Wasserstoffproduktion: Neue Katalysatoren lösen Iridium-Engpass
Forschende finden Ersatz für Iridium: Ein neuer Katalysator macht grünen Wasserstoff günstiger und unabhängiger von seltenen Metallen.
Eine künstlerische Interpretation des neuen katalytischen Materials, das eine Reaktion zur Spaltung von Wasser ausführt.
Foto: Jin Huang and Siyuan Zuo
Grüner Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger der Energiewende. Mit Strom aus erneuerbaren Quellen lässt sich Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Der Wasserstoff kann gespeichert, transportiert oder direkt genutzt werden. Doch ein Problem bremst den Durchbruch: Für die Spaltung wird ein Katalysator benötigt, der zuverlässig funktioniert. Bislang setzen Forschende dafür auf Iridium.
Iridium ist eines der seltensten Metalle auf der Erde. Es fällt nur in Spuren beim Abbau von Platin an. Der Preis liegt bei rund 5000 US-Dollar pro Unze. Dazu kommt, dass die weltweiten Vorkommen schlicht nicht reichen würden, um den erwarteten Bedarf an Wasserstoff zu decken. „Es gibt nicht genug Iridium auf der Welt, um unseren prognostizierten Bedarf zu decken“, erklärt Ted Sargent von der Northwestern University.
Die Abhängigkeit von diesem Rohstoff ist ein großes Risiko. Wer Wasserstoff als Energieträger im industriellen Maßstab einsetzen möchte, braucht Alternativen. Und genau hier kommt eine neue Technologie ins Spiel, die den Suchprozess nach Ersatzstoffen drastisch verkürzt.
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Ein Chip voller Kandidaten
An der Northwestern University haben Forschende ein Werkzeug entwickelt, das sie „Megalibrary“ nennen. Man kann sich die Technologie wie eine riesige Datenbank auf einem winzigen Chip vorstellen. Jede Bibliothek enthält Millionen von Partikeln, die in ihrer Zusammensetzung variieren.
Jede dieser Nanostrukturen wird im Prinzip wie ein Mini-Labor behandelt. „Man kann sich jede Spitze als einen winzigen Menschen in einem winzigen Labor vorstellen“, sagt Chad Mirkin, Chemiker an der Northwestern University. „Anstatt dass ein winziger Mensch jeweils eine Struktur herstellt, hat man Millionen von Menschen. Man hat also im Grunde eine ganze Armee von Forschern auf einem Chip.“
Mit dieser Methode lassen sich unzählige Kombinationen von Metallen testen, ohne jedes Mal langwierige Versuchsreihen durchzuführen. So entsteht eine Art Material-Fabrik, die in kürzester Zeit Kandidaten hervorbringt, die sonst Jahre der Forschung verschlingen würden.
Die Suche nach einem Ersatz für Iridium
Für die aktuelle Studie konzentrierte sich das Team auf vier Metalle: Ruthenium, Kobalt, Mangan und Chrom. Alle sind vergleichsweise häufig, deutlich günstiger und für ihre katalytischen Eigenschaften bekannt. Die Megabibliothek erzeugte mehr als 150 Millionen Partikel, die aus unterschiedlichen Mischungen dieser Metalle bestanden.
Ein Roboterscanner prüfte anschließend die Eigenschaften der Partikel. Im Fokus stand die sogenannte Sauerstoffentwicklungsreaktion (OER). Sie ist der schwierige Teil der Wasserspaltung. Ohne einen geeigneten Katalysator verläuft sie zu langsam und benötigt zu viel Energie. Bislang gilt Iridium als Goldstandard für diese Reaktion – im doppelten Sinn, denn es ist teuer und extrem effektiv.
Doch die Megabibliothek fand eine Alternative. Das Material besteht aus einer präzisen Kombination aller vier Metalle, in der Fachsprache Ru52Co33Mn9Cr6-Oxid genannt. In Tests erreichte es nicht nur die Leistung von Iridium, sondern übertraf sie in manchen Fällen sogar.
„Unser Katalysator hat tatsächlich eine etwas höhere Aktivität als Iridium und eine ausgezeichnete Stabilität“, sagt Mirkin. Ruthenium sei normalerweise nicht stabil, erklärt er, doch die Kombination mit den anderen Metallen gleiche diesen Nachteil aus.
Von der Idee ins Gerät
Die eigentliche Stärke des Ansatzes zeigt sich darin, dass das Material nicht nur im Labor funktioniert. Forschende skalierten es auf ein reales Gerät hoch und testeten es über längere Zeiträume. Der Katalysator lief mehr als 1000 Stunden in saurer Umgebung, ohne seine Leistungsfähigkeit einzubüßen.
Joseph Montoya vom Toyota Research Institute, das mit Northwestern zusammenarbeitete, betont: „Zum ersten Mal konnten wir nicht nur Katalysatoren schnell untersuchen, sondern auch feststellen, dass die besten davon in einer vergrößerten Umgebung gut funktionieren.“
Die Kosten sind dabei ein entscheidender Faktor. Das neue Material kommt auf etwa ein Sechzehntel der Kosten von Iridium. Damit rückt erschwinglicher grüner Wasserstoff deutlich näher.
Neue Wege für die Materialforschung
Die Megabibliothek liefert nicht nur eine Lösung für das Iridium-Problem. Sie verändert auch die Art, wie Materialien künftig entwickelt werden. Traditionell suchten Forschende nach neuen Kombinationen über mühsame Versuchsreihen. Oft dauerte es Jahre, bis ein vielversprechendes Ergebnis vorlag. Mit der neuen Methode lassen sich in wenigen Stunden Millionen von Möglichkeiten überprüfen.
Die dabei entstehenden Datensätze sind so umfangreich, dass sie sich hervorragend für den Einsatz von künstlicher Intelligenz eignen. Algorithmen können Muster erkennen und Vorschläge machen, welche Kombinationen am vielversprechendsten sind.
Mirkin sieht darin den Beginn einer neuen Ära: „Wir werden nach allen möglichen Materialien für Batterien, Fusion und mehr suchen. Die Welt verwendet nicht die besten Materialien für ihre Bedürfnisse. Das wollen wir auf den Kopf stellen.“
Das Prinzip lässt sich also nicht nur auf Wasserstoff anwenden. Auch Batterien, optische Komponenten oder medizinische Geräte könnten von der Technik profitieren.
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