Flexibilität im Stromnetz der Zukunft
Es werden längst noch nicht alle Markt- und Preissignale genutzt, um mehr Flexibilität beim Stromverbrauch anzureizen, sagt Anke Weidlich vom Institut für Nachhaltige Technische Systeme (INATECH).

Wenn die Sonne geht und kein Wind weht, muss der Markt Abnehmer stärker motivieren, Strom zu sparen.
Foto: PantherMedia / Michael Rosskothen
Die Nutzung von Flexibilitäten in einem intelligenten Stromsystem ist ein zentrales Thema der Energiewende. Beim Deutschen Ingenieurtag 2025 (DIT) sprach Anke Weidlich vom Institut für Nachhaltige Technische Systeme (INATECH) der Universität Freiburg über den aktuellen Stand und beleuchtete zudem die künftige Rolle von Flexibilitätsoptionen im Strommarkt – insbesondere im Kontext des wachsenden Anteils erneuerbarer Energien und den damit verbundenen Herausforderungen für das Stromnetz.

Anke Weidlich sprach über den aktuellen Stand der Nutzung von Flexibilitäten in einem intelligenten Stromsystem und beleuchtete die künftige Rolle von Flexibilitätsoptionen im Strommarkt.
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Weidlich eröffnete mit einem Blick auf den Netzentwicklungsplan Strom, der in allen betrachteten Szenarien einen massiven Zubau an Flexibilität vorsieht. Zu den wesentlichen Säulen zählen dabei die Elektromobilität, Batteriespeicher, Wärmepumpen sowie Elektrolyseure, wobei letztere technologisch und wirtschaftlich noch mit Unsicherheiten behaftet sind. Besonders auffällig ist die dynamische Entwicklung bei den Elektroautos: Das Potenzial an flexibler Ladeleistung geht bereits heute in den Gigawatt-Bereich – bisher wird es aber noch nicht effizient ins Stromsystem integriert.
Woher die Flexibilität im Stromsystem heute stammt
Aktuell, so Weidlich, stamme die Flexibilität im Stromsystem überwiegend noch aus konventionellen Großkraftwerken und aus dem internationalen Stromhandel. Diese Struktur ist jedoch nicht zukunftsfähig. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Rückbau konventioneller Kraftwerkskapazitäten wachse der Bedarf an dezentralen, intelligent gesteuerten Flexibilitätsressourcen – also an Verbraucher- und Speichertechnologien, die ihre Last oder Einspeisung je nach Netz- und Marktlage anpassen können.
Anreize orientieren sich an Marktsignalen
Ein zentrales Problem: Die Anreize für den Einsatz solcher Flexibilitäten orientieren sich bislang fast ausschließlich an Marktsignalen – also etwa an den Großhandelspreisen für Strom. Diese Preise spiegeln zwar die nationale Systembilanz gut wider, sagen aber wenig über lokale Netzengpässe aus. Auch die Netzentgelte – eigentlich ein potenzielles Instrument zur Steuerung von Netzlasten – setzen bisher keine systemdienlichen Anreize. Sie fördern eher eine gleichmäßige Lastverteilung und die Vermeidung individueller Verbrauchsspitzen, was insbesondere für größere gewerbliche Kunden relevant ist. Private Haushalte hingegen reagieren meist auf fixe Arbeitspreise und versuchen, ihre Eigenverbrauchsquote zu maximieren.
Die mögliche Rolle dynamischer Netzentgelte
Weidlich plädierte dafür, Markt- und Preissignale stärker zu nutzen, um die Flexibilitätsressourcen effizient in das Gesamtsystem einzubinden. Gleichzeitig sei eine Weiterentwicklung der bestehenden Entgeltsystematik erforderlich – interessant hierbei wären sogenannte dynamische Netzentgelte. Diese könnten sich flexibel an der aktuellen Netzauslastung orientieren: Niedrige Entgelte in Phasen geringer Auslastung und hohe Entgelte bei drohenden Engpässen könnten Verbraucher und Speicher motivieren, ihre Stromnutzung zeitlich zu verschieben oder zusätzliche Flexibilität bereitzustellen. Solche Preissignale müssten jedoch kurzfristig festgelegt werden, um wirksam zu sein.
Neben der Preissteuerung sind laut Weidlich auch direkte Flexibilitätsprodukte notwendig. Diese umfassen etwa klassische Regelleistungen oder neue Instrumente wie Redispatch 3.0 – also gezielte Maßnahmen zur Verlagerung von Stromlasten oder Einspeisungen zur Entlastung überlasteter Netzabschnitte. Solche Produkte ermöglichen eine gezielte Steuerung, sollten aber – so ihre klare Empfehlung – lediglich ergänzend eingesetzt werden. Der Grundsatz müsse lauten: „Preissignale so viel wie möglich, direkte Steuerung nur so viel wie nötig.“
Auch auf europäischer Ebene gibt es laut Weidlich Unterstützung für dynamische Tarifmodelle. Empfehlungen der EU-Kommission betonen etwa die Gleichbehandlung aller Netzteilnehmer, die Berücksichtigung der Spannungsebene und die Orientierung an der Spitzenlast. Zudem gewinnen Lokalisierungssignale an Bedeutung – also Preise, die sich an spezifischen regionalen Netzverhältnissen orientieren.
Ein zukunftsfähiges Energiesystem, ist Weidlich überzeugt, brauche nicht nur mehr Flexibilität – es seien auch die richtigen Anreizstrukturen erforderlich, um diese Flexibilität zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort bereitzustellen. Nur wenn es gelinge, Marktlogik und Netzlogik miteinander zu verbinden, könne das intelligente Stromsystem der Zukunft seine volle Leistungsfähigkeit entfalten.
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