Deutschland schwitzt – aber ohne Klimaanlage: Wie lange noch?
Viele Deutsche stehen der Klimaanlage skeptisch gegenüber. Wir schauen uns die Vorbehalte an und blicken in die Zukunft, in der Klimaanlagen vielleicht eine wichtige Ergänzung sein werden.

Die Deutschen stehen der Klimaanlage sehr ambivalent gegenüber. Der Klimawandel könnte jedoch dafür sorgen, dass es in Zukunft gar nicht mehr ohne geht.
Foto: picture alliance/dpa/MAXPPP | Franck Kobi
An heißen Sommertagen suchen viele Menschen in Spanien, den USA oder Singapur automatisch klimatisierte Räume auf. In Deutschland ist das anders. Hier gelten Klimaanlagen noch immer als Stromfresser, als unökologisch oder gar als ungesund.
Wer in einem Büro, Restaurant oder Krankenhaus arbeitet, findet häufig keine Kühlung – und selbst in den öffentlichen Verkehrsmitteln fehlt sie oft. Dabei werden die Sommer länger, heißer und belastender. Der Klimawandel stellt die deutsche Zurückhaltung in dieser Frage auf die Probe. Es könnte sein, dass wir die Geräte, die wir heute kritisch beäugen, in Zukunft dringend brauchen.
Inhaltsverzeichnis
- Historische und kulturelle Gründe für Skepsis
- Technik und Funktionsweise
- Gesundheits- und Umweltaspekte
- Warum die Klimaanlage in Zukunft wichtiger werden könnte
- Alternativen und passive Kühlmethoden
- Gebäudekonzepte für weniger Kühlbedarf
- Photovoltaik und Klimaanlagen: eine funktionierende Kombination
- Der soziale Faktor: Wer kann sich Kühlung leisten?
- Zwischen Komfort, Energieverbrauch und Klimawandel
Historische und kulturelle Gründe für Skepsis
Die Zurückhaltung gegenüber Klimaanlagen hat in Deutschland mehrere Wurzeln. Historisch galt Kühlung lange als Luxus. Heizen war wichtiger, und dieser Gedanke prägt das Land bis heute. Auch die Sorge um die Gesundheit spielt eine Rolle. Viele Menschen fürchten Erkältungen, trockene Schleimhäute oder Kopfschmerzen. Nicht zuletzt stört manche das Geräusch der Geräte.
Die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn beschreibt das so: „Es gibt so etwas wie kulturelle Gewohnheiten. Die Erfahrung, aus der Hitze in einen gefühlt eiskalten Raum zu kommen, ist für Deutsche ungewohnt.“ In anderen Regionen, vor allem in den Tropen, sei es längst Alltag, den Tag in gekühlten Einkaufszentren oder Büros zu verbringen.
Hinzu kommt eine Haltung, die in vielen Köpfen verankert ist: „Da muss man halt durch.“ Hitze wird in Deutschland oft ausgehalten statt aktiv bekämpft – auch wenn das die Leistungsfähigkeit und Konzentration senkt.
Technik und Funktionsweise
Eine Klimaanlage arbeitet im Prinzip wie ein Kühlschrank. Ein Kältemittel nimmt Wärme aus der Raumluft auf. Über einen Verdampfer wird diese Wärme abgeführt, das Kältemittel wird komprimiert, draußen abgekühlt und wieder verflüssigt. Der Kreislauf beginnt von vorn.
Viele Anlagen können nicht nur kühlen, sondern auch heizen oder die Luftfeuchtigkeit regulieren. Entscheidend für die Effizienz ist, wie gut der Raum isoliert ist und wie stark die Sonneneinstrahlung wirkt.
Gerätetypen
Mobile Monoblock-Geräte
- Preis: meist 200–1.000 Euro
- Vorteil: flexibel, keine feste Installation
- Nachteil: relativ hoher Stromverbrauch (210–700 kWh/Jahr) und geringer Wirkungsgrad
- Wärme wird über einen Schlauch nach außen geleitet
Split-Geräte
- Fest installiert, bestehend aus Innen- und Außengerät
- Effizienter (135–300 kWh/Jahr)
- Können oft auch heizen
- Kosten: bis zu 2.500 Euro plus Einbau
- Vor allem für Eigentümer interessant, da bauliche Anpassungen nötig sind
Hans Weinreuter von der Verbraucherzentrale betont: „Split-Geräte sind effizienter und entfeuchten nebenbei die Innenraumluft. Außerdem besitzen viele Split-Geräte eine zusätzliche Heizfunktion.“
Gesundheits- und Umweltaspekte
Die kritische Haltung gegenüber Klimaanlagen in Deutschland hat auch mit Umwelt- und Gesundheitsfragen zu tun. Klimageräte brauchen Strom, und wenn dieser aus fossilen Energien stammt, steigen die CO₂-Emissionen. Manche Geräte enthalten zudem Kältemittel, die bei unsachgemäßer Entsorgung oder Defekten ein hohes Treibhauspotenzial haben. Das Umweltbundesamt mahnt daher, Geräte mit umweltfreundlicheren Kältemitteln zu wählen und die Anlagen regelmäßig warten zu lassen.
Gesundheitlich problematisch werden Klimaanlagen, wenn sie falsch eingestellt sind. Ein zu großer Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen kann den Kreislauf belasten. Zu kalte Raumluft erhöht das Risiko für Erkältungen. Auch trockene Luft kann die Schleimhäute reizen. Ärztinnen und Ärzte empfehlen daher, die Differenz zur Außentemperatur auf maximal fünf bis sechs Grad zu begrenzen und die Raumtemperatur nicht unter 22 °C zu senken.
Warum die Klimaanlage in Zukunft wichtiger werden könnte
Der Klimawandel verändert den Temperaturhaushalt in Deutschland. Sommer mit mehr Hitzetagen und tropischen Nächten werden wahrscheinlicher. Tropische Nächte sind Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 °C fällt – ein Problem für die natürliche Abkühlung von Gebäuden.
Studien wie die von Igor Bosshard an der Ostschweizer Fachhochschule zeigen: In Wohngebäuden wird der Heizwärmebedarf bis 2060 deutlich sinken, während der Kühlbedarf zunimmt – besonders, wenn der Klimaschutz nicht vorankommt. Zwar wird der Energiebedarf fürs Kühlen in den meisten Fällen nicht den fürs Heizen übertreffen, doch in Bürogebäuden sieht es anders aus. Dort können schon heute die Kühlkosten gleich hoch oder höher sein als die Heizkosten.
Die Ursache: große Glasflächen, interne Wärmequellen wie Computer und Beleuchtung, dazu dichte Bauweisen, die zwar Wärme im Winter halten, im Sommer aber auch die Hitze speichern. Bosshard warnt: „Im Extremfall könnten gewisse Bürobauten bis 2100 zehnmal mehr Kühl- als Heizenergie benötigen.“
Alternativen und passive Kühlmethoden
Klimaanlagen sind nicht die einzige Möglichkeit, Räume kühl zu halten. Bauliche Maßnahmen können den Bedarf an aktiver Kühlung deutlich verringern:
- Außenliegende Beschattung wie Rollläden oder Jalousien blockieren bis zu 75 % der Sonneneinstrahlung.
- Begrünte Dächer und Fassaden senken die Oberflächentemperatur und wirken wie natürliche Dämmung.
- Helle Fassadenfarben reflektieren Sonnenlicht.
- Nachtauskühlung über geöffnete Fenster oder mechanische Lüftung kann die gespeicherte Wärme aus den Räumen leiten – sofern es nachts ausreichend abkühlt.
Eine weitere Möglichkeit ist Freecooling: Dabei wird kühles Wasser aus dem Erdreich, Grundwasser oder einem nahegelegenen Gewässer durch das Heizsystem geleitet. Der Effekt ist moderat, spart aber Energie, da nur eine Umwälzpumpe läuft.
Gebäudekonzepte für weniger Kühlbedarf
Architekten und Bauherren können schon bei der Planung von Neubauten oder Sanierungen darauf achten, dass Gebäude auch ohne hohen Energieaufwand im Sommer angenehm bleiben. Das beginnt bei der Ausrichtung des Gebäudes, setzt sich über den Anteil der Glasflächen fort und schließt eine wirksame Beschattung sowie eine gute Dämmung ein.
Die thermische Speichermasse – also die Fähigkeit von Bauteilen, Wärme zwischenzuspeichern – ist ein weiterer Faktor. Massive Wände können Temperaturschwankungen ausgleichen. In Verbindung mit einer cleveren Lüftungsstrategie lassen sich viele Hitzespitzen abfedern.
Photovoltaik und Klimaanlagen: eine funktionierende Kombination
Wer eine Klimaanlage betreibt, kann die Umweltbilanz verbessern, wenn er oder sie den Strom aus einer eigenen Photovoltaikanlage nutzt. An heißen Sommertagen, wenn der Kühlbedarf hoch ist, produzieren PV-Anlagen besonders viel Strom. Mit einem Energiemanagementsystem lässt sich der Betrieb der Klimaanlage automatisch auf die Zeiten mit hoher Solarstromproduktion abstimmen.
Batteriespeicher machen den Solarstrom auch abends verfügbar. So lässt sich etwa das Schlafzimmer vor dem Schlafengehen herunterkühlen, ohne Netzstrom zu nutzen.
Der soziale Faktor: Wer kann sich Kühlung leisten?
Klimaanlagen kosten in der Anschaffung und im Betrieb Geld. Mobile Geräte sind günstiger, aber oft ineffizient. Split-Geräte arbeiten sparsamer, erfordern aber eine größere Investition. Für Mieterinnen und Mieter kommt erschwerend hinzu, dass bauliche Veränderungen meist nicht ohne Zustimmung der Eigentümer möglich sind.
Das wirft eine soziale Frage auf: Wenn Klimaanlagen in Zukunft zur Gesundheitsvorsorge beitragen – etwa für ältere Menschen oder chronisch Kranke – wie wird der Zugang zu Kühlung gerecht organisiert? Städte wie Paris oder Wien haben bereits begonnen, „kühle Räume“ in öffentlichen Gebäuden einzurichten, die an heißen Tagen für alle zugänglich sind.
Zwischen Komfort, Energieverbrauch und Klimawandel
Deutschland und die Klimaanlage – das ist bislang eine Beziehung voller Vorbehalte. Historische Prägungen, kulturelle Gewohnheiten und Umweltbedenken bremsen die Verbreitung. Doch mit steigenden Temperaturen und längeren Hitzeperioden könnte sich die Lage ändern.
Passive Kühlmethoden, klimagerechtes Bauen und intelligente Lüftung bleiben wichtige Bausteine. Doch dort, wo diese nicht ausreichen – in stark verglasten Bürogebäuden, Dachgeschosswohnungen oder Krankenhäusern – wird die Klimaanlage zum unverzichtbaren Werkzeug. Entscheidend ist, sie effizient, gezielt und möglichst mit erneuerbaren Energien zu betreiben. (mit Material der dpa)
Ein Beitrag von: