Mit künstlicher Intelligenz Zelltypen in Echtzeit sortieren
Max-Planck-Forscher haben eine Hochgeschwindigkeitsmethode entwickelt, um verschiedene Zelltypen erkennen und sortieren zu können. Für das Verfahren ist es nicht nötig, eine externe Markierung der Zellen vorzunehmen. Stattdessen wird ein neuronales Netzwerk darauf trainiert, die Daten nach bestimmten Vorgaben auszuwerten.
Welche Zelltypen haben wir vor uns? Diese Frage spielt für viele Biologen und Mediziner eine wichtige Rolle. Zum einen können sie nur Grundlagenforschung betreiben, wenn sie die Details eines Organismus kennen und erkennen. Zum anderen müssen sie zum Beispiel für die Diagnostik oder für bestimmte Therapien, etwa mithilfe von Stammzellen, in der Lage sein, die einzelnen Zellarten sicher zu unterscheiden und voneinander zu trennen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin in Erlangen haben dafür gemeinsam eine neue Methode entwickelt, die Schwachstellen des bisher üblichen Verfahrens ausgleichen kann.
Das herkömmliche Verfahren zur Zellsortierung benötigt Antikörper
Im Wissenschaftsbetrieb dient die sogenannte Durchflusszytometrie dazu, Zellen zu sortieren. Dafür werden sie, vereinfacht gesagt, mit fluoreszierenden Antikörpern markiert und durch einen Kanal geschickt, wo die Markierung bei der Identifizierung hilft. Das Verfahren klingt aufwendig, und das ist es auch. Es dauert daher lange und ist verhältnismäßig teuer. Aus Sicht der Mediziner wäre es auch besser, die körperfremden Antikörper zu vermeiden, da es unklar ist, inwieweit sie eventuell Eigenschaften der Zellen verändern, wenn sie dort andocken. Außerdem stellt sich die Frage, ob sie zu einem Problem werden könnten, wenn die Zellen beispielsweise in den Körper injiziert werden sollen.
Die Max-Planck-Forscher haben sich daher auf die physikalischen Eigenschaften der Zellen konzentriert. Diese sind nämlich bei jeder Zellart anders. Form, Größe und Verformbarkeit können dementsprechend zur Unterscheidung beitragen. Dieses Prinzip ist zunächst einmal nicht neu, denn das Team um Jochen Guck, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, hat bereits vor Jahren die sogenannte Echtzeit-Verformungszytometrie (real-time deformability cytometry, RT-DC) entwickelt. Dafür pressen die Wissenschaftler eine Zelllösung durch einen Kanal, der schmaler ist als der Durchmesser eines Haares. Der dabei entstehende Druck führt dazu, dass die Zellen regelrecht in die Länge gezogen werden, ohne dass sie Schaden nehmen. An dem Grad der Verformung können die Experten nun erkennen, um welchen Zelltyp es sich handelt.
Zellen können sofort sortiert und voneinander getrennt werden
Mit einer Highspeed-Kamera, die 2.000 bis 4.000 Bildern pro Sekunde aufnimmt, werden die verformten Zellen im Kanal abfotografiert und eine spezielle Software wertet die Bilder in Echtzeit aus. Die Forscher haben sie extra entwickelt und mit allen notwendigen Informationen gefüttert, damit sie die Zellen anhand der Aufnahmen voneinander unterscheiden kann. Die Basis bilden Hunderttausende Bilder einzelner Zellen. Diese Kombination der RT-DC mit künstlicher Intelligenz (KI) ist eine sehr wichtige Neuerung. Denn erst der KI-Algorithmus sorgt für das gewünschte hohe Analyse-Tempo, das eine Bewertung der Zellen in Echtzeit ermöglicht. Die Echtzeit-Bewertung wiederum ist die Grundlage, um die Zellen sofort, unterteilt nach Typen, voneinander zu trennen und gezielt in einen Sammelkanal ablenken zu können.
Für das Trainining des neuronalen Netzwerkes werden im ersten Schritt die externen Marker übrigens noch benötigt. Das System erkennt, welche Zell-Verformung zu welcher Markierung gehört. Hat es diesen Zusammenhang gelernt, können die Forscher die Marker weglassen – und das neuronale Netzwerk identifiziert den Zelltyp ausschließlich durch die Verformung.
Methode wäre für die Anwendung in Laboren tauglich
Unterm Strich kann die Markierung also komplett wegfallen. Das spart Zeit und Kosten. Außerdem besteht nicht mehr die Gefahr, dass körperfremde Moleküle durchs Andocken die Zellen verändern.
Die Wissenschaftler der Max-Planck-Institute sehen in ihrem weiterentwickelten Verfahren daher großes Potenzial. Aus ihrer Sicht könnte es zu einer Standardmethode für die Zellsortierung in biologischen und biomedizinischen Laboren werden. Zum Beispiel wäre es damit möglich, für Chemotherapie-Patienten blutbildende Stammzellen aus einer Probe zu gewinnen – ohne dass diese durch Marker verändert wären.
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