Germanium wird supraleitend – was das für Computerchips bedeutet
Germanium wird supraleitend: Forschende entdecken, wie Halbleiter Strom verlustfrei leiten – mit Folgen für künftige Computerchips und Quantentechnik.
Forschende haben es geschafft, Germanium supraleitend zu machen – dank gezielter Dotierung mit Gallium. Das Material könnte künftig eine zentrale Rolle in Quantencomputern und energieeffizienter Elektronik spielen.
Foto: Patrick Strohbeen/NYU;
Supraleitung – das klingt nach Physiklabor, flüssigem Helium und komplizierten Experimenten. Doch nun rückt Germanium ins Rampenlicht. Das Halbleitermaterial, das bereits in Transistoren, Glasfasern und Chips steckt, zeigt plötzlich eine Eigenschaft, die bisher nur Metallen oder speziellen Keramiken vorbehalten war: Es kann Strom ohne Widerstand leiten.
Forschende aus den USA, Australien und der Schweiz haben in Nature Nanotechnology berichtet, wie sie das geschafft haben – und warum das Folgen für künftige Quantentechnologien haben könnte.
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Vom Halbleiter zum Supraleiter
Halbleiter wie Germanium oder Silizium sind die Grundlage moderner Elektronik. Sie leiten Strom, aber eben nur teilweise – daher der Name. Diese Steuerbarkeit macht sie ideal für Transistoren und Schaltkreise. Supraleiter dagegen sind das genaue Gegenteil: Sie lassen elektrischen Strom komplett verlustfrei fließen. Keine Wärmeentwicklung, kein Energieverlust.
Die Idee, beides in einem Material zu vereinen, ist seit Jahrzehnten ein Traum der Festkörperphysik. Denn ein Chip, der gleichzeitig schalten und supraleitend leiten kann, wäre extrem schnell und sparsam. Doch die Umsetzung war bisher schwierig. In Halbleitern lassen sich die notwendigen Elektronenwechselwirkungen – also die „Klebstoffe“ der Supraleitung – kaum stabil erzeugen.
Gallium als Schlüssel
Das Team um Javad Shabani von der New York University fand einen Weg, diese Hürde zu umgehen. Die Forschenden setzten auf ein altbekanntes Prinzip: Dotierung. Dabei werden Fremdatome in das Kristallgitter eingebaut, um dessen elektrische Eigenschaften zu verändern.
In diesem Fall war es Gallium, ein weiches Metall, das häufig in LEDs oder Solarzellen verwendet wird. „Anstatt Ionenimplantation zu verwenden, wurde molekulare Strahlepitaxie eingesetzt, um Gallium-Atome präzise in das Kristallgitter des Germaniums einzubauen“, erklärt Julian Steele von der University of Queensland. Diese Methode erlaubt eine außergewöhnlich feine Kontrolle beim Wachstum der Materialschichten – Schicht für Schicht, Atom für Atom.
Der Trick: Gallium ersetzt gezielt Germanium-Atome im Kristall, ohne das Gitter zu zerstören. So entsteht ein leicht verzerrtes, aber stabiles Netzwerk, das bei Temperaturen unter 3,5 Kelvin supraleitend wird – also rund minus 270 °C.
Elektronen tanzen im Takt
Was dabei passiert, lässt sich so vorstellen: Im supraleitenden Zustand bilden Elektronen sogenannte Cooper-Paare. Diese Paare bewegen sich synchron durch das Gitter und stoßen dabei nicht mehr an andere Atome. Normalerweise funktioniert das nur in Metallen mit vielen freien Elektronen. Doch durch die gezielte Dotierung wird Germanium so „elektronenreich“, dass dieser Effekt ebenfalls einsetzt.
„Das funktioniert, weil Elemente der Gruppe IV unter normalen Bedingungen keine Supraleiter sind“, sagt Shabani. „Aber wenn ihre Kristallstruktur gezielt verändert wird, können sich Elektronenpaarungen bilden, die Supraleitung ermöglichen.“
Brücke zwischen zwei Welten
Der große Vorteil: Germanium ist längst in der Chipfertigung etabliert. Die nötige Infrastruktur existiert also schon. Das macht den neuen Ansatz besonders spannend. Denn so könnten künftig Schaltkreise entstehen, die zugleich klassische und Quantenfunktionen übernehmen.
„Diese Materialien könnten die Grundlage für zukünftige Quantenschaltkreise, Sensoren und energieeffiziente kryogene Elektronik bilden – all das erfordert saubere Übergänge zwischen supraleitenden und halbleitenden Bereichen“, erklärt Peter Jacobson, Physiker an der University of Queensland.
Gerade für Quantencomputer wäre das ein Fortschritt. Sie brauchen supraleitende Elemente, die extrem empfindlich auf Störungen reagieren. Wenn diese direkt in Halbleiterchips integriert werden könnten, wäre das ein gewaltiger Schritt hin zu skalierbaren und stabilen Quantenprozessoren.
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