Chiphersteller 11.11.2011, 12:05 Uhr

Halbleiter-Fertigung: Europa positioniert sich

Es gebe keinen Grund, Halbleiterfertigung nicht in Europa zu betreiben, sagte kürzlich Infineon-Chef Peter Bauer. Das ist Wasser auf die Mühlen des Branchenverbandes Semi Europe, der schon lange eine starke europäische Fertigungsbasis fordert. Auch angesichts technologischer Herausforderungen wie die künftigen 450-mm-Wafer und die dafür nötigen Forschungsmilliarden.

Welche standortstrategische Bedeutung hat die Halbleiterindustrie oder, weiter gefasst, die Mikroelektronik für Europa? Das ist eine alte Frage. Doch mit dem anstehenden Übergang der Chipfertigung auf die riesigen 450-mm-Wafer und Strukturfeinheiten bis herab zu 8 nm gewinnt sie neue Aktualität

Denn das bedeutet milliardenschwere, auch öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung – und in globale Kooperationen. Und es bedeutet ebenso schwergewichtige unternehmerische Entscheidungen für die Entwicklung immens aufwendiger, teils noch nicht praxisreifer Fab-Tools, etwa der EUV-Lithografie zur Waferbelichtung.

Branchenverband Semi Europe plädiert für Verbleib und Ausbau der Halbleiter-Fertigung

Einerseits plädieren die europäisch gut aufgestellten Fab-Ausrüster und Zulieferer mit ihrem äußerst aktiven Verband Semi Europe für den Verbleib und die Neuansiedlung der Chipfertigung in Europa. Die Chiphersteller hingegen, besonders die von hochvolumiger Standardware, sind mehr ihren quartalsoptimierten Bilanzen verpflichtet. Sie neigen vielfach zur (Auftrags-)Fertigung, auch auf 450-mm-Wafern, im kostengünstigen Asien.

Da ist die Aussage des Infineon-Chefs Peter Bauer auf dem VDE/ZVEI-Mikroelektronik-Symposium am 21. September in Berlin so etwas wie eine Wende: Es gebe keinen Grund, Halbleiterfertigung nicht in Europa zu betreiben. Eine Entscheidung auch für Dresden. Das ist, konstatiert Roland Schnabel vom VDE „eine neue Geschmacksrichtung“: Europa ist auch in Zukunft wettbewerbsfähig und attraktiv.

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Es gehe ja nicht nur um Lohn- und Energiekosten, Gesetzes- und Regulierungslagen, so Schnabel, sondern auch um das Sourcing im Falle von Lieferstörungen. Also um die weltweite Diversifizierung von Standortrisiken, unter Nutzung der hoch entwickelten Transportlogistik. Das Erdbeben in Japan und die aktuelle Flutkatastrophe in Thailand haben das nochmals verdeutlicht.

Von New York lernen: Erfolgreiche Standortpolitik für die Halbleiter-Fertigung

Wie man erfolgreiche Standortpolitik betreibt, unter ganz ähnlichen Bedingungen wie in Europa, nämlich als Wiederbelebung ehemals florierender Regionen, wird vom US-Bundesstaat New York vorexerziert. Milliardenbeihilfen der Regierung in Albany fließen seit Jahren – teils in Forschungsaktivitäten der University of Albany, die sich als Weltzentrum der Nanoelektronik profiliert, teils direkt in die Ansiedlung neuer Fabriken. So erhielt der Auftragsfertiger Globalfoundries vor fünf Jahren, damals noch Teil von AMD, in Malta bei Saratoga Springs eine solide Starthilfe von 1,4 Mrd. $. Jetzt geht es, wie auch in Dresden, um die Anschlussförderung zur Fab-Erweiterung. In der lokalen Zeitung Times Union nebst Leser-Blogs wird das seit Wochen lebhaft diskutiert.

Richtig ist: Das College of Nanoscale Science and Engineering der University of Albany, unter dem CEO Alain Kaloyeros, bündelt Aktivitäten und Ressourcen, baut aus und macht aus dem malerischen Hudson River Valley ein neues Silicon Valley. Die Fab-Kooperative Sematech zieht vom texanischen Austin nach Albany um und integriert ihr ISMI-450-Programm in das im September gegründete „Global 450 Consortium“ (G450C) mit Intel, IBM, Samsung und Globalfoundries. Insgesamt 4,4 Mrd. $ über fünf Jahre soll das kosten: 3,6 Mrd. $ steuert IBM in East Fishkill bei, je 75 Mio. $ die vier Partner. Der Staat New York spendiert 400 Mio. $ Steuererlass und Sachleistungen.

G450C ist ein Dilemma für die F&E-Strategen in der EU-Kommission, für das Forschungszentrum IMEC im belgischen Leuven und die europäischen Chipmacher. Denn die G450C-Mitglieder wollen, mit Druck von Intel, Samsung und TSMC, endlich zur Sache kommen, bis 2014 in Albany eine 450-mm-Pilotlinie installieren und Fab-Tools testen.

Auf der Semicon Europa, Mitte Oktober in Dresden, kamen die Entwicklungen an der 450-mm-Front auf einer international bestückten Konferenzsitzung zur Sprache: mitmachen oder draußen bleiben. Luc van den Hove, Chef von IMEC mit angelaufenem Bauprogramm für eine 450-mm-Linie, erklärte die Bereitschaft, zu G450C „komplementär“ einen Beitrag zu leisten.

EU: Wachsende Bereitschaft, sich gezielt in die Halbleiter-Fertigung einzubringen

Ein Hoffnungsstrahl: Bei der EU und ihren Fördergremien wächst die Bereitschaft, sich gezielt in die Zukunft der europäischen Halbleiterindustrie einzubringen. Ihr von einer 27-köpfigen „High-Level-Group“ erarbeiteter „Final Report“ soll im Dezember verabschiedet werden. Er ist ein diplomatisches Meisterstück zugunsten des freien Wettbewerbs und der Vermeidung des Anscheins von Präferenzen für einzelne Branchen.

Deshalb sollen im 8. EU-Rahmenprogramm zwischen 2014 und 2020 insgesamt sechs europäische Schlüsseltechnologien („KET“) unter ausdrücklichem Einschluss der Fertigung im bewährten Prinzip der Private-Public-Partnership gefördert werden. Der Rahmenbetrag beläuft sich auf 80 Mrd. €. Auch für nationale Förderungen lässt der Report Raum. „Da ist Zug dahinter“, konstatiert Roland Schnabel vom VDE. „Wir sind auf einem besseren Weg.“

Ein Beitrag von:

  • Werner Schulz

    Freier Fachjournalist in München. Schwerpunktthemen: Mikroelektronik, Solartechnik, Displaytechnologie.

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