Wenn Solarzellen wie Zeitungen gedruckt werden
Vor rund einem Jahrzehnt noch eine Zukunftsvision, heute beinahe Realität: Forschenden der Technischen Universität Chemnitz ist es gelungen, organische Solarzellen im Rollendruckverfahren mit einem Wirkungsgrad von 9 % und einer Produktionsausbeute von über 88 % herzustellen.
Gedruckte Solarzellen aus Chemnitz erreichen 9 % Effizienz und könnten Europas Solarindustrie neu beleben – nachhaltig und energieeffizient produziert.
Foto: pmTUC
Bereits 2011 sorgte das Team um Prof. Dr. Arved Hübler vom Institut für Print- und Medientechnik mit der weltweit ersten auf Papier gedruckten Solarzelle für Aufsehen. Doch mit einer Effizienz von nur 1,7 % und begrenzter Haltbarkeit blieb die Technologie zunächst Zukunftsmusik. „Die Machbarkeit war damals gezeigt, aber die Leistungswerte waren noch nicht überzeugend“, so Hübler.
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Drucken statt Schmelzen
Im Zentrum der neuen Technik steht das Rolle-zu-Rolle-Druckverfahren. Das Prinzip ähnelt dem Druck von Zeitschriften: Flüssige Schichten werden nacheinander auf Papier oder Kunststofffolie aufgebracht und getrocknet. Dabei erfüllen die Druckfarben in diesem Fall keine dekorative Aufgabe, sondern übernehmen elektrische Funktionen.
Eine Solarzelle besteht insgesamt aus sechs Schichten. Die wichtigste davon ist eine photoaktive Schicht aus der Polymermischung PM6:Y12, welche einfallendes Licht in Strom umwandelt.
Der entscheidende Vorteil: Im Gegensatz zur herkömmlichen Silizium-Photovoltaik, die viel Energie für hohe Temperaturen und aufwändige Reinigungsprozesse benötigt, kann das Drucken bei Raumtemperatur und mit sehr wenig Energie durchgeführt werden. So könnten künftig große Flächen von Solarfolien schnell und möglicherweise auch regional produziert werden.
Kooperationsprojekt POPULAR untersucht Haltbarkeit
Die Forschung ist Teil der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund fünf Millionen Euro geförderten Forschergruppe „POPULAR – Gedruckte & stabile organische Photovoltaik mit Nicht-Fullerenakzeptoren“
Im Mittelpunkt der aktuellen Arbeiten steht die Langzeitstabilität. Dazu werden die neuen Solarzellen in Kooperation mit der Universität Erlangen-Nürnberg, der TU Dresden, der Universität Bayreuth, der Universität Potsdam sowie Forschenden aus Augsburg und Durham (UK) einer beschleunigten Alterung unterzogen.
Nach sechs Wochen Testzeit vergleichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die gealterten Module mit frischen, neu gedruckten Solarzellen. Ziel ist es, die Ursachen für Materialabbau zu identifizieren und daraus Modelle für langlebigere Systeme zu entwickeln. Ergänzt wird dies durch Computersimulationen, die das elektrische Verhalten und Alterungsprozesse virtuell nachbilden.
Effizienz im internationalen Vergleich
Mit einem Wirkungsgrad von 9 % nähern sich die Chemnitzer Forscher den derzeit besten Ergebnissen anderer Forschungsgruppen im Bereich gedruckter organischer Solarzellen.
Aktuelle Studien berichten von 12 bis 13,7 % Effizienz bei gedruckten Verfahren wie Slot-Die-Coating oder Inkjet-Druck – allerdings meist unter Laborbedingungen und auf sehr kleinen Flächen. Einzelne Laborzellen, die nicht gedruckt, sondern mit aufwendigeren Verfahren hergestellt wurden, erreichen mittlerweile über 20 % Wirkungsgrad. Diese Spitzenwerte gelten jedoch für mikroskopisch kleine Testzellen, nicht für industriell skalierbare Module.
Marktpotenzial
„Der Klimawandel erfordert immer häufiger Verschattungen, beispielsweise über Feldern oder Gewächshäusern. Kilometerlange Solarbahnen könnten dort gleichzeitig Strom erzeugen und die Pflanzen schützen“, sagt Hübler.
Auch im Bereich Gebäudeintegration, bei Zelten, Fahrzeugen oder Fassaden sehen die Forschenden ein enormes Potenzial. Die Kombination aus geringem Gewicht, kostengünstiger Produktion und einfacher Skalierbarkeit könnte der gedruckten Photovoltaik einen eigenen Markt eröffnen.
Möglicher Wegbereiter für eine europäische Solarindustrie
Der Photovoltaics Report 2024 des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zeigt, dass etwa 96 % aller Solarmodule und deren Bauteile aus Asien stammen. Davon werden rund 80 % in China produziert – und zwar in Regionen, in denen die Stromversorgung überwiegend auf Kohle basiert.
Die Herstellung von Siliziumzellen ist energieintensiv. Allein die Reinigung des Siliziums und das Schmelzen der Wafer erfordern Temperaturen von über 1000 °C. Damit steht die Produktion zwar für günstige Preise, aber nicht für ökologische Nachhaltigkeit.
Hier setzt die Technik aus Chemnitz an. Hübler betont: „Die nächste Generation von Solartechnologien muss deutlich nachhaltiger hergestellt werden – dafür eignet sich das Druckverfahren besonders.“ Gedruckte organische Solarzellen benötigen im gesamten Fertigungsprozess nur einen Bruchteil der Energie, da sie bei Raumtemperatur und atmosphärischem Druck hergestellt werden können.
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