Peer-to-Peer-Strom: Woran es hakt und warum es eine gute Lösung wäre
Solarstrom an Nachbarn verkaufen statt einspeisen? Peer-to-Peer-Handel macht’s möglich – Studien belegen Vorteile, doch rechtliche Fragen bleiben offen.
Peer-to-Peer-Handel macht es möglich, seinen Solarstrom an den Nachbarn zu verkaufen. Das bietet einige Vorteile, braucht aber gesetzliche Regelungen.
Foto: Smarterpix / anterovium
Peer-to-Peer-Energiehandel (P2P) ermöglicht es Ihnen, überschüssigen Solarstrom direkt an Ihre Nachbarn zu verkaufen. Studien aus Australien, Deutschland und Bayern zeigen dabei wirtschaftliche Vorteile, Netzstabilisierung und sinkende Kosten. In Deutschland stehen aber noch rechtliche Fragen und Fördermöglichkeiten im Raum, die geklärt werden müssen. Wir haben es uns das System einmal etwas genauer angeschaut.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Peer-to-Peer-Energiehandel?
Peer-to-Peer-Energiehandel, kurz P2P, bedeutet, dass Sie überschüssigen Solarstrom nicht ins öffentliche Netz einspeisen, sondern direkt an Nachbarn verkaufen. Das geschieht über digitale Plattformen, zum Beispiel mit Smart-Contracts, die den Handel automatisch ausführen.
Solche Systeme funktionieren wie ein lokaler Marktplatz für Strom. Damit können Angebot und Nachfrage in Ihrer Nachbarschaft besser abgeglichen werden. Im besten Fall sinken Ihre Stromkosten, Sie machen Gewinn – und das Netz profitiert von weniger Spitzeinspeisung.
Erkenntnisse aus Australien
Eine Studie aus Australien zeigt deutlich, dass P2P-Handel rentabel sein kann. Dort liegt die Einspeisevergütung bei weniger als 5 Cent pro Kilowattstunde und der Endkundenpreis bei etwa 28 Cent. Wenn Sie überschüssigen Strom zu einem dazwischen liegenden Preis an Nachbarn verkaufen, profitieren beide Seiten.
Die Studie verglich vier Modelle: Peer-to-Grid (PvG), also Einspeisung ins Netz, mit und ohne Batterie, und P2P mit und ohne Batterie.
Das Ergebnis: P2P war vor allem bei niedrigen Einspeisevergütungen vorteilhaft – insbesondere mit Batterien. Eine 10-kWh-Batterie kombiniert mit P2P führte innerhalb von 20 Jahren zu den höchsten Erträgen, nämlich rund 4.929 US-Dollar. In Netz-Szenarien ohne P2P ergaben sich negative Erträge.
Die Batteriegröße ist entscheidend: Eine 7,5-kWh-Batterie sorgte für die kürzeste Amortisationszeit von 12 Jahren. Doch zu große Batterien trugen kaum Überschüsse bei und senkten damit auch den Gewinn. Damit zeigt sich, dass P2P-Handel dann effektiv ist, wenn Preisgestaltung, Batteriegröße und technisches Setup sorgfältig ausgewählt sind.
Hier geht es zur australischen Studie
Modellrechnungen für Deutschland – Einsparpotenzial bis 20 %
Eine Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Kooperation mit dem Future Energy Lab, dem Fraunhofer FIT und GridSingularity zeigt P2P-Handel im deutschen Kontext. Die Forschungsgruppe simulierte einen Strommarkt mit 967 „Agenten“ – das sind Modelle von Haushalten, Gewerbebetrieben und Energiesystemen (Photovoltaik, Speicher, E-Autos etc.) bis 2030.
Die Ergebnisse weisen darauf hin: Lokaler P2P-Handel könnte Stromkosten für Endkunden um etwa 4 % senken, auf nationaler Ebene sogar bis zu 20 %. Größere Märkte bringen also höhere Einsparungen. Die Studie hebt hervor, dass P2P-Systeme helfen könnten, Angebot und Nachfrage effizienter zu verknüpfen. Allerdings bringt der Übergang zum P2P-Marktdesign technische, regulatorische und Markt-Liquiditätsfragen mit sich. Stichworte sind etwa „Inc-Dec-Gaming“, also Handelsstrategien, die Netzengpässe provozieren könnten. Die Studie empfiehlt daher Pilot-Projekte, Förderung intelligenter Messsysteme und die Umsetzung der EU-Vorgaben für Energiegemeinschaften.
Hier geht es zur Studie der dena
Praxisbeispiel Bayern – P2P funktioniert auch im Kleinen
Im Modellprojekt BASE.V in Bayern testeten sieben Haushalte über sechs Monate P2P-Energiehandel. Sie waren mit Photovoltaik-Anlage, Heimspeicher und E-Auto samt Ladestation ausgerüstet. Über Smart-Contracts und Blockchain-Technologie trade-ten sie Strom lokal.
Ergebnis: Die regionale Steuerung und ökonomische Anreize konnten Verbrauchsspitzen senken und Netzengpässe vermeiden. Bereits sieben Haushalte reichten aus, um genug Abweichungen in Erzeugung und Verbrauch zu erzeugen. Damit lässt sich Netzstabilität unterstützen – unter Nutzung vorhandener Technik.
Wie Susan Käppeler (Sonnen DACH) sagte: „Peer-to-Peer-Handel zwischen Haushalten ist keine Zukunftsmusik, sondern mit den technischen Möglichkeiten heute umsetzbar.“ Damit P2P funktionieren kann, braucht es aber Smart-Meter, digitale Infrastruktur und passende Anreizstrukturen. Werden diese Voraussetzungen erfüllt, lässt sich die regionale Netzüberlastung abfedern und der Netzausbau gezielter planen.
Hier geht es zur Meldung der TU München
Rechtliche Hürden
Aktuell befinden wir uns in Deutschland in einem regulatorischen Übergang. Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und die EEG-Novelle regeln, wie Strom gehandelt werden darf. Viele P2P-Modelle betreffen den „Eigenverbrauch“ oder Versorgungsmodelle, die technisch dezentral, aber rechtlich zentral sind.
Die größte Hürde liegt im sogenannten Stromvertriebsrecht. Wenn Sie Strom an Dritte weitergeben, gelten Sie rechtlich als Versorger – und unterliegen Konzession, Mess- und Abrechnungspflichten. Die müssen erfüllt werden, sonst drohen Bußgelder.
Aktuelle EEG-Novellen und EU-Richtlinien zur Förderung von Energiegemeinschaften öffnen aber Spielräume: Kommunale oder regionale Zusammenschlüsse können Strom untereinander verteilen, oft mit vereinfachten Regeln. Förderprogramme wie KfW-Kredite oder Zuschüsse für Batteriespeicher helfen, erste Pilotprojekte finanzierbar zu machen.
Chancen
- Energiegemeinschaften bieten einen gesetzlichen Rahmen: Hier dürfen Sie Strom mit Mitgliedern teilen, ohne als Energieversorger zu gelten.
- EU-Richtlinien fördern diesen Ansatz: Sie verpflichten Deutschland zur Erleichterung des sogenannten „Peer-to-peer“-Handels über Energiegemeinschaften.
- Pilotförderung: Programme der Bundesregierung oder der Länder (etwa Bayern) fördern den Aufbau digitaler Infrastruktur wie Smart-Metering oder Plattformen.
- Netzentgeltmodelle: Dynamische Netzentgelte (wie im BASE.V-Projekt) können Anreize setzen und P2P-Handel rentabler machen.
- Digitalisierung: Fortschritte in Smart-Contracts, IoT und Blockchain erleichtern automatisierten Handel, Abrechnung und Bilanzierung.
Welche technischen Plattformen sind erforderlich?
Ohne digitale Plattformen ist Peer-to-Peer-Energiehandel nicht umsetzbar. Sie verbinden Erzeuger und Abnehmer, erfassen in Echtzeit, wer wie viel Strom erzeugt oder verbraucht, und wickeln den Handel automatisch ab. Die Kernaufgabe ist, die komplexen Mess- und Abrechnungsprozesse zu automatisieren, damit der Handel auch in kleinem Maßstab funktioniert.
- Smart-Meter als Basis: Smart-Meter – also intelligente Stromzähler – sind die Grundvoraussetzung. Sie messen in kurzen Intervallen (oft 15 Minuten oder weniger) den Stromfluss und übermitteln die Daten verschlüsselt an die Plattform. So kann genau nachvollzogen werden, wann Strom eingespeist oder bezogen wurde.
- Blockchain und Smart Contracts: Viele P2P-Plattformen setzen auf Blockchain-Technologie. Der Vorteil: Jede Transaktion wird fälschungssicher dokumentiert, und Smart Contracts führen Handelsabkommen automatisch aus. Wenn Ihr Nachbar zum Beispiel vereinbart hat, Strom zu 20 Cent pro Kilowattstunde zu kaufen, sorgt der Smart Contract dafür, dass der Betrag automatisch bei Lieferung abgerechnet wird – ohne manuelles Eingreifen.
- IoT-Integration: Im Projekt BASE.V in Bayern lief die Plattform über ein „Blockchain-Gateway“ und eine IoT-Plattform (Internet of Things). Dadurch konnten Geräte wie Batteriespeicher, Wechselrichter oder E-Auto-Ladestationen direkt mit der Handelsplattform kommunizieren. Updates und Wartungen erfolgten per Fernzugriff, was den Betrieb deutlich vereinfacht.
- KI-gestützte Prognosen: Zukunftsorientierte Plattformen integrieren Künstliche Intelligenz (KI), um Erzeugung und Verbrauch vorherzusagen. So kann das System schon Stunden im Voraus abschätzen, wie viel überschüssiger Strom verfügbar sein wird, und automatisch passende Handelsangebote einstellen.
Ein Blick auf die Batterietechnologien
Batterien spielen im P2P-Handel eine doppelte Rolle: Sie erhöhen den Eigenverbrauch und stabilisieren die Versorgung für Käufer*innen. Damit lassen sich Preisschwankungen und Engpässe besser ausgleichen.
- Lithium-Ionen-Batterien: Der Markt wird derzeit klar von Lithium-Ionen-Systemen dominiert. Sie bieten eine hohe Energiedichte, eine lange Lebensdauer (oft über 6.000 Ladezyklen) und gute Lade-/Entladeleistung. Für P2P-Handel sind sie attraktiv, weil sie Strom schnell aufnehmen oder abgeben können, wenn Marktpreise oder Netzbelastung es erfordern.
- Salzwasser- und Redox-Flow-Batterien: Salzwasser-Batterien kommen ohne Schwermetalle aus und sind sehr sicher. Sie eignen sich besonders für Haushalte, die eine nachhaltige Lösung bevorzugen, auch wenn die Energiedichte geringer ist. Redox-Flow-Batterien punkten bei sehr langen Lebensdauern und beliebiger Skalierbarkeit, sind aber größer und aktuell teurer. Sie könnten in gemeinschaftlichen P2P-Setups – etwa bei Energiegemeinschaften – interessant werden.
- Optimale Batteriegröße: Studien wie die aus Australien zeigen, dass nicht die größte Batterie die beste Rendite bringt. Für viele Einfamilienhäuser liegt die wirtschaftlich optimale Größe zwischen 7 und 10 kWh. Eine zu große Batterie bindet Kapital und verringert den für den Verkauf verfügbaren Überschuss, weil mehr Strom für den Eigenbedarf gespeichert wird.
- Sektor-Kopplung durch Speicher: Batterien können auch mit Wärmepumpen oder Elektroautos kombiniert werden. Überschüssiger Solarstrom lädt dann zuerst die Batterie, danach das E-Auto oder einen Wärmespeicher. So sinkt die Netzbelastung, und der P2P-Handel kann gezielter Überschüsse anbieten.
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