Nanotechnologie erreicht das Auge 24.10.2025, 12:35 Uhr

25.000 PPI: So scharf war der Bildschirm noch nie

Mini-Displays der Zukunft nutzen Nanopartikel: Zwei Technologien machen Bilder so echt, dass das Auge kaum mithält.

Nahaufnahme Auge

Ein menschliches Auge in extremer Nahaufnahme – Forschende nähern sich mit neuen Nanodisplay-Technologien der natürlichen Sehgrenze des Auges an.

Foto: Smarterpix / voronin-76

Wie realistisch kann ein Bildschirmbild aussehen – und wo liegt die Grenze des menschlichen Sehens? Forschende aus Schweden und Deutschland haben zwei völlig unterschiedliche Antworten auf diese Frage gefunden.

Während das Retina E-Paper der Chalmers University mit winzigen, reflektierenden „Metapixeln“ arbeitet, die Farben ohne Lichtemission erzeugen, hat ein Team der Universität Würzburg das kleinste leuchtende Pixel der Welt entwickelt.

Beide Technologien bringen die Displaytechnik an ihre physikalischen und biologischen Grenzen – und könnten künftig Smartphones, E-Reader oder VR-Brillen auf ein neues Level heben.

Wenn das Auge an seine Grenze stößt

Wie echt kann ein Bildschirmbild aussehen? Forschende der Chalmers University of Technology, der Universität Göteborg und der Universität Uppsala haben darauf eine Antwort gefunden, die den Begriff „Realismus“ neu definiert.Sie entwickelten das sogenannte Retina E-Paper – eine Displaytechnologie mit den kleinsten steuerbaren Pixeln der Welt. Jedes dieser Pixel ist gerade einmal 560 Nanometer groß, rund 150-mal dünner als ein menschliches Haar.

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Diese winzigen „Metapixel“ bestehen aus Nanopartikeln aus Wolframoxid (WO₃). Anders als bei LED- oder OLED-Displays werden die Farben hier nicht durch Lichtemission erzeugt, sondern durch strukturierte Lichtstreuung. Das Prinzip heißt Mie-Streuung – ein physikalischer Effekt, der auch für das Schillern von Schmetterlingsflügeln oder Vogelfedern verantwortlich ist.

„Die von uns entwickelte Technologie kann neue Wege für die Interaktion mit Informationen und der Welt um uns herum eröffnen“, sagt Kunli Xiong, Hauptautor der Studie. „Sie könnte kreative Möglichkeiten erweitern, die Zusammenarbeit über große Entfernungen verbessern und sogar wissenschaftliche Forschung beschleunigen.“

So funktioniert das Retina E-Paper

Im Gegensatz zu herkömmlichen Bildschirmen sendet das Retina E-Paper kein eigenes Licht aus. Es reflektiert das Umgebungslicht – ähnlich wie Papier. Dadurch bleibt das Bild auch bei direkter Sonneneinstrahlung klar erkennbar und benötigt nur minimalen Strom.

Jedes Pixel besteht aus einer Schicht von Wolframoxid-Nanopartikeln auf einem reflektierenden Untergrund. Wird eine schwache elektrische Spannung angelegt, verändern sich die elektronischen Eigenschaften des Materials – und damit die Lichtstreuung.

Das Ergebnis: eine steuerbare Farbänderung, die auf reinen Struktureffekten basiert, ganz ohne Pigmente oder Hintergrundbeleuchtung. Mit über 25.000 Pixeln pro Zoll (ppi) erreicht die Technologie die theoretische Grenze der menschlichen Sehfähigkeit. „Ein einzelnes Pixel entspricht praktisch einem Fotorezeptor im Auge“, erklärt Andreas Dahlin von der Chalmers University. „Eine höhere Auflösung könnten wir gar nicht mehr wahrnehmen.“

Um das zu demonstrieren, druckte das Team Gustav Klimts Gemälde „Der Kuss“ auf einer Fläche von nur 1,4 × 1,9 Millimetern – also rund 1/4000 eines Smartphone-Displays. Und dennoch sind alle Details erkennbar.

Extrem stromsparend und ideal für Mini-Displays

Das System arbeitet ohne Hintergrundbeleuchtung und verbraucht nur dann Energie, wenn sich die Farbe ändert. Diese Eigenschaft macht es prädestiniert für Anwendungen, bei denen Stromersparnis entscheidend ist – etwa bei E-Readern, Wearables oder Smartcards.

Auch für Augmented-Reality- (AR) und Virtual-Reality-Brillen (VR) eröffnet sich ein neuer Spielraum. In solchen Geräten befindet sich das Display nur Millimeter vom Auge entfernt. Die Pixel herkömmlicher Mikro-Displays sind dabei oft zu groß, um ein natürliches Bild zu erzeugen.

„Dies ist ein großer Fortschritt für Miniatur-Bildschirme, die gleichzeitig weniger Energie verbrauchen und eine höhere Qualität bieten“, sagt Giovanni Volpe von der Universität Göteborg.

Mögliche Anwendungen

Neben E-Paper-Displays und VR-Systemen sehen die Forschenden viele weitere Einsatzfelder:

  • Interaktive Oberflächen, die Informationen direkt auf Materialien anzeigen – etwa Verpackungen, Sensorfolien oder smarte Etiketten.
  • Digitale Kunst- und Designanwendungen, bei denen Farben unter realem Licht wirken statt auf leuchtenden Displays.
  • Wissenschaftliche Visualisierung, bei der mikroskopisch feine Details farbecht dargestellt werden müssen.

Da das Retina E-Paper reflektierend arbeitet, könnte es auch in Sonnenlicht-Displays oder Head-up-Projektionen eingesetzt werden, wo klassische Displays bislang an Kontrastverlust scheitern.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein zweiter Weg: Das kleinste leuchtende Pixel der Welt

Einen verwandten, aber technologisch gegensätzlichen Ansatz verfolgen Physiker der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Sie haben das bislang kleinste lichtemittierende Pixel der Welt entwickelt – ein nur 300 × 300 Nanometer großes Nano-OLED, das durch eine optische Antenne aus Gold verstärkt wird.

Das Prinzip unterscheidet sich grundlegend vom schwedischen E-Paper: Während dieses reflektierend arbeitet und Umgebungslicht nutzt, erzeugt das Würzburger Pixel eigenes Licht. Damit ist es für ultrakompakte AR- und VR-Projektoren geeignet, etwa in Smart Glasses oder Brillenbügeln.

„Wir haben ein Pixel für orangefarbenes Licht auf einer Fläche realisiert, das genauso hell ist wie ein herkömmliches OLED-Pixel, aber fast 300-mal kleiner“, erklärt Bert Hecht von der Universität Würzburg. Möglich wird das durch eine spezielle Isolationsschicht, die unerwünschte Strompfade verhindert und so den Betrieb stabil hält.

Die Forschenden wollen nun die Effizienz steigern und das Farbspektrum erweitern. Langfristig könnten Displays mit Millionen solcher Nanopixel auf einem Quadratmillimeter entstehen – so klein, dass sie sich unsichtbar in Alltagsgegenstände integrieren lassen.

Mögliche Anwendungen

Die möglichen Einsatzfelder reichen weit über Smart Glasses hinaus. In Zukunft könnten die Nano-OLEDs in Mikro-Projektoren, medizinischen Geräten, optischen Sensoren oder Mikroskopen eingesetzt werden – überall dort, wo kleinste, präzise Lichtquellen gefragt sind.

Langfristig lassen sich die Strukturen auch auf flexible oder transparente Träger übertragen. Damit wären sie geeignet für intelligente Oberflächen, tragbare Displays oder sogar leuchtende Textilien, die Informationen sichtbar machen, ohne selbst als Bildschirm wahrgenommen zu werden.

„Unsere Nano-Pixel sind ein erster Schritt in Richtung unsichtbarer Displays“, sagt Jens Pflaum. „Wenn wir die Effizienz steigern und das Farbspektrum erweitern, könnten wir Lichtquellen schaffen, die praktisch überall Platz finden.“

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Zwei Wege zur Zukunft des Sehens

Ob reflektierend oder selbstleuchtend – beide Technologien zeigen, wohin die Reise geht: Displays schrumpfen auf Nanomaßstab und erreichen eine Auflösung, die das menschliche Auge kaum noch erfassen kann. Das Retina E-Paper steht für stromsparenden Realismus, der aussieht wie echtes Papier.

Das Würzburger Nano-OLED dagegen bringt Licht in bisher unvorstellbar kleine Strukturen und ebnet den Weg für unsichtbar integrierte Mikro-Projektoren in Brillen oder Kontaktlinsen. Gemeinsam markieren sie den Beginn einer neuen Ära der visuellen Technik – an der Grenze zwischen Physik und Wahrnehmung.

Aspekt Retina E-Paper (Schweden) Nano-OLED-Pixel (Würzburg)
Funktionsprinzip Reflektierend, nutzt strukturierte Lichtstreuung (Mie-Effekt) Selbstleuchtend, nutzt organische Emission verstärkt durch Antennen
Pixelgröße ca. 560 nm ca. 300 nm
Lichtquelle Keine (passiv, reflektiert Umgebung) Aktiv (emit­tiert Photonen)
Energieverbrauch Extrem gering, nur bei Farbwechsel Höher, da Strom für Lichtemission nötig
Zielanwendung E-Paper, AR-/VR-Mikrodisplays mit Sonnenlichttauglichkeit AR-/VR-Projektoren, Smart Glasses, Kontaktlinsen-Displays
Technischer Fokus Strukturelle Farbe und Nanopartikel-Optik Nano-OLED-Physik und Stromverteilung auf Nanoskala

Ähnliche Forschungen

Obwohl die Retina E-Paper-Technologie einzigartig kombiniert, was bisher getrennt war – elektrochrome Steuerung, strukturelle Farbe und Nanometapixel – arbeiten weltweit Forschungsgruppen an verwandten Konzepten.

  1. Elektrochrome WO₃-Displays
  • Dahlin-Gruppe (Chalmers University, Schweden): Pionierarbeit an elektrochromen Nanostrukturen aus Gold und Wolframoxid auf Platinspiegeln mit außergewöhnlich hoher Reflektivität.
  • Lee et al., KAIST (Südkorea): Entwickelten 2023 WO₃-Nanodisks mit stufenloser Farbmodulation über den gesamten RGB-Bereich.
  • University of Central Florida (USA): Zeigten 2024 eine Photolithografie-Technik zur präzisen Anordnung von WO₃-Nanopartikeln unter 4 µm Linienbreite für flexible Displays.
  1. Plasmonische Nanopixel-Displays
  • University of Cambridge (UK): Aluminium-Nanopixel mit ultraschneller Schaltgeschwindigkeit (> 50 Hz) bei nur 9 FJ pro Pixel.
  • Rice University (USA): Gold-„Nanoparticle-on-Mirror“-Systeme mit hoher Bistabilität und Schaltzeiten im Millisekundenbereich.
  • Tsinghua University (China): Duan et al. nutzten katalytische Magnesium-Metaoberflächen, die ihre Farbe reversibel durch Hydrogenierung ändern.
  1. Dielektrische Metaoberflächen
  • National University of Singapore (NUS): Yang et al. entwickelten Silizium-Nanodisk-Arrays mit beugungsbegrenzter Auflösung.
  • Seoul National University (Südkorea): Park et al. realisierten a-Si:H-Farbfilter, die CMOS-kompatibel sind – ein Schritt zur Integration auf Chips.
  • Karlsruher Institut für Technologie (Deutschland): Forscht an TiO₂-Metaoberflächen, die farbstofffrei stabile, blickwinkelunabhängige Farben erzeugen.
  1. Photonische Kristalle und kolloidale Systeme
  • Harvard University (USA): Entwickelte photonische Filme aus selbstorganisierten Siliziumdioxid-Kügelchen mit lebendigen strukturellen Farben.
  • University of Tokyo (Japan): Untersucht amorphe Nanostrukturen für blickwinkelstabile, nicht-irideszente Farben.
  • CNRS (Frankreich): Entwickelt ZnS-basierte photonische Kristallschichten für großflächig druckbare Farbanzeigen.
  1. Hybrid-Systeme
  • University of Oxford (UK): Franklin et al. kombinierten plasmonische Nanostrukturen mit Flüssigkristallen und erzeugten ein aktiv adressierbares Vollfarb-Display.
  • University of Toronto (Kanada): Forschende testen Polymer-Metall-Hybride („Nanoparticle-on-Foil“) für flexible, mechanisch stabile Bildschirme.
  • Tsinghua University (China): Liang et al. präsentierten 2025 Lithium-Plasmon-Displays, die Farbe anzeigen und gleichzeitig Energie speichern.
  1. Mie-Resonanz-basierte Systeme
  • Massachusetts Institute of Technology (MIT, USA): Zhou et al. nutzten partiell metallbeschichtete Nanopartikel zur Verstärkung von Mie-Resonanzen.
  • Zhejiang University (China): Ren et al. zeigten Zinkoxid-Kugeln mit hoher Lichtstreuung und lebendiger Farbgebung.
  • ETH Zürich (Schweiz): Entwickelt Nanopartikel mit anpassbarem Brechungsindex für ultradünne Displayfolien.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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