher Partner europäischer Regierungen auftreten – etwa bei Telekommunikation, Navigation, Erdbeobachtung oder Sicherheitsprojekten.
Breites Portfolio – von Forschung bis Verteidigung
Das Angebot des neuen Unternehmens wird breit gefächert sein. Airbus, Thales und Leonardo entwickeln seit Jahren unterschiedliche Satellitentypen – von Forschungs- und Telekommunikationssatelliten über Erdbeobachtungssysteme bis hin zu militärischen Anwendungen. Besonders im Verteidigungsbereich erwarten die Partner Wachstum.
Thales und Leonardo arbeiten dort schon lange zusammen. Ihr Joint Venture Thales Alenia Space gilt als europäischer Marktführer im Satellitenbau. Auch der Dienstleister Telespazio, an dem beide beteiligt sind, bringt seine Expertise ein – etwa bei der Steuerung und Wartung von Satellitenflotten. Kurios: Telespazio arbeitet aktuell auch für SpaceX.
Skepsis bleibt
Nicht überall stößt das Projekt auf Begeisterung. In Deutschland gibt es Vorbehalte – sowohl in der Politik als auch bei Gewerkschaften. Die Sorge: Airbus könnte an deutschen Standorten Arbeitsplätze abbauen. Der Konzern beschäftigt in seiner Raumfahrtsparte hierzulande rund 3.600 Mitarbeitende.
Das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB befürchtet zudem, Aufträge der Europäischen Weltraumorganisation ESA zu verlieren, wenn die künftige europäische Großmacht im Satellitenbau zu dominant wird. Sollte die EU-Kommission den Zusammenschluss nur unter Auflagen genehmigen, könnte OHB allerdings profitieren – etwa, wenn Teile des Geschäfts abgegeben werden müssen.
Vorbild MBDA
Als strukturelles Vorbild dient der Raketenhersteller MBDA, an dem ebenfalls mehrere europäische Länder beteiligt sind. Das Unternehmen zeigt, wie sich nationale Interessen und industrielle Zusammenarbeit verbinden lassen. Ähnlich will es das neue Satellitenkonsortium halten: ein gemeinsames europäisches Dach mit genügend Autonomie für die nationalen Tochtergesellschaften.
Leonardo hatte darauf gedrängt, im neuen Verbund nicht nur eine Nebenrolle zu spielen. Dass das italienische Unternehmen nun auf Augenhöhe mit Thales und nahezu gleichwertig mit Airbus vertreten ist, wird in Rom als Erfolg gewertet.
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