Stille SMS: Wenn Überwachung nicht mehr auffällt
Stille SMS, millionenfache Ortung, umstrittene US-Software: Wie weit dürfen Polizei und Verfassungsschutz gehen?

Unsichtbare Überwachung: Stille SMS, Datenanalyse und Ortungstechnologien geben Ermittlern neue Möglichkeiten.
Foto: panthermedia.net/Andriy Popov
Im vergangenen Jahr hat die Polizei in Thüringen fast 14.600 sogenannte stille SMS verschickt. Damit wollte sie herausfinden, wo sich Verdächtige aufhalten. Laut dem Innenministerium wurde diese Methode 2024 in 99 Ermittlungsverfahren genutzt. Die Information stammt aus der Antwort auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Ronald Hande (Die Linke).
Was ist eine stille SMS und wie funktioniert sie?
Eine stille SMS (auch Stealth-SMS oder Silent SMS) ist eine spezielle Textnachricht, die keine sichtbare Benachrichtigung oder Mitteilung auf dem Handy des Empfängers auslöst. Sie wird nicht angezeigt und erzeugt keinen Ton oder Vibration – der Empfänger bemerkt also nichts davon.
Stille SMS werden vor allem von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten eingesetzt. Ihr Hauptzweck ist Ortung und Überwachung. Dabei nutzen sie die Tatsache, dass der Versand einer SMS im Mobilfunknetz eine Verbindung zwischen dem Gerät und dem Netz auslöst.
„Zur Ortsermittlung einzelner Personen setzen Sicherheitsbehörden Ortungsimpulse, sogenannte Stille SMS, ein. Dazu werden für den Empfänger nicht wahrnehmbare Signale an ein Mobilfunkgerät gesendet, ohne dass dies sichtbare Aktivitäten auslöst. Durch den Ortungsimpuls wird aber eine aktuelle Meldung über die Funkzelle, in der sich das Mobilfunkgerät befindet, versandt“, so wird das Procedere in der Anfrage erklärt.
Laut Innenministerium können sowohl das Landeskriminalamt als auch der Verfassungsschutz in Thüringen stille SMS versenden. Diese Technik wurde vor allem bei Ermittlungen zu Drogenhandel, Betrug und groß angelegtem Diebstahl eingesetzt. Insgesamt wurden stille SMS an 132 Personen geschickt.
Kosten für stille SMS
Der Versand stiller SMS verursacht Kosten, da jede Nachricht über das Mobilfunknetz verschickt wird. Diese Ausgaben trägt in der Regel die jeweilige Behörde. „Der Thüringer Polizei entstanden für den Versand „Stiller SMS“ im Jahr 2024 Kosten in Höhe von 19.007,03 Euro (brutto). Dem Amt für Verfassungsschutz sind im gleichen Zeitraum Kosten in Höhe von 3.722,70 Euro (brutto) entstanden. Hierbei handelt es sich jeweils um Vertragskosten. Personalkosten und Kosten zum Betrieb der Anlage bleiben unberücksichtigt“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage.
Rechtsgrundlagen für den Einsatz stiller SMS
Die wichtigste Rechtsgrundlage für die Polizei bei der Nutzung dieser Technik ist die Strafprozessordnung. Sie erlaubt es den Ermittlern, den Standort eines Handys zu bestimmen, wenn der Verdacht auf eine schwere Straftat besteht. Dazu zählen zum Beispiel Hochverrat, Mord, aber auch Subventionsbetrug, Geldwäsche, Bestechung und Steuerhinterziehung.
Der Verfassungsschutz darf stille SMS nach Artikel 10 des Grundgesetzes verschicken. Dabei kann unter bestimmten Bedingungen das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt werden. Im vergangenen Jahr hat der Verfassungsschutz in Thüringen etwa 500 stille SMS an drei Personen geschickt, um deren Aufenthaltsort zu ermitteln.
Der Ansatz ist nicht neu
Doch neu ist das alles nicht – schon vor über zehn Jahren wurde über ähnliche Entwicklungen berichtet. Damals arbeitete das Fraunhofer-Institut an einer Software, die der Polizei bei der Ortung von Handys helfen sollte. Mithilfe sogenannter Tracking-Algorithmen sollte es möglich werden, das elektromagnetische Durcheinander von tausenden Mobiltelefonen zu analysieren. Ziel war es, Kriminelle oder auch vermisste Personen schneller aufzuspüren – sogar in belebten Städten und unabhängig vom GPS-Signal.
Das Überwachungsprogramm der US-Firma Palantir
Momentan wird in Deutschland intensiv über den Einsatz von Palantir diskutiert. Die Analyse-Software von Palantir ist umstritten, aber einige Bundesländer setzen sie schon ein. Ob sie bald in ganz Deutschland genutzt wird, ist noch unklar.
Die Software, die große Datenmengen analysiert und verknüpft, soll Behörden helfen, komplexe Sachverhalte schneller zu verstehen. Gleichzeitig gibt es aber auch Bedenken wegen Datenschutz und Transparenz.
Die Software kann viele Daten sehr schnell miteinander verbinden. In nur wenigen Sekunden liefert sie wichtige Informationen wie Name, Alter, Adresse, Bußgelder oder Vorstrafen. Außerdem lassen sich Daten von Handys und Social-Media-Kanälen nutzen, um schnell Profile von Menschen zu erstellen.
Mit künstlicher Intelligenz (KI) wird das noch mächtiger. Das Überwachungsprogramm der US-Firma Palantir hilft Polizei und Geheimdiensten, mehr zu sehen und zu verstehen. In drei Bundesländern – Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen – wird die Software bereits eingesetzt. Datenschützer und Bürgerrechtler kritisieren, dass dabei nicht nur Verdächtige, sondern auch Unschuldige überwacht werden können.
Wie Palantir Polizei und Geheimdienste unterstützt
Die Software wurde extra für Sicherheitsbehörden entwickelt und wird von Geheimdiensten, Militär und Polizei genutzt. Mit dem Programm „Gotham“ können Millionen von Daten aus verschiedenen Quellen gesammelt und miteinander verknüpft werden.
Es wurde bekannt, dass die Polizei in Baden-Württemberg die Software bald nutzen soll. Die grün-schwarze Landesregierung hat das möglich gemacht. In Hamburg lehnt die Innenbehörde den Einsatz der Software dagegen ab. Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen verwenden die Software bereits. Gegen die Gesetze in Bayern, die den Einsatz der Palantir-Plattform VeRA erlauben, hat der Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Palantir, die Firma hinter der Software, wurde 2003 in den USA gegründet – unter anderem von Tech-Milliardär Peter Thiel. Er ist bekannt für seine rechtskonservativen Ansichten, seine Nähe zu Ex-US-Präsident Trump und seine Kritik an liberalen Demokratien. Viele in Europa sehen Thiel deshalb kritisch, genauso wie die Abhängigkeit von US-Firmen für wichtige Sicherheitstechnologien. Das Innenministerium von Baden-Württemberg sagt aber, dass Thiel heute nur noch etwa sieben Prozent der Firma besitzt.
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