Wie ein deutscher Systemtraktor plötzlich zum Weltprojekt wurde
Auf der Agritechnica 2025 zeigte der Landmaschinenhersteller Nexat Weiterentwicklungen seines preisgekrönten Systemtraktors. Es hätte aber auch anders kommen können. Der Gründer berichtet.
Kurzfristig auf neue Märkte umorientiert: Klemens Kalverkamp hat den Landmaschinenhersteller Nexat zusammen mit seinem Sohn Felix gegründet. Dann kamen der Ukrainekrieg und ein Strategiewechsel. Ende 2025 gibt er die Führungsposition ab, bleibt aber eng in die strategische sowie operative Ausrichtung eingebunden.
Foto: M. Ciupek
Gerade einmal drei Jahre liegen zwischen dem Gewinn der Goldmedaille auf der Agritechnica 2022 für den innovativen Systemtraktor von Nexat und heute. In der Zwischenzeit war das Unternehmen aus Niedersachsen zu einem tiefgreifenden Strategiewechsel gezwungen – und das lag nicht an der Technik.
Inhaltsverzeichnis
- Russlands Angriff auf die Ukraine stellte alles auf den Kopf
- Systemtraktor ist gut für den Umstieg auf Wasserstoff- und Elektrobetrieb gerüstet
- Direktsaat-Technik am Traktor bindet CO2 im Boden
- Auf die Art und Weise der Bodenbearbeitung kommt es an
- Neue Anbaugeräte für den Systemträger
- Neues Führungsteam bei Nexat ab 2026
- Zukunftsfähigkeit sichern
Russlands Angriff auf die Ukraine stellte alles auf den Kopf
Im Gespräch mit VDI nachrichten macht der Gründer und bisherige CEO der Nexat GmbH, Klemens Kalverkamp, deutlich: „Wenn der Krieg nicht begonnen hätte, wären wir neben Mecklenburg-Vorpommern nur in der Ukraine und Russland aktiv gewesen. Und wenn er acht Wochen später ausgebrochen wäre, hätte das erste System in Russland gestanden.“ Für ihn und sein Team war das eine enorme Herausforderung. Kurzfristig musste daher der Fokus auf andere Märkte verlagert werden. Mit Erfolg: „Wir sind inzwischen in Brasilien sehr erfolgreich und haben dort ein eigenes Team aufgebaut“, berichtet Kalverkamp.
Zudem hat Nexat Nordamerika als Markt erschlossen – insbesondere Kanada. „Nordamerika muss man heute differenziert betrachten, denn auch dort erleben wir Entwicklungen, die kaum jemand für möglich gehalten hätte“, sagt Kalverkamp. „Unser Augenmerk liegt daher auf Kanada sowie Brasilien, Rumänien und Ostdeutschland.“
Trotzdem bleibt ihm die Ukraine weiterhin wichtig: „Als überzeugter Demokrat fühle ich mich umso mehr verpflichtet, das Land auch weiter mit lebenswichtiger Landtechnik zu unterstützen. Wir haben Mitarbeitende, die wenig ängstlich sind und gemeinsam mit unseren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen Trainingseinheiten und Updates an den Maschinen durchführen.“
Systemtraktor ist gut für den Umstieg auf Wasserstoff- und Elektrobetrieb gerüstet
Auch technisch hat sich einiges getan. Das System ist inzwischen deutlich umfangreicher und kann somit sehr umfassend die Bedürfnisse der modernen Landwirtschaft erfüllen. Die Basis bildet nach wie vor der portalförmige Systemträger mit 809 kW (1100 PS) Spitzenleistung sowie den im schwenkbaren Fahrwerk integrierten Elektromotoren. Damit kann das Fahrzeug auf dem Feld die volle Breite ausnutzen, während es auf der Straße eine maximale Transportbreite von 3,49 m besitzt. Damit ist es weltweit für den Straßenverkehr zugelassen.

Gegenüber der riesigen Maschine wirken die Besucher auf dem Messestand von Nexat während der Agritechnica 2025 sehr klein.
Foto: M. Ciupek
Aktuell werden die Elektromotoren vorrangig per Generator gespeist, der von zwei Dieselmotoren betrieben wird. Doch das Konzept war von Anfang an so ausgelegt, dass alternative Energiequellen genutzt werden können. „Weil wir von Anfang an elektrisch fahren, können wir auch leicht auf Wasserstoff oder Wechselbatterien umsteigen“, erklärt der Unternehmensgründer.
Er rechnet vor: „Wenn die Batterietechnologie so weit ist, müsste mit einem Batteriesatz, der sechs Stunden Einsatz ermöglicht, nur noch dreimal am Tag gewechselt werden. Dann könnte ich in der Zwischenzeit die Batterien mit Solarenergie aufladen und die Maschine vollständig mit grüner Energie betreiben.“
Zum Antriebskonzept mit Wasserstoff als Hauptenergieträger sagt der Firmenchef: „Wir betreiben weiterhin einen Wasserstoff-Prototyp. Sobald die entsprechende Technologie serienreif und der Markt diese nachfragt, ist es für unseren Nexat-Systemträger recht simpel, diese neue Technologie anzubieten.“ Der Motorenlieferant von Nexat, Liebherr Components, macht im Bereich wasserstoffbetriebener Verbrennungsmotoren Fortschritte.
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Direktsaat-Technik am Traktor bindet CO2 im Boden
Hinsichtlich der Umweltaspekte verweist Kalverkamp auf einen zentralen Bestandteil seines Systemansatzes: „Wir wissen, dass wir CO2-speichernde Technik anbieten müssen. Dank der Direktsaattechnik wird auf zusätzliche Bodenbearbeitung verzichtet. Durch eine gezielte Fruchtfolge sowie Zwischenfrüchte kann der Boden laut eigenen Angaben bis zu 5 t CO2 pro Hektar und Jahr speichern – und damit eine klimaneutrale Landwirtschaft ermöglichen.
Zugleich verhindert die große Spurweite eine Bodenverdichtung und stellt sicher, dass das Bodengefüge weitgehend erhalten bleibt. Eine geringe Verdichtung verbessert den Wasser- und Lufttransport im Boden, fördert das Wurzelwachstum und erhöht die Speicherfähigkeit für Wasser und CO2.“
Auf die Art und Weise der Bodenbearbeitung kommt es an
Das Thema Bodenbearbeitung und Wasserspeicherung ist laut Kalverkamp heute überall präsent. „Selbst die brasilianischen Großbauern, die bis zu 800.000 ha bearbeiten, haben uns darauf angesprochen“, berichtet er. Durch den Klimawandel seien Regenfälle nicht mehr gleichmäßig verteilt:
„Wir erleben sowohl stärkere Niederschlagsereignisse als auch längere Trockenphasen. Die Art und Weise, wie ich Bodenbearbeitung und Landwirtschaft betreibe, ist damit besonders wichtig. Sie hat großen Einfluss darauf, wie das Wasser infiltrieren kann und wie es im Boden gespeichert wird.“
Er ergänzt: „Ein Großkunde in Rumänien gab kürzlich an, dass manche Fruchtfolgen mit der alten Form der Landwirtschaft bei ihm gar nicht mehr machbar sind.“
Neue Anbaugeräte für den Systemträger

Nexat auf der Messe Agritechnica 2025. Mit seinen 28 m Arbeitsbreite benötigt der Systemtraktor von Nexat mit dem neuen Saatmodul nur noch jede zweite Fahrspur. Das schont den Boden. Die Räder sind für den Betrieb auf der Straße schwenkbar.
Foto: Martin Ciupek
„Entscheidend für den Erfolg des Systemträgers sind die Anbaugeräte. Zu den Neuheiten auf der Messe Agritechnica 2025 zählen eine Direktsaattechnik von K-Hart aus Kanada sowie eine Einzelkorn-Sätechnik von Väderstadt (Schweden) und Baldan aus Brasilien. Durch vergrößerte Saattankvolumina sind nach Angaben von Nexat Flächenleistungen von bis zu 200 ha pro Füllung bei Soja möglich – bei Mais sogar deutlich mehr. Zudem führt die Arbeitsbreite von 28 m dazu, dass nur noch jede zweite Spur befahren werden muss.“
Die Zusammenarbeit mit regionalen Systempartnern ist ein fester Bestandteil des Konzepts der Nexat GmbH. Sie folgt dem Leitprinzip des Unternehmens „Innovation durch Kooperation“. Begonnen hat alles mit dem selbst entwickelten Erntemodul Nexco sowie mit Erntevorsätzen von Geringhoff und Modulen des schwedischen Ackerbauspezialisten Väderstad. Mittlerweile umfasst das Portfolio eine breite Palette von Anbaumodulen für Ernte, Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflanzenschutz und Düngung.
„Das Konzept, mit regionalen Mittelständlern zusammenzuarbeiten, ist voll aufgegangen und funktioniert auch heute noch“, freut sich der Unternehmensgründer. „So können wir Innovationen deutlich schneller vorantreiben als die großen ‚Tankerschiffe‘ der Landmaschinenbranche“, hebt er hervor. Laut Kalverkamp ist sein Unternehmen damit „sehr gut unterwegs und wir sind mehr als zufrieden“.
Zur wirtschaftlichen Situation seiner Branche sagt der erfahrene Manager: „Auch wenn es zurzeit in der gesamten Landwirtschaft und Landtechnik durchaus krisenhaft ist – im Wesentlichen sprechen wir immer mit den 5 % progressiven Landwirten, die auch heute in schwierigeren Zeiten gutes Geld verdienen.“ Gerade in solchen Phasen gewönnen hocheffiziente und kostengünstige Systeme wie Nexat an Bedeutung.
„Wir haben mittlerweile nachgewiesen, dass Landwirte mit unserem Gesamtsystem dank höherer Effizienz und Performance zwischen 20 % und 30 % mehr Profit erzielen. Zusätzlich konnten wir nach drei Jahren Bewirtschaftung einen wissenschaftlich belegten Ertragszuwachs von 5 % nachweisen.“
Neues Führungsteam bei Nexat ab 2026
Als Mitgesellschafter sichert die in Visbek ansässige EW Group GmbH die Finanzierung der Nexat GmbH. Die Familienholding mit über 300 Tochtergesellschaften hat ihr Engagement beim Landtechnikhersteller kürzlich ausgeweitet. Beide Partner sind tief in der Landwirtschaft verwurzelt und arbeiten mit ihren Lösungen für die Branche.
Die EW Group ist im Bereich der Life-Sciences-Technologien weltweit aktiv und fokussiert sich darüber hinaus auf forschungs- und innovationsgetriebene Geschäftsmodelle am Anfang der Wertschöpfungsketten in den Bereichen Ernährungssicherheit, Nachhaltigkeit, Tierwohl und Gesundheit. Damit ergänzt sie das technologiebasierte System von Nexat inhaltlich und strategisch.
Zukunftsfähigkeit sichern
Für Gründer und Geschäftsführer Klemens Kalverkamp ist dies ein wichtiger Schritt für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Zum Jahreswechsel wird die Geschäftsführung an einen erfahrenen Landtechnikmanager übergeben: Welf von Plato wechselt von der Claas KGaA mbH und übernimmt dann als neuer CEO gemeinsam mit Felix Kalverkamp die Leitung von Nexat.
Der Sohn des bisherigen CEOs und Mitbegründers von Nexat, Felix Kalverkamp, agiert künftig als CTO. Klemens Kalverkamp wird das Unternehmen weiterhin als Senior Advisor und Vorsitzender des Boards begleiten. In dieser Funktion bleibt er eng in die strategische sowie operative Ausrichtung eingebunden.
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