14.07.2000, 17:26 Uhr

Blitze bergen Gefahren für Mensch und Gerät

Eine Viertel Million Blitze richten jedes Jahr immense Schäden an. Doch die Folgen der Einschläge werden noch immer unterschätzt, nur wenige Gerätebesitzer oder Häuslebauer schützen sich ausreichend.

Manchmal fährt er aus heiterem Himmel, ein anderes Mal sind die Blitze schon Minuten lang sichtbar, bevor sie in der Nähe einschlagen. Wenn sich ein Blitz mit halber Lichtgeschwindigkeit zwischen den Wolken und dem Erdboden aufbaut, werden in wenigen Millionstel Sekunden einige Millionen kW Leistung frei. Ströme von über 200 000 A erhitzen dann die Luft „blitzartig“ auf 20 000 °C.
Über Deutschland werden jedes Jahr mehr als 750 000 Blitze gezählt. Den Süden treffen etwa zwei Drittel der Blitze. Doch auch im Norden richten die elektrischen Entladungen zwischen Wolken und Erdboden großen Schaden an. Vergangene Woche legten Gewitter Hunderte von Telefonen in der Eifel lahm und versetzten die Telekom-Techniker in Alarmzustand – nur ein Beispiel von vielen in den letzten Wochen. Häufig entstand der Schaden bei Faxgeräten und anderen Telekommunikationsgeräten, die über die 230 V-Steckdose mit Spannung versorgt werden.
Von Blitzen verursachte Überspannungen lösten auch Fehlalarme bei Brandmeldeanlagen aus und setzten Sirenen in Gang. Wer im Internet nach Informationen über Blitzeinschläge sucht, findet Berichte über Zerstörungen von UKW-Sendeanlagen, gestörte Parkleitsysteme und beschädigte Rotorblätter bei Windenergieanlagen. Vor allem elektronische Geräte, die hoch empfindlich auf Spannungsschwankungen reagieren, sind gefährdet. Analoge Telefone werden leichter das Opfer solcher Impulse als ISDN-Geräte, die durch den Netzabschluss im Haus (NTBA) recht gut geschützt sind.
Nicht immer werden die Schäden sofort akut. Leichte Überspannungen von 20 Volt verkürzen die Lebensdauer von elektronischen Geräten, ohne dass der Grund für den Besitzer erkennbar wird. Vorsorge tut Not, wird aber oft vernachlässigt. Der Verband VDE in Frankfurt/M. glaubt, dass die Erbauer von Einfamilienhäusern häufig beim Blitzschutz sparen. „Dabei betragen die Kosten für den Rundumschutz gerade mal 3500 DM“, betont Peter Hasse, Blitzschutzspezialist beim VDE. Die Nachrüstung sei 20 bis 30 % teurer. Auch Mieter könnten sich mit einem 300 DM teuren Schutzgerät beim Stromzähler gegen Störungen des Wohnungsstromkreises schützen. Rund 100 DM teure Zusatzgeräte für die Steckdose würden sehr empfindliche Geräte wie PC und Fernseher absichern.
Wer sich bei Gewitter draußen bewegt, sollte keinesfalls auf den schönen Reim mit den Buchen hereinfallen und sich nicht nur von den Eichen fern halten. Denn alle feuchten Materialien, also gerade Bäume, aber auch Holzmasten und Mauern, explodieren bei einem Blitzeinschlag, weil das Wasser verdampft. Die Gefahrenzone um den Einschlagort hat mindestens einen Radius von 20 m. Die Schrittspannung an der Erdoberfläche kann auch Menschen gefährden, deren Füße nicht dicht nebeneinander stehen. Der VDE empfiehlt in einer 20-seitigen Broschüre, die im Internet abrufbar ist (siehe Kasten), sich im Freien hinzuhocken und die Füße eng nebeneinander zu setzen.
Sicherer ist der Aufenthalt in Gebäuden mit Blitzschutzanlagen, in Autos, Kabinen von Baumaschinen, Campingwagen, Eisenbahnfahrzeugen und Seilbahnkabinen. Die metallenen Gehäuse bilden einen Faradayschen Käfig. Im Cabrio ist die Gefahr offenbar nur geringfügig höher. Die TU München testete bei Audi künstliche Blitzeinschläge bei trockenem und nassem Verdeck. „Fast alle 80 Blitze schlugen in die Dachrahmenträger, flossen von dort über Karosserie und Reifen zum Boden ab“, erklärt Audi-Pressesprecher Udo Rügheimer. In den Köpfen der Dummys wurden nur elektromagnetische Einstreuungen registriert. Doch eine Fahrt mit offenem Verdeck kann tödlich sein. ADAC und VDE warnen vor den starken Hitzeschäden, die an den Reifen entstehen können, wenn sie einen Blitz in den Boden leiten mussten. Auch kann die Bordelektronik unter starken elektromagnetischen Feldern leiden. Wer nach dem Schrecken eines Blitzeinschlags mit Höchstgeschwindigkeit weiterfährt und sich auf ABS, ESP oder elektronische Zündung verlässt, muss mit bösen Überraschungen rechnen.
Auf Zweirädern gibt es keinen Schutz. Wer vom Gewitter überrascht wird, sollte zu Fuß weiter und unter Brücken, in Gebäuden oder im Wald warten. Nur am Waldrand schlagen Blitze häufiger ein. Im Zelt ist man recht sicher, wenn es nicht neben Bäumen, Masten, am Waldrand oder auf Hügeln aufgebaut ist. Allerdings nur dann, wenn es metallene Zeltstangen hat und man gut isoliert auf einer trockenen Matte sitzen kann, ohne Zeltwände und Stangen zu berühren. Fiberglasstangen sind lebensgefährlich, ebenso Campingwagen ohne Metallteile im Dach. Antennen auf dem Camper sollten entfernt werden. Fernsehantennen gehören nach Ansicht des VDE auf ein mindestens 3 m entferntes Metallrohr.
Wer seinen Lieben das Tosen des Gewitters am Handy übermitteln will, muss laut VDE-Mann Hesse keine Bedenken haben. Hin und wieder wird jedoch die nächste Basisstation von einem Blitz lahm gelegt. Die Mobilfunk-Netzbetreiber versuchen dann, vorübergehend benachbarte Basisstationen zur Versorgung heranzuziehen. „Oft reicht schon ein Software-Update von der Netzüberwachungszentrale aus“, berichtet Matthias Andreesen, Pressesprecher von D2-Mannesmann. Die 11 000 Basisstationen werden von 100 regionalen Netzknoten aus überwacht. Nur selten muss ein Techniker hinaus fahren, um Antennen oder Elektronikbausteine auszuwechseln. „Häufiger trifft ein Baum am Waldrand einen Antennenmast als ein Blitzeinschlag“, so Andreesen. Extrem gefährdet bei Gewitter sind Golfspieler. Laut VDE ereignen sich rund ein Fünftel aller Blitzunfälle in den USA auf Golfplätzen. FRIEDHELM WEIDELICH
Der Blitz schlägt ein: Niemand ist vor dieser Naturgewalt mit elektrischen Entladungen geschützt, doch es gibt Schutzmaßnahmen.

Schutzmaßnahmen

Tipps zum Blitzschutz

Im Auto: Antennen einziehen, eventuell parken, nach Blitzeinschlag Reifen und Elektronik prüfen lassen.
Per Zweirad: Rad oder Motorrad mindestens 10 m entfernt stehen lassen, Schutz suchen oder im Freien zusammenkauern.
Zu Fuß: Reichlich Abstand zu Bäumen und Türmen sowie mindestens 3 m Abstand zu Mauern halten, nicht am Waldrand bleiben, 3 m Abstand zu Bäumen im Wald beachten, in Scheunen ohne Blitzschutz in der Mitte aufhalten.
Auf dem Wasser: Nicht schwimmen, notfalls mit geschlossenen Beinen tief im Boot kauern, keine Metallteile berühren.
Im Gebirge: Höhle, Hütte oder metallene Biwakschachteln aufsuchen, feuchte Felsen, Seile und Leitern nicht berühren, auf Steinschlag und Lawinen achten. weid/zel

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Ein Beitrag von:

  • Friedhelm Weidelich

    Technikjournalist Friedhelm Weidelich schreibt seit vielen Jahren über Verkehrsinfrastruktur, Eisenbahnen und Fahrzeugbau für verschiedene überregionale Zeitungen, Online-Medien und Fachmagazine.

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