Zu schwer für den Kai: Offshore-Wind treibt Häfen an ihre Grenzen
Größere Turbinen brauchen schwerere Fundamente. Der Fall Windanker erklärt, wie neue Hebe- und Transporttechnik Häfen entlastet.
Über 2000 t wiegt solch ein Fundament für Offshore-Windkraftanlagen. Da braucht es ausgeklügelte Logistik.
Foto: Mammoet
Offshore-Wind wächst nicht mehr nur in Megawatt. Er wächst in Metern und Tonnen. Turbinen rücken weiter hinaus, weil dort der Wind konstanter weht und stärker anliegt. Das erhöht die Stromausbeute pro Standort. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Anlagen, die ein Windpark für dieselbe Leistung braucht. Der Trend klingt nach Effizienz. In der Praxis verschiebt er aber den Engpass. Er wandert vom Meer an Land – in die Häfen.
Der Grund sind die Fundamente. In vielen Projekten stehen heute Monopiles im Zentrum: dickwandige Stahlröhren, die in den Meeresboden gerammt oder eingetrieben werden und Turm, Gondel und Rotor tragen. Je größer die Turbine, desto größer muss der Monopile ausfallen. Das ist eine Sache der Statik. Der Monopile muss Biegemomente aus Windlasten abfangen, zyklische Beanspruchung durch Wellen verkraften und über Jahrzehnte Ermüdung widerstehen. Mehr Turmhöhe und mehr Rotorfläche bedeuten mehr Lasten. Und damit wächst Stahl.
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Größer heißt: Lasten, die Häfen nicht “mal eben” wegstecken
Bei den neuen Abmessungen stößt klassische Hafenlogistik schnell an Grenzen. Viele Kais sind für Container- oder Stückgutumschlag gebaut, nicht für Einzelteile mit über 2000 t. Bei XXL-Monopiles geht es nicht nur um das reine Gewicht. Es geht um Lastverteilung. Ein Kran bringt hohe Punktlasten in den Untergrund. Genau das ist am Kai riskant: Bodenpressung, Setzungen, Tragfähigkeit der Kaimauer, Sicherheitsabstände, Platzbedarf für Ausleger und Ballast.
Deshalb reicht „ein größerer Kran“ oft nicht. Große Raupenkrane brauchen Fläche. Sie brauchen einen Untergrund, der die Pressungen dauerhaft verträgt. Und sie brauchen häufig temporäre Verstärkungen oder zusätzliche Fundamente. Das kann man planen. Aber es kostet Zeit, Geld und Genehmigungen. Bei Projekten mit engem Zeitfenster kippt dann die Wirtschaftlichkeit.
Fallbeispiel Windanker: 315 MW – und Fundamente im XXL-Format
Wie sich die Logistik gerade neu sortiert, zeigt der Offshore-Windpark Windanker in der deutschen Ostsee. Der Park hat 315 MW und soll mit 21 Turbinen der 15-MW-Klasse laufen. Transport und Installation der Monopiles übernahm Van Oord. Das Installationsschiff heißt Svanen.
Die Monopiles kamen in mehreren Chargen aus Spanien nach Rønne auf Bornholm. Dort lag der schwerste Monopile bei rund 2150 t und etwa 87 m Länge. Allein diese Zahlen zeigen, warum „normaler Hafenbetrieb“ nicht mehr passt. Ein Bauteil dieser Länge blockiert Verkehrswege, Lagerflächen und Rangierzonen. Und bei 2150 t entscheidet nicht mehr die Hubkapazität, sondern die Frage: Wo darf diese Last überhaupt stehen – und wie bewegen Sie sie, ohne den Kai umzubauen?

Auch der Transport an Land ist kein einfaches Unterfangen.
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Der Hafen wird zur Montagelinie – nicht zur Baustelle
In Rønne wählte das Team einen Ansatz, der den Hafen nicht erst großflächig verstärken musste. Stattdessen lief der Umschlag wie eine Art Materialflusskette: entladen, zwischenlagern, abdichten, mit Stopfen versehen, ins Wasser heben, zum Installationsschiff schleppen. Genau dieses „Hafen-als-Fließband“-Prinzip wird bei immer größeren Offshore-Komponenten relevanter, weil es Stillstandszeiten reduziert und Abläufe planbarer macht.
Der Kern lag im Handling auf dem Boden. Mammoet setzte selbstfahrende Modultransporter ein (SPMTs). Die Fahrzeuge verteilen Lasten über viele Achslinien. Im Projekt waren es 90 Achslinien, die den Monopile aus seiner Lagerung aufnehmen und kontrolliert verfahren konnten. Der Hintergrund: Statt weniger extremer Aufstandsflächen entstehen viele kleinere Lastpunkte. So sinken Spitzenpressungen.
Auch die Zwischenlagerung war Teil der Technik. Monopiles lagen auf vorbereiteten Lagerbänken, bevor sie versiegelt wurden. Das Abdichten ist nicht nur Korrosionsschutz. Es verhindert auch, dass Wasser eindringt und Masseverteilung sowie Schwerpunkt verändert – ein Punkt, der später beim Heben und beim Schleppen auf dem Wasser relevant wird.
Neue Krane statt neue Kais
Für den Schritt „ins Wasser heben“ reichten Standard-Hafenkrane nicht. Deshalb kamen zwei speziell ausgelegte Terminalkrane (MTC1600) zum Einsatz, die im Tandem arbeiten. Hier steckt der eigentliche Paradigmenwechsel: Nicht der Kai wird massiv aufgerüstet, sondern die Hebetechnik wird so gebaut, dass sie mit geringerer Bodenbelastung auskommt.
„Wir haben für dieses Projekt ein völlig neues Kran-Design entwickelt, das zwar nicht typisch ist, aber unserer Meinung nach angesichts der zunehmenden Verbreitung von Monopile-Fundamenten notwendig war“, erklärt Stefan de Vries, Projektmanager bei Mammoet.
Der technische Hebel liegt im Ballastkonzept. Wenn Gegengewicht und Abstützung so gestaltet sind, dass die Kräfte über größere Abstände eingeleitet werden, sinken die lokalen Lastspitzen. Das kann den Bedarf an temporären Fundamenten reduzieren – und damit Zeit und Bauaufwand im Hafen.
„Ursprünglich war geplant, dass die Kräne 2800 t heben sollten, aber wir schlugen vor, ihre maximale Kapazität an die des Svanen anzupassen“, so de Vries. „Daher erhöhten wir ihre kombinierte Hubkapazität auf 3200 t.“

Für das Heben der XXL-Monopiles wurden spezielle Krane entwickelt.
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Warum das alles Offshore-Projekte schneller machen kann
Der letzte Schritt im Ablauf zeigt, warum Häfen zur Stellschraube werden. Sobald ein Monopile im Wasser steht, bringen Schlepper ihn zur Svanen. Das Installationsschiff kann dadurch länger „im Feld“ bleiben, statt ständig für Ro-Ro-Manöver (Roll-on/Roll-off) oder Hafenliegezeiten zu rotieren. In den Quellen wird das als Effizienzgewinn gegenüber Ro-Ro-Operationen beschrieben.
Das ist der eigentliche Logistik-Shift: Offshore-Wind wird immer stärker zu einer getakteten Lieferkette, bei der der Engpass nicht nur der Seegang oder das Wetter ist, sondern auch der Materialfluss an Land. Wenn Fundamente immer größer werden, müssen Häfen entweder massiv umbauen – oder sie brauchen mobile, lastverteilende Systeme, die aus einem vorhandenen Hafen kurzfristig eine Schwerlast-Drehscheibe machen.
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