Röntgenlaser machen Kernfusion sichtbar
2040 will Deutschland das erste Fusionskraftwerk der Welt in Betrieb nehmen. Der European XFEL-Röntgenlaser in Hamburg soll dabei eine Schlüsselrolle spielen: Mit 27.000 Blitzen pro Sekunde blickt die Anlage in die entscheidende Frühphase der Fusionsreaktion.
Fusionsforschung in Deutschland: Während ASDEX Upgrade in Garching die Magnetfusion untersucht, soll der European XFEL künftig Fusionsprozesse mit Röntgenlaser sichtbar machen.
Foto: picture alliance / SVEN SIMON/Frank Hoermann
Fusionsenergie gilt als heiliger Gral der Energieversorgung: nahezu unerschöpflich, sauber und sicher. In ihrem Anfang Oktober veröffentlichten Aktionsplan nennt die Bundesregierung ein klares Ziel: Deutschland soll als erstes Land der Welt ein funktionierendes Fusionskraftwerk errichten. Bis 2029 fließen dafür über 2 Mrd. € in Forschung und Infrastruktur.
Doch bevor Wasserstoffatome in dem Werk zu Helium verschmelzen und dabei nutzbare Energie freisetzen, müssen Forschende verstehen, was genau in den ersten Sekundenbruchteilen einer Fusion passiert. Hier kommt der Röntgenlaser European XFEL ins Spiel.
Der weltweit größte Röntgenlaser
Die Forschungsanlage in Schenefeld bei Hamburg gilt als der größte Röntgenlaser weltweit. Mit 27.000 Röntgenlaserblitzen pro Sekunde und einer Leuchtstärke, die milliardenfach höher ist als bei herkömmlichen Röntgenquellen, eröffnet er bis dato unmögliche Einblicke. Jetzt soll der XFEL ein Werkzeug in Deutschlands Fusionsstrategie werden.
„Mit unserem Röntgenlaser können wir präzise untersuchen, wie eine Fusion abläuft“, erklärt Prof. Thomas Feurer, Vorsitzender der Geschäftsführung von European XFEL. „Dadurch können die Forschenden die komplexen Prozesse besser verstehen und bestimmen, unter welchen Bedingungen eine Fusionsreaktion beginnt und wie sie sich optimieren lässt.“
Wie beobachtet man eine Kernfusion?
Kernfusion ist extrem. Um Wasserstoffatome zu verschmelzen, braucht es Temperaturen von mehreren Millionen Grad und enormen Druck – die Bedingungen im Inneren der Sonne. Auf der Erde erzeugen Laser solche Extrembedingungen, indem sie Brennstoff-Pellets beschießen und dabei Plasmen erzeugen – ein extrem heißes, ionisiertes Gas.
Was dann passiert, geschieht in Bruchteilen von Sekunden. Doch diese „kritischen frühen Phasen“ der Fusionsreaktion sind entscheidend: Beginnt die Fusion überhaupt? Unter welchen Bedingungen? Wie kann man den Prozess optimieren?
Der Trick des European XFEL: Seine extrem kurzen und intensiven Röntgenlaserblitze können durch das heiße Plasma hindurchschauen und die ablaufenden Reaktionen Schritt für Schritt dokumentieren. „27.000 Blitze pro Sekunde“ bedeutet demnach: Die Anlage erfasst extrem schnelle Prozesse in Ultra-Zeitlupe.
Magnet oder Laser: Zwei Wege zur Kernfusion
Deutschlands Fusionsstrategie setzt auf die beiden etablierten Ansätze: Magnet- und Laserfusion.
Bei der Magnetfusion wird ein Gasgemisch so stark erhitzt, dass es zu einem Plasma wird. Magnetfelder halten dieses Plasma vom Kontakt mit den Reaktorwänden fern. Bei der Laserfusion wird ein Target aus Fusionsbrennstoff extremen, durch Laserstrahlung erzeugten Temperaturen und Drücken ausgesetzt.
Während die Magnetfusionsforschung in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung gut aufgestellt ist, fehlt eine vergleichbare Infrastruktur für Laserfusion. Das soll sich ändern: Die Bundesregierung plant den Aufbau entsprechender Anlagen.
Der European XFEL als Forschungs-Hub
Im Juni 2024 kamen Experten bei einem Workshop am European XFEL zu einem Konsens: Die Kombination beider Technologien könnte die Fusionsforschung erheblich voranbringen. Daraufhin beschloss man, eine internationale Plattform zur Untersuchung von Materiezuständen unter extremen Bedingungen aufzubauen.
„Wir sind optimistisch, dass wir neue Perspektiven für die fusionsrelevante Forschung bieten können“, erklärt Sakura Pascarelli, Wissenschaftliche Direktorin bei European XFEL, in einer Pressemitteilung. „Auf diese Weise können wir die internationalen Bemühungen unterstützen, einen wesentlichen Beitrag zu den globalen Anstrengungen für saubere und sichere Energiequellen der Zukunft zu leisten.“
Zwölf Länder sind am European XFEL beteiligt, darunter Dänemark, Frankreich, Italien, Polen und die Schweiz. Deutschland trägt mit 57 % den Großteil der Kosten. Die 550 Mitarbeiter arbeiten eng mit dem Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) zusammen.
Am XFEL wird dabei mehr als Fusionsenergie erforscht. Forscherinnen und Forscher aus aller Welt nutzen die Anlage, um atomare Details von Materie abzubilden, chemische Reaktionen zu filmen oder Vorgänge im Inneren von Planeten zu untersuchen.
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