Bitkom-Studie 15.10.2025, 14:30 Uhr

Chips bleiben Engpass: Deutsche Industrie misstraut US-Lieferanten

Deutschlands Industrie sieht die Versorgung mit Halbleitern weiterhin als strategische Schwachstelle. Das Vertrauen in internationale Chip-Lieferanten fehlt.

Platine Computer

Halbleiter sind das Rückgrat moderner Industrie – doch ihre Herkunft wird zunehmend zum Risiko.

Foto: Smarterpix / 9albln

Deutschlands Industrie sieht die Versorgung mit Halbleitern weiterhin als strategische Schwachstelle. Zwei Drittel der Industrieunternehmen haben kaum Vertrauen in US-Lieferanten, während 92 % die Drohungen Chinas gegen Taiwan als ernste Gefahr einstufen. Die Abhängigkeit von globalen Chipmärkten bleibt ein strukturelles Risiko für Deutschland.

Viele Unternehmen auf Halbleiter und Chips angewiesen

Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter mehr als 500 Unternehmen sind 91 % der Betriebe auf Halbleiter angewiesen – für 80 % sind Chips unverzichtbar, um Produktionsprozesse, Maschinensteuerungen oder digitale Dienstleistungen aufrechtzuerhalten. Doch die Herkunft der Bauteile wirft zunehmend sicherheitspolitische Fragen auf. Nur 37 % der befragten Unternehmen äußern noch Vertrauen in die USA als verlässlichen Lieferpartner. 48 % haben „eher geringes Vertrauen“, 14 % gar keines.

Parallel betrachten 92 % die anhaltenden Drohungen Chinas gegenüber Taiwan als ernsthafte Gefahr für die globale Chipversorgung. Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst warnt: „Halbleiter stehen im Mittelpunkt internationaler Wirtschaftskonflikte. Deutschland und Europa brauchen ein starkes eigenes Ökosystem, um Abhängigkeiten zu reduzieren und weniger erpressbar zu sein.“

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Starke internationale Verflechtung

Die Umfrage zeigt zugleich, wie stark die internationale Verflechtung geblieben ist. 72 % der Unternehmen, die Halbleiter einkaufen, beziehen sie aus den USA, 63 % aus China. Auf Platz drei folgt Deutschland mit 54 %, danach Japan (36 %) und Taiwan (28 %). Südkorea und andere EU-Staaten liegen im mittleren Bereich. Trotz des Ausbaus von Produktionsstandorten in Dresden, Regensburg und München bleibt die Bundesrepublik also auf Importe aus geopolitisch sensiblen Regionen angewiesen – ein Risiko, das sich im Fall einer Taiwan-Krise sofort auf Lieferketten auswirken würde.

Für den Bitkom ist die geplante Mikroelektronikstrategie der Bundesregierung deshalb ein zentraler Schritt. Sie soll den gesamten Lebenszyklus von Chips – vom Design bis zur Fertigung – in Deutschland und Europa abbilden. Ein robuster Halbleitersektor sei, so Wintergerst, „entscheidend für nationale Sicherheit, digitale Souveränität und wirtschaftliche Stabilität“.

Chip-Mangel entspannt sich leicht – doch Risiken für Halbleitermarkt bleiben

Nach den massiven Lieferengpässen der Jahre 2021 bis 2023 hat sich die Situation auf dem Halbleitermarkt leicht entspannt. Doch von einer echten Entwarnung kann keine Rede sein. 60 % der befragten Unternehmen hatten 2025 weiterhin Schwierigkeiten bei der Beschaffung – ein Rückgang gegenüber 89 % im Jahr 2023, aber immer noch ein hoher Wert. Die durchschnittliche Lieferverzögerung liegt aktuell bei rund vier Monaten, nach fünf Monaten 2023 und 6,5 Monaten im Jahr 2021.

Von den Beschaffungsproblemen betroffene Firmen klagen über Lieferverzögerungen (96 %), Preiserhöhungen (91 %) und eine eingeschränkte Verfügbarkeit bestimmter Bauteile (84 %). 75 % berichten von reduzierten Liefermengen, 67 % von Export- oder Importbeschränkungen. Zudem erschweren verschärfte Compliance-Vorgaben und Zertifizierungsauflagen den Einkauf zusätzlich.

Kritische Versorgungslage befürchtet

Trotz der leichten Verbesserung erwarten 42 % der Betriebe für 2026 wieder eine kritische Versorgungslage. 5 % rechnen mit einer „sehr kritischen“ Situation, 37 % mit Engpässen in mehreren Bereichen. Nur 55 % der Befragten erwarten eine gute oder sehr gute Versorgungslage. Viele Unternehmen reagieren mit langfristigen Strategien: 56 % bauen Vorräte auf, 52 % sichern sich über feste Lieferverträge ab, 44 % setzen auf Multi-Vendor-Strategien, also die parallele Zusammenarbeit mit mehreren Anbietern.

Weitere 44 % suchen gezielt nach alternativen Lieferquellen, häufig in anderen Ländern Europas. 22 % redesignen Produkte, um andere, verfügbare Halbleiter einzusetzen. Rund 21 % investieren in eigenes Chip-Design oder den Aufbau kleinerer Fertigungskompetenzen. Fast ebenso viele (18 %) kooperieren mit Forschungseinrichtungen und Herstellern in der Entwicklung neuer Bauteile. „Die schlimmsten Engpässe der vergangenen Jahre sind überwunden“, sagt Wintergerst. „Aber die Lage bleibt angespannt. Lieferverzögerungen, Preissprünge und Exportbeschränkungen sind weiterhin Bremsklötze für die deutsche Industrie.“

Halbleiter und Produktion: Politik soll Standort mit Subventionen und gezielter Zuwanderung stärken

Die Forderungen der Wirtschaft an die Politik sind eindeutig. 86 % der Unternehmen verlangen Subventionen für den Aufbau einer heimischen Halbleiterproduktion, etwa beim Bau neuer Fertigungsstätten. 80 % sprechen sich für steuerliche Anreize aus, wenn Unternehmen Chips bei inländischen Herstellern bestellen, 72 % befürworten Investitionsanreize für Chipdesign, Fertigung und Verpackung.

Ebenso viele Unternehmen sehen Handlungsbedarf bei der Fachkräftesicherung und der Transparenz entlang der Lieferketten. 69 % wünschen sich Förderprogramme für Aus- und Weiterbildung im Bereich Mikroelektronik, weitere 69 % fordern mehr Transparenz über Verfügbarkeit und Lieferketten. 66 % halten gezielte Zuwanderungsprogramme für Fachkräfte für notwendig.

Wintergerst betont: „Deutschland muss im internationalen Subventionswettbewerb bestehen. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, beschleunigte Genehmigungen und gut ausgebildete Fachkräfte. Investitionen dürfen nicht an Bürokratie scheitern.“

Der Verband begrüßt, dass die Bundesregierung mit ihrer Mikroelektronikstrategie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, der Design, Fachkräfte und Fertigung zusammenführt. Entscheidend sei, dass sich Maßnahmen an den Bedarfen der Anwenderindustrien orientieren und Synergien zwischen Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen gezielt genutzt würden.

Ein Beitrag von:

  • Elke von Rekowski

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